21.11.2024
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Dokument-Nr. 12702

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Bundesverfassungsgericht Beschluss12.10.2011

BVerfG: Gesetz zur Neuregelung der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung verfas­sungsgemäßVorkehrungen zum absoluten Schutz des Kernbereichs privater Lebens­ge­staltung ausreichend

Die Neuregelung bzw. Änderung einzelner Vorschriften der Straf­pro­zess­ordnung durch Art. 1 und 2 des Gesetzes zur Neuregelung der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung vom 21. Dezember 2007 steht mit dem Grundgesetz im Einklang. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Mit der Neufassung des § 100 a StPO wurde der in Absatz 2 enthaltene Katalog der Anlasstaten, die Voraussetzung für eine Telekommunikationsüberwachung sind, systematisch neu geordnet; 19 Straf­tat­be­stände wurden gestrichen und mehr als 30 Straf­tat­be­stände neu aufgenommen. Ferner wurden in § 100 a Abs. 4 StPO Vorkehrungen zum Schutz privater Lebens­ge­staltung geschaffen. Beim Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte dafür, dass aus der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung allein Erkenntnisse aus dem Kernbereich privater Lebens­ge­staltung erlangt würden, ist die Maßnahme unzulässig. Daraus gewonnene Erkenntnisse dürfen nicht verwertet werden.

Benach­rich­tigung der von verdeckten Ermitt­lungs­maß­nahmen Betroffenen neu geregelt

In § 101 Abs. 4 bis 6 StPO wird die Benach­rich­tigung der von verdeckten Ermitt­lungs­maß­nahmen Betroffenen neu geregelt. Die Vorschriften enthalten mehrere Ausnah­me­tat­be­stände, bei deren Vorliegen die Benach­rich­tigung der betroffenen Personen unterbleiben oder zurückgestellt werden darf. § 101 Abs. 6 Satz 3 StPO bestimmt, dass das Gericht dem endgültigen Absehen von der Benach­rich­tigung zustimmen kann, wenn die Voraussetzungen für eine Benach­rich­tigung mit an Sicherheit grenzender Wahrschein­lichkeit auch künftig nicht eintreten werden.

Differenzierung von Berufsgruppen hinsichtlich des Schutzes der Vertraulichkeit der berufs- und funkti­o­ns­be­zogenen Kommunikation

Die Neuregelung des § 160 a StPO erfasst Ermitt­lungs­maß­nahmen, in die Berufs­ge­heim­nis­träger als nicht einer Straftat Verdächtige einbezogen werden, und differenziert zwischen bestimmten Berufsgruppen. In Absatz 1 wird ein umfassender Schutz der Vertraulichkeit der berufs- und funkti­o­ns­be­zogenen Kommunikation mit Geistlichen, Straf­ver­tei­digern, Abgeordneten und seit dem 1. Februar 2011 auch mit Rechtsanwälten gewährleistet. Hinsichtlich aller Informationen, über die diesen Berufs­ge­heim­nis­trägern nach § 53 StPO ein Zeugnisverweigerungsrecht zustünde, gilt ein absolutes Beweiserhebungs- und -verwer­tungs­verbot. Für alle anderen zur Zeugnis­ver­wei­gerung berechtigten Berufs­ge­heim­nis­träger, wie z. B. Ärzte, Steuerberater oder Pressevertreter, sieht Absatz 2 dagegen vor, dass die Ermitt­lungs­be­hörden im Einzelfall nach Verhält­nis­mä­ßig­keits­grund­sätzen das Bestehen eines Beweiserhebungs- und -verwer­tungs­verbots zu prüfen haben.

Beschwer­de­führer sehen sich u.a. im Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung sowie in ihrer verfas­sungs­rechtlich geschützten Berufsfreiheit verletzt

Die Beschwer­de­führer in den miteinander verbundenen Verfahren erheben im Wesentlichen folgende Rügen: Das Gesetz zur Neuregelung der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung sei - im Hinblick auf die Begrenzung der Benach­rich­ti­gungs­pflicht nach § 101 Abs. 6 Satz 3 StPO - wegen Verstoßes gegen das Zitiergebot bereits formell verfas­sungs­widrig. Durch die Erweiterung des Straf­ta­ten­ka­taloges des § 100 a Abs. 2 StPO werde das grundrechtlich geschützte Fernmel­de­ge­heimnis ausgehöhlt. Außerdem verletze die Regelung in § 100 a Abs. 4 StPO das Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung, da sie den Kernbereich privater Lebens­ge­staltung nur für den Fall schütze, dass die Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung ausschließlich aus diesem Bereich Erkenntnisse bringe. Ferner verstoße die Ausgestaltung der Benach­rich­ti­gungs­pflicht und ihrer Ausnahmen in § 101 Abs. 4 bis 6 StPO gegen das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz. Einige der Beschwer­de­führer, die als Ärzte bzw. publizistisch tätig sind, halten die Differenzierung zwischen den Berufsgruppen in § 160 a Abs. 1 und 2 StPO für unvereinbar mit dem allgemeinen Gleichheitssatz. Ferner sehen sie sich dadurch, dass sie von der in Absatz 1 privilegierten Gruppe der Berufs­ge­heim­nis­träger ausgeschlossen werden, in ihrem Grundrecht auf informationelle Selbst­be­stimmung sowie in ihrer verfas­sungs­rechtlich geschützten Berufsfreiheit verletzt.

BVerfG weist Beschwerde zurück

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerden zurückgewiesen. Das Gesetz zur Neuregelung der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung verstößt weder gegen das verfas­sungs­rechtliche Zitiergebot noch verletzen die angegriffenen straf­pro­zes­sualen Vorschriften die Beschwer­de­führer in ihren Grundrechten.

Durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung eingeführter § 101 Abs. 6 Satz 3 StPO verstößt nicht gegen Zitiergebot

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Das Zitiergebot nach Art. 19 Abs. 1 Satz 2 GG fordert, dass ein Gesetz dasjenige Grundrecht unter Angabe seines Artikels benennen muss, das durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes eingeschränkt wird. Es soll sicherstellen, dass sich der Gesetzgeber die Notwendigkeit und das Ausmaß des beabsichtigten Grund­recht­s­ein­griffs bewusst macht und greift nicht nur bei erstmaligen Grund­recht­s­ein­schrän­kungen ein, sondern wird bei jeder erheblichen Veränderung der Eingriffs­vor­aus­set­zungen bedeutsam, die zu neuen Grund­recht­s­ein­schrän­kungen führt. Der durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung eingeführte § 101 Abs. 6 Satz 3 StPO, wonach das Gericht einem endgültigen Absehen von der Benach­rich­tigung des von der Ermitt­lungs­maßnahme Betroffenen zustimmen kann, verstößt nicht gegen das Zitiergebot. Zwar bezeichnet das Gesetz nur das Brief-, Post- und Fernmel­de­ge­heimnis (Art. 10 GG) als eingeschränkt, während die Eingrenzung der Mittei­lungs­pflicht bei Maßnahmen der akustischen Wohnrau­m­über­wachung auch einen Eingriff in das Grundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) darstellen kann. Die Neuregelung in § 101 Abs. 6 Satz 3 StPO begründet jedoch nur eine unerhebliche Geset­ze­s­än­derung im Vergleich zur Vorgän­ger­re­gelung.

Erweiterter Straf­ta­ten­katalog wahrt Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit

Gegen die Erweiterung des Straf­ta­ten­ka­talogs in § 100 a Abs. 2 StPO bestehen keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Der erweiterte Straf­ta­ten­katalog wahrt - mit Blick auf den mit der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung verbundenen schwerwiegenden Eingriff in das grundrechtlich geschützte Fernmel­de­ge­heimnis - den Grundsatz der Verhält­nis­mä­ßigkeit. Der Gesetzgeber hat den Anlass­taten­katalog nicht in verfas­sungs­widriger Weise in die Bereiche der leichten und mittleren Kriminalität hinein ausgedehnt. Er hat in den Katalog des § 100 a Abs. 2 StPO nur Delikte neu aufgenommen, deren Begehung mit einer Höchststrafe von mindestens fünf Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist. Dies allein qualifiziert die Delikte zwar noch nicht als schwere Straftaten, bei denen ein Eingriff in Art. 10 Abs. 1 GG erst verhältnismäßig ist.

Neue – als „schwer“ – aufgenommene Straf­tat­be­stände vertretbar

Gleichwohl ist die gesetz­ge­be­rische Einstufung der neu aufgenommenen Straf­tat­be­stände als „schwer“ bei einer Gesamtschau, die insbesondere die jeweils geschützten Rechtsgüter in den Blick nimmt, vertretbar. Denn es handelt sich um Delikte, die - wie z. B. die Abgeord­ne­ten­be­stechung - entweder erheblich in die Funkti­o­ns­fä­higkeit des Staates oder seiner Einrichtungen eingreifen oder die - wie z. B. die Verbreitung, der Erwerb und Besitz kinderpor­no­gra­phischer Schriften - in einschneidender Weise die Rechtsgüter Privater beeinträchtigen.

Neu geschaffene Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebens­ge­staltung genügen verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen

Auch die durch § 100 a Abs. 4 StPO geschaffenen Vorkehrungen zum Schutz des Kernbereichs privater Lebens­ge­staltung bei der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung genügen sowohl auf der Erhebungsebene als auch in der Auswer­tungsphase den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen. Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung ein zweistufiges Schutzkonzept entwickelt, um den Betroffenen vor Eingriffen in den absolut geschützten Kernbereich privater Lebens­ge­staltung zu bewahren.

Normiertes Verwer­tungs­verbot bietet hinreichenden Schutz des Kernbereich privater Lebens­ge­staltung in Auswer­tungsphase

§ 100 a Abs. 4 Satz 1 StPO ordnet an, dass eine zielgerichtete Erhebung kernbe­reichs­re­le­vanter Daten unterbleibt. Kommt es dennoch ohne dass dies im Vorfeld zu erwarten war zu einer Berührung des Kernbereichs, ist in § 100 a Abs. 4 Sätze 2 bis 4 StPO eine Dokumentations- und Löschungs­pflicht sowie ein Verwertungsverbot vorgesehen. Soweit schon im Vorfeld erkennbar ist, dass ausschließlich der Kernbereich privater Lebens­ge­staltung betroffen ist - so bei der Kommunikation mit Personen, zu denen ein besonderes Vertrau­ens­ver­hältnis besteht wie z.B. engste Familien­an­ge­hörige, Geistliche oder Straf­ver­teidiger - dürfen Maßnahmen der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung nicht durchgeführt werden. Andererseits müssen - entgegen der Auffassung der Beschwer­de­führer - Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wa­chungs­maß­nahmen aber nicht schon deshalb von vornherein unterlassen werden, weil auch Tatsachen mit erfasst werden, die auch den Kernbereich des Persön­lich­keits­rechts berühren. Ein entsprechendes umfassendes Erhebungsverbot würde die Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung in einem Maße einschränken, dass eine wirksame Strafverfolgung gerade im Bereich schwerer und schwerster Kriminalität nicht mehr gewährleistet wäre. Der Schutz des Kernbereichs privater Lebens­ge­staltung ist in diesen Fällen durch einen hinreichenden Grund­rechts­schutz in der Auswer­tungsphase sicherzustellen. Für den Fall, dass bei einer Überwa­chungs­maßnahme Daten erfasst werden, die den Kernbereich privater Lebens­ge­staltung berühren, bietet das in § 100 a Abs. 4 Satz 2 StPO normierte Verwer­tungs­verbot einen hinreichenden Schutz in der Auswer­tungsphase.

Anspruch auf Benach­rich­tigung von verdeckten Ermitt­lungs­maß­nahmen ist wesentliche Voraussetzungen effektiven Grund­rechts­schutzes

Die Ausgestaltung der Benach­rich­ti­gungs­pflichten in § 101 Abs. 4 bis 6 StPO hält einer verfas­sungs­recht­lichen Prüfung ebenfalls stand. Der Anspruch auf Benach­rich­tigung von verdeckten Ermitt­lungs­maß­nahmen gehört zu den wesentlichen Voraussetzungen effektiven Grund­rechts­schutzes. Ohne zumindest nachträgliche Kenntnis können die Betroffenen weder eine Unrecht­mä­ßigkeit der durchgeführten Ermitt­lungs­maßnahme noch etwaige Rechte auf Löschung, Berichtigung oder Genugtuung geltend machen.

Ausnahmen von Benach­rich­ti­gungs­pflichten bei Strafverfolgung möglich

Ausnahmen von der Benach­rich­ti­gungs­pflicht kann der Gesetzgeber in Abwägung mit verfas­sungs­rechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter vorsehen. Sie sind jedoch auf das unbedingt Erforderliche zu beschränken. Bei der Strafverfolgung sind Ausnahmen von den Benach­rich­ti­gungs­pflichten denkbar, wenn beispielsweise die Kenntnis des Eingriffs in das Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­ge­heimnis dazu führen würde, dass dieser seinen Zweck verfehlt, wenn die Benach­rich­tigung nicht ohne Gefährdung von Leib und Leben einer Person geschehen kann oder wenn ihr überwiegende Belange einer betroffenen Person entgegenstehen, etwa weil durch die Benach­rich­tigung von einer Maßnahme, die keine weiteren Folgen gehabt hat, der Grund­recht­s­eingriff noch vertieft würde. Darüber hinaus ist es verfas­sungs­rechtlich nicht geboten, vergleichbar strenge Benach­rich­ti­gungs­pflichten gegenüber Personen zu begründen, die nur zufällig von einer Ermitt­lungs­maßnahme gegen einen Beschuldigten betroffen sind und somit nicht Ziel des behördlichen Handelns sind. Eine Benach­rich­tigung kann ihnen gegenüber im Einzelfall den Eingriff vielfach sogar vertiefen.

Die durch das Gesetz zur Neuregelung der Telekom­mu­ni­ka­ti­o­ns­über­wachung geänderten Vorschriften des § 101 Abs. 4 bis 6 StPO zur Einschränkung der Benach­rich­ti­gungs­pflichten werden diesen verfas­sungs­recht­lichen Maßstäben gerecht.

Grundrechte durch Regelung über Schutz der Zeugnis­ver­wei­ge­rungs­be­rech­tigten nicht verletzt

Zudem verletzt die Regelung über den Schutz der Zeugnis­ver­wei­ge­rungs­be­rech­tigten in § 160 a Abs. 1 und Abs. 2 StPO die Beschwer­de­führer nicht in ihren Grundrechten. Der Gesetzgeber war nicht verpflichtet, den Anwen­dungs­bereich des in § 160 a Abs. 1 StPO normierten absoluten Beweiserhebungs- und Verwen­dungs­verbots - für Geistliche, Straf­ver­teidiger, Abgeordnete und seit dem 1. Februar 2011 für Rechtsanwälte - auch auf die in Absatz 2 der Vorschrift genannten Personengruppen zu erstrecken.

Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Berufs­ge­heim­nis­trägern gerechtfertigt

§ 160 a Abs. 1 und Abs. 2 StPO bezweckt in Anlehnung an die in § 53 Abs. 1 StPO normierten Zeugnis­ver­wei­ge­rungs­rechte der Berufs­ge­heim­nis­träger den Schutz des zu diesen bestehenden Vertrau­ens­ver­hält­nisses. Mit der Differenzierung zwischen bestimmten Gruppen von Berufs­ge­heim­nis­trägern trägt der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung, dass das Grundgesetz dem einzelnen Bürger einen unantastbaren Bereich privater Lebens­ge­staltung zuerkennt, der der Einwirkung der öffentlichen Gewalt und damit auch straf­pro­zes­sualen Ermittlungen von vornherein entzogen ist: Soweit der Gesetzgeber annimmt, dass der Kontakt zwischen einem Bürger und einem Berufs­ge­heim­nis­träger typischerweise den unantastbaren Bereich privater Lebens­ge­staltung berührt, gewährt er absoluten Schutz vor einer Erhebung, Verwendung oder Verwertung von Informationen (§ 160 a Abs. 1 StPO). In allen anderen Fällen, in denen zwar ebenfalls eine besondere Vertrau­ens­be­ziehung zwischen Bürger und Berufs­ge­heim­nis­träger besteht, der Kernbereich privater Lebensführung zwar berührt sein kann, aus Sicht des Gesetzgebers bei typisierender Betrachtung jedoch nicht notwendig berührt ist, wird nur ein relativer Schutz gewährt (§ 160 a Abs. 2 StPO). Soweit bei dieser Personengruppe im Einzelfall der unantastbare Kernbereich privater Lebens­ge­staltung tangiert wird, ist auch im Bereich des § 160 a Abs. 2 StPO von einer Unzulässigkeit der Ermitt­lungs­maßnahme auszugehen.

Absolutes Beweiserhebungs- und -verwen­dungs­verbot wegen hoher Bedeutung der Verfolgung von Straftaten auf wenige Ausnahmefälle begrenzt

Indem der Gesetzgeber das absolute Beweiserhebungs- und verwen­dungs­verbot des § 160 a Abs. 1 StPO auf wenige Ausnahmefälle begrenzt, trägt er dem Umstand Rechnung, dass die Verfolgung von Straftaten hohe Bedeutung hat. Der Rechtsstaat kann sich nur verwirklichen, wenn ausreichende Vorkehrungen getroffen sind, dass Straftäter im Rahmen der geltenden Gesetze verfolgt, abgeurteilt und einer gerechten Bestrafung zugeführt werden.

Absoluter Schutz für Geistliche und Straf­ver­teidiger gerechtfertigt

Bei den von § 160 a Abs. 1 StPO erfassten Berufsgruppen rechtfertigen jeweils besondere Gründe eine Privilegierung in Form eines absoluten Beweiserhebungs und verwen­dungs­verbotes: Für Geistliche in ihrer Eigenschaft als Seelsorger sowie für Straf­ver­teidiger ergibt sich die Rechtfertigung für den absoluten Schutz daraus, dass ihre Kommunikation mit dem Beschuldigten eines Strafverfahrens typischerweise einen Bezug zu Art. 1 Abs. 1 GG aufweist. Die Einbeziehung der Abgeordneten in § 160 a Abs. 1 StPO kann sich hingegen auf eine ausdrückliche verfas­sungs­rechtliche Rechtfertigung stützen. Sie wird um der Institution des Parlaments und seiner Funkti­o­ns­fä­higkeit willen gewährt. Deshalb ordnet auch das Grundgesetz für Bundes­tags­ab­ge­ordnete ein Zeugnis­ver­wei­ge­rungsrecht und ein Beschlag­nah­me­verbot an (Art. 47 GG).

Ausdehnung des absoluten Schutzes auf Rechtsanwälte gerechtfertigt

Auch die gesetz­ge­be­rische Entscheidung, den absoluten Schutz des § 160 a Abs. 1 StPO auf Rechtsanwälte, auf nach § 206 BRAO in eine Rechts­an­walts­kammer aufgenommene Personen sowie auf Kammer­rechts­bei­stände auszudehnen, ist vor Art. 3 Abs. 1 GG noch zu rechtfertigen. Allein die Stellung der Rechtsanwälte als unabhängige Organe der Rechtspflege und ihre Teilnahme an der Verwirklichung des Rechtsstaats heben sie zwar noch nicht in einer Weise aus dem Kreis der lediglich von dem relativen Schutz des § 160 a Abs. 2 StPO erfassten Berufs­ge­heim­nis­träger heraus. Allerdings kann eine hinreichende Rechtfertigung in dem Umstand gesehen werden, dass eine Differenzierung zwischen Anwälten und Verteidigern aufgrund der Nähe der Tätig­keits­felder faktisch kaum möglich ist. Einem anwaltlichen Beratungs­ver­hältnis ist anders als dies etwa bei Steuerberatern der Fall ist bei genera­li­sie­render Betrachtung die Option der Straf­ver­tei­digung immanent. Daher ist es mit Blick auf den Menschen­wür­debezug der Straf­ver­tei­digung vertretbar, auch die nunmehr neu von § 160 a Abs. 1 StPO erfasste Berufsgruppe der Rechtsanwälte an dem dort normierten absoluten Schutz teilhaben zu lassen.

Von diesen privilegierten Berufsgruppen unterscheiden sich die von § 160 a Abs. 2 StPO erfassten anderen Berufs­ge­heim­nis­träger in einer Weise, die einen der Abwägung zugänglichen Schutz gegenüber Ermitt­lungs­maß­nahmen rechtfertigt.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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