23.11.2024
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Bundesverwaltungsgericht Urteil22.02.2017

Anerkannter Flüchtling darf wegen Unterstützung der PKK ausgewiesen werdenAbschie­bungs­verbot: Ausweisung führt zum Erlöschen des Aufent­halt­s­titels

Bei der Ausweisung von anerkannten Flüchtlingen ist der besondere Auswei­sungs­schutz zu beachten. Führt die Ausweisung wegen der dem Ausländer im Herkunftsland drohenden Gefahren nicht zu einer Aufent­halts­be­en­digung, kann er sich weiterhin auf die einem Flüchtling nach dem Unionsrecht zustehenden Rechte berufen. Dies hat das Bundes­ver­wal­tungs­gericht entschieden.

Im vorliegenden Fall lebt ein türkischer Staats­an­ge­höriger kurdischer Volks­zu­ge­hö­rigkeit seit 20 Jahren mit seiner Frau und seinen sieben Kindern in Deutschland. Dem Kläger wurde im Oktober 1997 wegen seines prokurdischen Engagements in der Türkei die Flücht­lings­ei­gen­schaft nach dem damaligen § 51 Abs. 1 Ausländergesetz zuerkannt und zu seinen Gunsten ein Abschiebungsverbot wegen drohender Verletzung seiner Rechte nach der Europäischen Menschen­rechts­kon­vention (EMRK) festgestellt. Im Dezember 2009 wurde ihm eine Nieder­las­sungs­er­laubnis erteilt.

Ermes­sen­s­ent­scheidung der Auslän­der­behörde über Einreise- und Aufent­halts­ver­bots­be­fristung

Im Januar 2012 wurde er wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (PKK) ausgewiesen. Zugleich wurde er verpflichtet, sich zweimal wöchentlich bei der zuständigen Polizei­dienst­stelle zu melden. Sein Aufenthalt wurde auf den Bereich der Stadt Mannheim beschränkt. Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen nur insoweit Erfolg, als das Verwal­tungs­gericht die Auslän­der­behörde dazu verpflichtete, das mit der Ausweisung kraft Gesetzes eingetretene Einreise- und Aufent­halts­verbot auf acht Jahre zu befristen. Das Bundes­ver­wal­tungs­gericht hat die Auslän­der­behörde verpflichtet, eine eigene Ermes­sen­s­ent­scheidung zur Befristung des Einreise- und Aufent­halts­verbots zu treffen, und die Revision des Klägers im Übrigen zurückgewiesen.

Auswei­sungsrecht im Einklang mit Still­hal­te­klausel des Assoia­ti­o­ns­rechts EWG-Türkei

Das Gericht hat die Ausweisung des Klägers an dem seit 1. Januar 2016 geltenden neuen Auswei­sungsrecht gemessen. Dieses steht im Einklang mit der Still­hal­te­klausel des Assozia­ti­o­ns­rechts EWG-Türkei, weil es in der gebotenen Gesamtschau auch unter Berück­sich­tigung des Systemwechsels von einer Ermes­sen­s­ent­scheidung zu einer gebundenen Entscheidung für türkische Staats­an­ge­hörige nicht zu einer Verschlech­terung führt.

Sicher­heits­ge­fährdung der Bundesrepublik Deutschland durch Aktivitäten des Klägers in terroristischer Vereinigung

Im Fall des Klägers liegt aufgrund der Tatsa­chen­fest­stel­lungen des Verwal­tungs­ge­richtshofs ein besonders schwerwiegendes Auswei­sungs­in­teresse im Sinne des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, weil er die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Er unterstützt seit mehr als zehn Jahren durch Aktivitäten in Deutschland die in der Türkei agierende Kurdenpartei PKK, eine terroristische Vereinigung. Der Kläger engagierte sich als Vorstands­mitglied in PKK-nahen Vereinen sowie als Versamm­lungs­leiter und Redner auf entsprechenden Veranstaltungen. Das lässt nach den Feststellungen des Verwal­tungs­ge­richtshofs erkennen, dass er sich den Zielen der PKK verpflichtet fühlt und deren als terroristisch zu quali­fi­zie­rendes Handeln zumindest billigt. Die Ausweisung ist trotz der Anerkennung des Klägers als Flüchtling und weiterer zu seinen Gunsten sprechender Belange verhältnismäßig, zumal eine tatsächliche Beendigung seines Aufenthalts wegen eines zwingenden Abschie­bungs­verbotes (Art. 3 EMRK) nicht in Frage kommt. Die Ausweisung führt lediglich zum Erlöschen des Aufent­halt­s­titels.

Recht auf Ausübung einer Erwer­b­s­tä­tigkeit und sozialen Rechten mit räumlicher Beschränkung und Meldeauflagen

Die Ausweisung durfte trotz des besonderen Schutzes ergehen, den ein anerkannter Flüchtling genießt (§ 53 Abs. 3 AufenthG). Auch die Richtlinie 2011/95/EU (EU-Anerken­nungs­richtlinie) steht der Ausweisung des Klägers ohne Aufent­halts­be­en­digung nicht entgegen. Die Ausweisung führt zwar kraft Gesetzes zum Erlöschen seines Aufent­halt­s­titels. Nach einem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 24. Juni 2015 darf einem Flüchtling der Aufenthaltstitel aber entzogen werden, wenn - wie hier - zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung vorliegen (Art. 24 EU-Anerken­nungs­richtlinie). Nach diesem Urteil bleiben dem Ausländer aber - solange er den Flücht­lings­status besitzt - die ihm nach dem Unionsrecht als Flüchtling zustehenden Rechte erhalten. Dazu gehören u.a. das Recht auf Ausübung einer Erwer­b­s­tä­tigkeit, der Zugang zu Bildung und zu weiteren sozialen Rechten. Diese Rechte dürfen, auch soweit sie nach nationalem Recht an den Besitz eines Aufent­halt­s­titels anknüpfen, von den zuständigen Behörden daher nicht mit der Begründung versagt werden, dass der Aufenthalt des Flüchtlings infolge der Ausweisung rechtswidrig geworden ist. Allerdings dürfen nach Art. 33 EU-Anerken­nungs­richtlinie zusammen mit der Ausweisung der Aufenthalt räumlich beschränkt und Meldeauflagen verfügt werden, weil derartige Maßnahmen aus Gründen der öffentlichen Sicherheit auch gegenüber sich rechtmäßig in Deutschland aufhaltenden Ausländern zulässig sind (§ 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).

Neuentscheidung unter Beachtung der Rechts­auf­fassung

Da über die Befristung des Einreise- und Aufent­halts­verbots nach aktueller Rechtslage von der Auslän­der­behörde nach Ermessen zu entscheiden ist, war die vom Verwal­tungs­gericht ausgesprochene Befris­tungs­ent­scheidung aufzuheben und der Beklagte zur Bescheidung unter Beachtung der Rechts­auf­fassung des Bundes­ver­wal­tungs­ge­richts zu verpflichten.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht/ ra-online

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