21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss14.07.2011

Neuregelung zur Anrechnung des Kindergeldes auf Kindesunterhalt bei Ermittlung des nachrangigen Ehegat­ten­un­terhalts nicht verfas­sungs­widrigAnrechnung des Kindergelds auf Unter­halts­bedarf des Kindes stellt keine Verletzung des Gebots der Gleich­be­handlung von Bar- und Betreu­ungs­un­terhalt dar

Die Neuregelung der Kinder­geld­an­rechnung sowie die aus ihr folgende Berechnung nachrangig geschuldeten Ehegat­ten­un­terhalts verstößt nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und ist somit nicht verfas­sungs­widrig. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Der ein minderjähriges Kind betreuende Elternteil erfüllt seine Unter­halts­pflicht in der Regel durch die Pflege und Erziehung des Kindes (Betreu­ungs­un­terhalt); der andere Elternteil ist zur Zahlung von Barunterhalt verpflichtet. Das Kindergeld steht grundsätzlich beiden Elternteilen zu gleichen Teilen zu, wird jedoch zur verwal­tungs­tech­nischen Erleichterung nur einem Elternteil, regelmäßig dem betreuenden, ausgezahlt.

Bis 2007 erfolgte Verrechnung des ausgezahlten Kindergeldes mit Barunterhalt für betreuenden Elternteil

Nach der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Rechtslage wurde das dem betreuenden Elternteil ausgezahlte Kindergeld mit dem Barunterhalt verrechnet. Schuldete der barun­ter­halts­pflichtige Elternteil neben dem Kindesunterhalt auch Ehegat­ten­un­terhalt, wurde bei dessen Berechnung der Kindesunterhalt in Höhe des entsprechenden Betrages nach der so genannten Düsseldorfer Tabelle (so genannter Tabellenbetrag) abgezogen. Diese Berech­nungs­methode führte dazu, dass dem Barun­ter­halts­pflichtigen sein Kinder­geldanteil grundsätzlich unvermindert für eigene Zwecke verblieb.

Seit 2008 orientiert sich dynamischer Kindesunterhalt an einem im Gesetz festge­schriebenen Minde­st­un­terhalt

Nach der am 1. Januar 2008 in Kraft getretenen Reform des Unter­halts­rechts orientiert sich der dynamische Kindesunterhalt nicht mehr an der Regel­be­trags­ver­ordnung, sondern an einem im Gesetz festge­schriebenen Minde­st­un­terhalt, der sich in Anpassung an die Vorschriften des Steuerrechts nach dem doppelten Freibetrag für das Existenzminimum eines Kindes richtet. Das Kindergeld ist nach der Neuregelung des § 1612 b BGB zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden und zwar zur Hälfte, wenn ein Elternteil seine Unter­halts­pflicht durch Betreuung des Kindes erfüllt, in allen anderen Fällen in voller Höhe.

Kindergeld ist als Einkommen des Kindes anzusehen

Der Bundes­ge­richtshof geht seit der Unter­halts­reform davon aus, dass das Kindergeld nicht mehr - wie nach der früheren Rechtslage - Einkommen der Eltern, sondern Einkommen des Kindes darstellt und daher vom Einkommen des Unter­halts­pflichtigen vor der Ermittlung geschuldeten Ehegat­ten­un­terhalts nicht mehr der Tabellenbetrag, sondern nur der Zahlbetrag an Kindesunterhalt abzuziehen ist.

Sachverhalt

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Falls ist sowohl seiner Tochter als auch seiner geschiedenen Ehefrau, bei der das gemeinsame Kind lebt, zu Unterhalt verpflichtet. In Anwendung der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs ermittelte das Oberlan­des­gericht den nachrangigen Unterhalt der geschiedenen Ehefrau unter Vorwegabzug des Zahlbetrages an Kindesunterhalt vom Einkommen des Beschwer­de­führers.

Beschwer­de­führer rügt Verstoß gegen Gleich­be­hand­lungsgebot von Bar- und Betreu­ungs­un­terhalt

Der Beschwer­de­führer sieht darin eine Verletzung des aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) folgenden Gleich­be­hand­lungs­gebots von Bar- und Betreuungsunterhalt. Während er aufgrund des Abzugs lediglich des Zahlbetrages seinen Kinder­geldanteil letztlich zur Zahlung des Ehegat­ten­un­terhalts verwenden müsse, bleibe seiner geschiedenen Ehefrau der auf sie entfallende Kinder­geldanteil erhalten.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht verneint Verstoß gegen allgemeinen Gleichheitssatz

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat die Verfas­sungs­be­schwerde nicht zur Entscheidung angenommen, da die Annah­me­vor­aus­set­zungen nicht vorliegen. Die Neuregelung der Kinder­geld­an­rechnung sowie die aus ihr folgende Berechnung nachrangig geschuldeten Ehegat­ten­un­terhalts verstoßen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.

Anrechnung des Kindergeldes auf den Unter­halts­bedarf der Tochter zulässig

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Es stellt keine Verletzung des Gebots der Gleich­be­handlung von Bar- und Betreu­ungs­un­terhalt dar, dass das Oberlan­des­gericht das Kindergeld bereits auf den Unter­halts­bedarf der Tochter des Beschwer­de­führers angerechnet und demzufolge bei der Ermittlung des nachrangigen Ehegat­ten­un­terhalts von dessen Einkommen nicht den Tabellenbetrag, sondern lediglich den Zahlbetrag an Kindesunterhalt abgesetzt hat.

Kindergeld ist laut Gesetz zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden

Der Gesetzgeber hat im Zuge der Unter­halts­rechts­reform einen Systemwechsel bei der Zuweisung des Kindergeldes vollzogen, das nun nicht mehr den Eltern, sondern den Kindern selbst als deren eigenes Einkommen famili­en­rechtlich bindend und unabhängig vom Außenverhältnis zwischen dem Bezugs­be­rech­tigten und der Familienkasse zugewiesen ist. Diese neue Zuweisung des Kindergeldes ergibt sich aus dem Wortlaut des § 1612 b BGB n.F., wonach dieses zur Deckung des Barbedarfs des Kindes zu verwenden ist, und entspricht im Übrigen dem Willen des Gesetzgebers. Aus den Geset­zes­ma­te­rialien ergibt sich des Weiteren, dass zur Ermittlung des nachrangigen Ehegat­ten­un­terhalts vom Einkommen des Unter­halts­pflichtigen infolge dieser geänderten Zuweisung nunmehr lediglich der Zahlbetrag an Kindesunterhalt abgezogen werden soll.

Betreu­ungs­un­ter­halts­pflichtiger ist verpflichtet, Kinder­geldanteil vollständig für Betreu­ungs­un­terhalt des Kindes zu verwenden

Mit dieser Änderung ist keine Ungleichbehandlung verbunden. Die frühere Bestimmung des Kindergeldes, nach der es den Eltern für deren eigene Zwecke zugute kam, ist entfallen. Der Gesetzgeber hat anlässlich der Unter­halts­rechts­reform beide Elternteile, unabhängig davon, ob sie Bar- oder Betreu­ungs­un­terhalt leisten, verpflichtet, den auf sie entfallenden Kinder­geldanteil ausschließlich für den Unterhalt des Kindes zu verwenden. Nicht nur der Barun­ter­halts­pflichtige hat den auf den Barunterhalt entfallenden Kinder­geldanteil vollständig für den Barunterhalt des Kindes zu verwenden mit der Folge, dass von seinem unter­halts­rechtlich relevanten Einkommen nur der Zahlbetrag an Kindesunterhalt abzusetzen ist. Auch der Betreu­ungs­un­ter­halts­pflichtige ist verpflichtet, den auf ihn entfallenden Kinder­geldanteil vollständig für den Betreu­ungs­un­terhalt des Kindes zu verwenden. Dabei kann in Anbetracht der Orientierung der Höhe des Kindergeldes am Existenzminimum des Kindes davon ausgegangen werden, dass der Bezugs­be­rechtigte das Kindergeld auch tatsächlich für die Bedürfnisse seines Kindes verwendet.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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