21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss16.12.2015

Bei Vorliegen eines sachlichen Grundes kann Dienstposten mehreren Besol­dungs­gruppen zugeordnet werden

Das Bundes­verfassungs­gericht hat anlässlich eines Konkur­ren­ten­streits die verfassungs­rechtlichen Anforderungen an eine Dienst­posten­bündelung (sogenannte Topfwirtschaft im dienst­recht­lichen Sinne) konkretisiert. Nach diesen Maßstäben erfordert die Dienst­posten­bündelung einen sachlichen Grund, der insbesondere in der "Massen­ver­waltung" angenommen werden kann, wo Dienstposten in der Regel mit ständig wechselnden Aufgaben einhergehen. Der Dienstherr muss sich bewusst machen, welche Dienstposten von der Bündelung betroffen sind und welche Aufgaben in dieser Spannweite anfallen. Die Verfassungs­beschwerde im vorliegenden Konkur­ren­ten­streit wies das Bundes­verfassungs­gericht zurück, weil die Dienst­posten­bündelung im konkreten Fall verfassungs­rechtlich zulässig war und die angegriffene Entscheidung des Hamburgischen Ober­verwaltungs­gerichts den Beschwer­de­führer nicht in seinen Rechten verletzt.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Bundesanstalt, bei der der Beschwer­de­führer als Regie­rung­s­amtmann in der Besoldungsgruppe A 11 beschäftigt ist, hat Planstellen der Besol­dungs­gruppe A 12 zur Besetzung ausgeschrieben. Für die betroffenen Dienstposten hat die Bundesanstalt sogenannte Bündelstellen der Besol­dungs­gruppen A 11 und A 12 eingerichtet, die es ermöglichen sollen, die Beamten auf ihren Dienstposten zu befördern. In der Anlass­be­ur­teilung erhielt der Beschwer­de­führer die Beurtei­lungsstufe "gut" mit der Punktzahl 13,1. Die drei im verwal­tungs­ge­richt­lichen Verfahren Beigeladenen erhielten die Beurtei­lungsstufe "gut" mit der Punktzahl 13,6, die weiteren 13 Bewerber "voll befriedigend" oder "gut" mit Punktzahlen zwischen 12,6 und 13,3. Die Bundesanstalt beabsichtigt, die drei Beigeladenen zu befördern und hat hierzu die Zustimmung des Personalrats eingeholt. Der hiergegen gerichtete Eilrechts­schutz­antrag des Beschwer­de­führers hatte vor dem Verwal­tungs­gericht zunächst Erfolg, wurde vom Oberver­wal­tungs­gericht jedoch abgewiesen. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hatte eine einstweilige Anordnung erlassen, nach der die streit­be­fangenen drei Beför­de­rungs­stellen bis zu einer Entscheidung über die Verfas­sungs­be­schwerde freizuhalten sind.

Ermittlung des Bewerbers muss immer im Hinblick auf konkret angestrebtes Amt erfolgen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht begründete seine Entscheidung damit, dass gemäß Art. 33 Abs. 2 GG jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt habe. Art. 33 Abs. 2 GG diene zum einen dem öffentlichen Interesse der bestmöglichen Besetzung des öffentlichen Dienstes. Zum anderen trage er dem berechtigten Interesse der Beamten an einem angemessenen beruflichen Fortkommen dadurch Rechnung, dass er ein grund­rechts­gleiches Recht auf ermessens- und beurtei­lungs­feh­lerfreie Einbeziehung in die Bewerberauswahl begründe (Bewer­bungs­ver­fah­rens­an­spruch). Die Ermittlung des - gemessen an den Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung - am besten geeigneten Bewerbers habe stets in Bezug auf das konkret angestrebte Amt zu erfolgen. Maßgeblich sei insoweit der Aufgabenbereich des Amtes, auf den bezogen die einzelnen Bewerber untereinander zu vergleichen seien und anhand dessen die Auswah­l­ent­scheidung vorzunehmen sei.

Höheres Statusamt muss nicht mit höherer Funktion verbunden sein

Nach Art. 33 Abs. 5 GG ist das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berück­sich­tigung der hergebrachten Grundsätze des Berufs­be­am­tentums zu regeln und fortzu­ent­wickeln. Geschützt sind nur diejenigen Regelungen, die das Bild des Berufs­be­am­tentums in seiner überkommenen Gestalt maßgeblich prägen. Hierzu rechnen insbesondere der Alimen­ta­ti­o­ns­grundsatz, das Laufbahnprinzip, der Anspruch des Beamten auf amtsangemessene Beschäftigung und das Lebens­zeit­prinzip. Es gibt hingegen keinen hergebrachten Grundsatz des Berufs­be­am­tentums, wonach mit einem höheren Statusamt (stets) auch eine höhere Funktion verbunden sein muss.

Funktion kann bis zu drei Ämtern einer Laufbahngruppe zugeordnet werden

Nach § 18 Satz 2 Bundes­be­sol­dungs­gesetz (BBesG) kann eine Funktion bis zu drei Ämtern einer Laufbahngruppe und in obersten Bundesbehörden allen Ämtern einer Laufbahngruppe zugeordnet werden. Diese Vorschrift genügt den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen.

Dienst­pos­ten­bün­delung steht einer Auswah­l­ent­scheidung nicht entgegen

Die Dienst­pos­ten­bün­delung steht einer an Art. 33 Abs. 2 GG orientierten Auswah­l­ent­scheidung nicht entgegen. Auch ohne auf nur eine Besol­dungs­gruppe bezogene Dienst­pos­ten­be­wertung ist es grundsätzlich möglich, dass sich der Beurteiler oder der für die Auswah­l­ent­scheidung Zuständige einen Eindruck von dem Schwie­rig­keitsgrad der mit dem (gebündelt bewerteten) Dienstposten verbundenen Aufgaben verschafft und die im Einzelnen erbrachten Leistungen würdigt. Dabei ist es eine zunächst den Fachgerichten vorbehaltene Frage, wie konkret die Darstellungen in einer dienstlichen Beurteilung sein müssen, damit diese ihre Funktion erfüllen kann.

Einsatz auf "gebündeltem" Dienstposten stellt grundsätzlich amtsangemessene Beschäftigung dar

§ 18 Satz 2 BBesG ist auch mit den Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG vereinbar. Der Einsatz auf einem "gebündelten" Dienstposten stellt grundsätzlich für Beamte in jedem der zugeordneten Statusämter eine amtsangemessene Beschäftigung dar. Allerdings darf der Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung auf diese Weise nicht entleert werden. Dieser Gefahr wird dadurch begegnet, dass dann, wenn ein Beamter die Verletzung dieses Anspruchs geltend macht, auch ohne differenzierte Dienst­pos­ten­be­wertung die tatsächlich anfallenden Aufgaben und deren Schwie­rig­keitsgrad ermittelt werden müssen. Wird die Dienst­pos­ten­bün­delung mit der wechselnden Schwierigkeit der Aufgaben begründet, muss sichergestellt sein, dass einem Beamten in einem höheren Statusamt nicht vornehmlich "Anfänger"-Aufgaben zugeteilt werden.

Pflicht zur Durchstufung einer Laufbahn in unter­schied­lichen Funktionsämter nicht gegeben

Ein Verstoß gegen das Alimen­ta­ti­o­ns­prinzip liegt nicht vor, da weder die Maßgeblichkeit des Statusamtes für die Besoldung noch die Abstufung der Bezüge entsprechend der unter­schied­lichen Wertigkeit der Statusämter berührt werden. Ebenso wenig ist das Laufbahnprinzip berührt; eine Pflicht zur Durchstufung einer Laufbahn in nicht nur unter­schiedliche Statusämter, sondern auch unter­schiedliche Funktionsämter lässt sich diesem nicht entnehmen. Auch das Lebens­zeit­prinzip wird nicht beeinträchtigt; insoweit unterscheidet sich die Dienst­pos­ten­bün­delung wesentlich von der vom Bundes­ver­fas­sungs­gericht für verfas­sungs­widrig erklärten Vergabe von Ämtern mit leitender Funktion im Beamten­ver­hältnis auf Zeit (vgl. BVerfGE 121, 205).

Laufbahn­grup­pen­über­greifende Bündelung in aller Regel unzulässig

Eine auf Grundlage von § 18 Satz 2 BBesG vorgenommene Dienst­pos­ten­bün­delung unterliegt jedoch Grenzen, die sich wiederum aus den dargestellten verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen ergeben. Die Dienst­pos­ten­bün­delung ist nur zulässig, wenn für sie ein sachlicher Grund besteht. Ein solcher sachlicher Grund kann insbesondere dann angenommen werden, wenn der von der Dienst­pos­ten­bün­delung betroffene Bereich Teil der sogenannten "Massen­ver­waltung" ist, bei der Dienstposten in der Regel mit ständig wechselnden Aufgaben einhergehen. Der Dienstherr muss sich bewusst machen, welche Dienstposten von der Bündelung betroffen sind und welche Aufgaben in dieser Spannweite anfallen. Andernfalls besteht nicht die - für die Zulässigkeit einer Dienst­pos­ten­bün­delung wiederum erforderliche - Möglichkeit einer angemessenen Leistungs­be­wertung. Von einer solchen Möglichkeit ist grundsätzlich auszugehen, wenn in die Bündelung höchstens drei Ämter derselben Laufbahngruppe einbezogen werden. Werden mehr als drei Ämter einbezogen (vgl. § 18 Satz 2 Alternative 2 BBesG), bedarf es dafür einer besonderen, nur in Ausnahmefällen denkbaren Rechtfertigung. Eine laufbahn­grup­pen­über­greifende Bündelung ist angesichts der unter­schied­lichen Anforderungen an die Befähigung in aller Regel unzulässig.

Urteil des OVG verletzt Beschwer­de­führer nicht in seinen Rechten

Der Beschwer­de­führer wird durch den Beschluss des Hamburgischen Oberver­wal­tungs­ge­richts nicht in seinen Rechten verletzt. Der Einwand, dass die Beurteilungen nicht darauf überprüft worden seien, ob die Anforderungen an das Amt eines Regie­rung­s­amtsrates erfüllt werden, greift nicht durch. Ausgehend von den dargelegten Maßstäben war die von der Bundesanstalt vorgenommene Dienst­pos­ten­bün­delung rechtmäßig. Es war daher auch zulässig, aus der Leistungs­be­ur­teilung sogleich auf die bessere Eignung für das höhere Statusamt zu schließen, da sämtliche in die Beför­de­rungs­auswahl einbezogenen Beamten dasselbe Statusamt innehaben und auf gebündelten Dienstposten eingesetzt sind.

Einzel­fest­stel­lungen der Beurteilungen im vorliegenden Fall nicht notwendig

Unzutreffend ist ferner die Auffassung, der Dienstherr habe nicht ohne weitere Differenzierung auf die Gesamtnote der Beurteilungen abstellen dürfen. Wenn die Punktedifferenz aller 17 Beamten der Vergleichs­gruppe bei höchstens 1, gelegen hat, ist es bei einer Punktedifferenz von ,5 zu den Beigeladenen vertretbar, nicht mehr von im Wesentlichen gleichen Beurteilungen auszugehen. Es sind auch keine zwingenden Gründe des angestrebten Amtes aufgezeigt oder ersichtlich, die einen Rückgriff auf Einzel­fest­stel­lungen der Beurteilungen zuließen oder gar erforderten.

Die einstweilige Anordnung wird mit der Entscheidung in der Hauptsache gegenstandslos.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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