21.11.2024
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Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht Beschluss19.09.2013

Besetzung von Beförderungs­dienstposten als Teilzeitstellen vorläufig untersagtNieder­säch­sisches Oberlan­des­gericht hält Beschränkung des Bewerberkreises für sehr zweifelhaft

Das Nieder­säch­sische Ober­verwaltungs­gericht hat Beschwerden der Polizei­di­rektion Lüneburg gegen vorangegangene Beschlüsse des Verwal­tungs­ge­richts Lüneburg zurückgewiesen, mit denen der Polizei­di­rektion bis zum rechtskräftigen Abschluss der jeweiligen Klageverfahren untersagt wurde, mehreren Polizei­ober­kommissaren nach Besol­dungs­gruppe A 11 bewertete Beförderungs­dienstposten zu übertragen.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte die Polizeidirektion Lüneburg die streitigen Dienstposten im Rahmen des Projektes "Perso­nal­ent­wicklung und Teilzeit" (Pilotierung der Flexi­bi­li­sierung von Rahmen­be­din­gungen für das Führen und die herausgehobene Sachbearbeitung in Teilzeit) ausgeschrieben. Die Einzelheiten des Projektes, das bis zum 31. Dezember 2013 von den Polizei­di­rek­tionen Hannover und Lüneburg erprobt wird, hat das Nieder­säch­sische Ministerium für Inneres und Sport in einem Erlass vom 21. Dezember 2011 geregelt. In den Ausschreibungen wurde bestimmt, dass sich aus haushalts­recht­lichen Gründen ausschließlich Polizei­voll­zugs­be­am­tinnen/-beamte, die mit maximal 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit tätig seien oder die sich in der Elternzeit befänden und ihre Tätigkeit spätestens nach Beendigung der Elternzeit in Teilzeit mit maximal 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit wieder aufnähmen, bewerben könnten. Im Anschluss daran hieß es in den Ausschreibungen, eine Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit auf mehr als 75 % sei auf den Dienstposten bis auf weiteres, mindestens für die nächsten drei Jahre, grundsätzlich aus haushalts­recht­lichen Gründen nicht möglich. Die Antragsteller - die als Krimi­nal­o­ber­kom­missarin und Polizei­o­ber­kom­missar Bezüge nach der Besol­dungs­gruppe A 10 erhalten - leisteten ihren Dienst im Zeitpunkt der Ausschreibungen in Teilzeit mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 85 % beziehungsweise in Vollzeit. Aus diesem Grund schloss die Polizei­di­rektion die Antragsteller aus den Auswahlverfahren aus und wählte die ihres Erachtens jeweils besten Bewerber aus dem Kreis derjenigen, die Teilzeitarbeit mit maximal 75 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit leisteten.

Ausschluss von Beamten aus nicht mehr als sachgerecht anzusehenden Gründen aus dem Beför­de­rungs­aus­wahl­ver­fahren

Das Gericht ist zu der Auffassung gelangt, dass die Rechtmäßigkeit der Schaffung der Beförderungsdienstposten als Teilzeitstellen mit einem Beschäf­ti­gungs­umfang von maximal 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit und die in Vollzug dieser organi­sa­ti­o­ns­recht­lichen Grund-entscheidung erfolgte Beschränkung des Bewerberkreises sehr zweifelhaft ist. Diese behördlichen Maßnahmen haben zur Folge, dass Beamte aus nicht mehr als sachgerecht anzusehenden Gründen aus dem Beför­de­rungs­aus­wahl­ver­fahren ausgeschlossen und andere Bewerber ihnen gegenüber in sachwidriger Weise bevorzugt werden. Durch die Beschränkung des Bewerberkreises werden durch Art. 33 Abs. 5 des Grundgesetzes gewährleistete hergebrachte Grundsätze des Berufs­be­am­tentums, nämlich der Grundsatz der Haupt­be­ruf­lichkeit und das Alimen­ta­ti­o­ns­prinzip, in sehr bedenklicher Weise tangiert. Gemessen an den Maßstäben dieser Grundsätze erscheint die Schaffung von Beför­de­rungs­dienst­posten als Teilzeitstellen mit einem Beschäf­ti­gungs­umfang von maximal 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit unzulässig. Sie zwingt die Beamten gegebenenfalls dazu, ihre Arbeitszeit zu reduzieren, um einen Beför­de­rungs­dienst­posten zu erhalten.

Verstoß gegen Gleich­be­hand­lungs­grundsatz gem. Art. 3 Abs.1 GG

Die Benachteiligung der Beamten, die mit mehr als 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit teilzeit­be­schäftigt oder in Vollzeit beschäftigt sind, gegenüber den Beamten, die mit maximal 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit tätig sind, dürfte auch kaum mit dem Gleich­be­hand­lungs­grundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sein. Die organi­sa­to­rische Entscheidung, Beför­de­rungs­dienst­posten als Teilzeitstellen mit einem Beschäf­ti­gungs­umfang von maximal 75 % der regelmäßigen Arbeitszeit zu schaffen und in Vollzug dieser organi­sa­ti­o­ns­recht­lichen Grund­ent­scheidung den Bewerberkreis zu beschränken, erscheint dem Gericht auch nicht vollständig durchdacht mit der Folge, dass schon die von der Polizei­di­rektion Lüneburg durchgeführten Auswahl­ver­fahren Ungereimtheiten aufweisen, die mit nicht ohne weiteres sachgerechten Folgen verbunden sind und zu nicht hinnehmbaren Rechts­un­si­cher­heiten führen. Ganz erhebliche rechtliche Bedenken bestehen auch im Hinblick auf den Umstand, dass in den Ausschreibungen festgelegt worden ist, dass eine Erhöhung der regelmäßigen Arbeitszeit auf mehr als 75 % auf den ausge­schriebenen Dienstposten "bis auf weiteres, mindestens für die nächsten 3 Jahre, grundsätzlich aus haushalts­recht­lichen Gründen nicht möglich" sei.

Interesse der Polizei­di­rektion an möglichst schneller Besetzung der ausge­schriebenen Dienstposten muss zurücktreten

Die zahlreichen Rechts­un­si­cher­heiten und Rechtsfragen können letztlich erst in eventuell durch­zu­füh­renden Haupt­sa­che­ver­fahren abschließend geklärt werden. Dem Grundrecht der Antragsteller auf wirkungsvollen gerichtlichen Rechtschutz kann nur durch die von dem Verwal­tungs­gericht ausgesprochene einstweilige Anordnung Rechnung getragen werden. Nur durch die einstweilige Anordnung kann vermieden werden, dass trotz der aufgezeigten zahlreichen Rechts­un­si­cher­heiten und Rechtsfragen vollendete Tatsachen in Form einer eventuellen rechtswidrigen Beförderung der von der Polizei­di­rektion Lüneburg ausgewählten Beamten geschaffen werden. Das Interesse der Polizei­di­rektion an einer möglichst schnellen Besetzung der ausge­schriebenen Dienstposten muss demgegenüber zurücktreten, zumal das Nieder­säch­sische Ministerium für Inneres und Sport beabsichtigt, das Projekt "Perso­nal­ent­wicklung und Teilzeit" nach dem Abschluss der Pilotie­rungsphase (31. Dezember 2013) gegebenenfalls landesweit einzuführen.

Quelle: Niedersächsisches Oberverwaltungsgericht/ra-online

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