Dokument-Nr. 3688
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Bundesgerichtshof Urteil17.01.2007
BGH zur Anrechnung des Kindergeldes auf den Unterhaltsanspruch privilegierter volljähriger KinderPrivilegierte volljährige Kinder müssen eine Anrechnung des Kindergelds auf den Unterhalt hinnehmen
Die Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB ist nach ihrem Wortlaut nur auf den Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder anwendbar. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden. Er lehnte eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschrift ist auf so genannte volljährige privilegierte Kinder ab.
Der 1985 geborene Kläger ist Schüler, erzielt keine eigenen Einkünfte und lebt noch im Haushalt seiner Mutter. Der Beklagte, sein Vater, lebt von seiner Ehefrau dauernd getrennt. Er erzielt unterhaltsrelevante monatliche Einkünfte in Höhe von 1.487 €; die Mutter des Klägers solche in Höhe von 1.178 €. Der Beklagte hat einen Unterhaltsanspruch des Klägers gegen ihn in Höhe von 350 € monatlich, abzüglich des hälftigen Kindergeldes von 77 €, anerkannt und zahlt diesen Betrag regelmäßig an den Kläger. Mit der Klage begehrt sein Sohn weiteren Unterhalt in Höhe des abgesetzten halben Kindergeldes. Amtsgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die – vom Oberlandesgericht zugelassene – Revision des Klägers.
Nach neuerer Rechtsprechung des Senats ist das Kindergeld auf den Unterhaltsanspruch der Kinder anzurechnen, und zwar bei minderjährigen Kindern jeweils hälftig auf den Bar- und den Betreuungsunterhalt, bei volljährigen Kindern in voller Höhe auf den allein verbleibenden Barunterhalt (BGH, Urt. v. 26.10.2005 = BGHZ, 164, 375). Nach § 1612 b Abs. 5 BGB unterbleibt eine solche Anrechnung, soweit der Unterhaltspflichtige nicht in der Lage ist, wenigstens 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Insoweit ist das Kindergeld also zunächst zur Sicherung des Existenzminimums des Kindes einzusetzen, bevor es für sonstige Zwecke, z.B. eine Entlastung der Eltern von ihrer Unterhaltspflicht, zur Verfügung steht. Streitig war, ob diese Vorschrift auch auf den Unterhaltsanspruch der sog. privilegierten volljährigen Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB = volljährige Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch im Haushalt eines Ehegatten leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden) anwendbar ist.
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB nach seinem Wortlaut nur auf den Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder anwendbar ist. Denn er stellt für die Bemessung des Existenzminimums auf 135 % des Regelbetrags der Regelbetrag-Verordnung ab, die nur für minderjährige Kinder gilt. Die Vorschrift ist auf den Unterhaltsanspruch privilegierter volljähriger Kinder auch nicht entsprechend anwendbar. Für deren Unterhalt haften beide Eltern im Verhältnis ihrer jeweiligen Leistungsfähigkeit. Deshalb kann das Existenzminimum nicht schon durch den Unterhaltsanspruch gegen einen Elternteil gesichert werden. Einer entsprechenden Anwendung steht auch entgegen, dass die Vorschrift des § 1612 b BGB nach der Rechtsprechung des Senats dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Grundsatz der Normenklarheit ohnehin immer weniger gerecht geworden ist.
Die Sicherung des Existenzminimums ist beim Unterhaltsanspruch privilegierter volljähriger Kinder schon jetzt dadurch möglich, dass der Unterhaltsbedarf nach der vierten Altersstufe der ersten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle – ohne Bindung an die Regelbetrag-Verordnung – entsprechend erhöht wird. Denn die Düsseldorfer Tabelle in der gegenwärtigen Fassung sieht in den ersten Einkommensgruppen Unterhaltsbeträge vor, die noch unter dem Existenzminimum liegen. In der für den 1. Juli 2007 zu erwartenden Fassung werden die Gerichte diese Unterhaltsbeträge der vierten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle anzuheben und dem mit der anstehenden Unterhaltsrechtsreform vorgesehenen Mindestunterhalt minderjähriger Kinder (künftige erste Einkommensgruppen der ersten drei Altersstufen) anzupassen haben.
Die Klage hatte gleichwohl keinen Erfolg, weil das Berufungsgericht dem Kläger aufgrund anderer Rechtsfehler einen Unterhalt zugesprochen hat, der – gemeinsam mit dem von der Mutter geschuldeten weiteren Barunterhalt – jedenfalls das Existenzminimum abdeckt.
Erläuterungen
Vorinstanzen
AG Nürnberg – 101 F 68/04 – Entscheidung vom 27.5.2004
OLG München – 7 UF 2116/04 – Entscheidung vom 29.7.2004
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 25.01.2007
Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 10/07 des BGH vom 18.01.2007
der Leitsatz
BGB § 1612 b Abs. 5
a) § 1612 b Abs. 5 BGB ist auf privilegierte volljährige Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) weder direkt noch entsprechend anwendbar.
b) Die mit dieser Bestimmung bezweckte Sicherung des Existenzminimums ist für volljährige Kinder durch eine entsprechende Bemessung des nach der ersten Einkommensgruppe in der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle zu zahlenden Unterhalts sicherzustellen.
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