21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil17.01.2007

BGH zur Anrechnung des Kindergeldes auf den Unter­halts­an­spruch privilegierter volljähriger KinderPrivilegierte volljährige Kinder müssen eine Anrechnung des Kindergelds auf den Unterhalt hinnehmen

Die Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB ist nach ihrem Wortlaut nur auf den Unter­halts­an­spruch minderjähriger Kinder anwendbar. Das hat der Bundes­ge­richtshof entschieden. Er lehnte eine entsprechende Anwendung der genannten Vorschrift ist auf so genannte volljährige privilegierte Kinder ab.

Der 1985 geborene Kläger ist Schüler, erzielt keine eigenen Einkünfte und lebt noch im Haushalt seiner Mutter. Der Beklagte, sein Vater, lebt von seiner Ehefrau dauernd getrennt. Er erzielt unter­halts­re­levante monatliche Einkünfte in Höhe von 1.487 €; die Mutter des Klägers solche in Höhe von 1.178 €. Der Beklagte hat einen Unterhaltsanspruch des Klägers gegen ihn in Höhe von 350 € monatlich, abzüglich des hälftigen Kindergeldes von 77 €, anerkannt und zahlt diesen Betrag regelmäßig an den Kläger. Mit der Klage begehrt sein Sohn weiteren Unterhalt in Höhe des abgesetzten halben Kindergeldes. Amtsgericht und Oberlan­des­gericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die – vom Oberlan­des­gericht zugelassene – Revision des Klägers.

Nach neuerer Rechtsprechung des Senats ist das Kindergeld auf den Unter­halts­an­spruch der Kinder anzurechnen, und zwar bei minderjährigen Kindern jeweils hälftig auf den Bar- und den Betreu­ungs­un­terhalt, bei volljährigen Kindern in voller Höhe auf den allein verbleibenden Barunterhalt (BGH, Urt. v. 26.10.2005 = BGHZ, 164, 375). Nach § 1612 b Abs. 5 BGB unterbleibt eine solche Anrechnung, soweit der Unter­halts­pflichtige nicht in der Lage ist, wenigstens 135 % des Regelbetrags nach der Regelbetrag-Verordnung zu zahlen. Insoweit ist das Kindergeld also zunächst zur Sicherung des Existenz­mi­nimums des Kindes einzusetzen, bevor es für sonstige Zwecke, z.B. eine Entlastung der Eltern von ihrer Unter­halts­pflicht, zur Verfügung steht. Streitig war, ob diese Vorschrift auch auf den Unter­halts­an­spruch der sog. privilegierten volljährigen Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB = volljährige Kinder bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, die noch im Haushalt eines Ehegatten leben und sich in der allgemeinen Schulausbildung befinden) anwendbar ist.

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Vorschrift des § 1612 b Abs. 5 BGB nach seinem Wortlaut nur auf den Unter­halts­an­spruch minderjähriger Kinder anwendbar ist. Denn er stellt für die Bemessung des Existenz­mi­nimums auf 135 % des Regelbetrags der Regelbetrag-Verordnung ab, die nur für minderjährige Kinder gilt. Die Vorschrift ist auf den Unter­halts­an­spruch privilegierter volljähriger Kinder auch nicht entsprechend anwendbar. Für deren Unterhalt haften beide Eltern im Verhältnis ihrer jeweiligen Leistungs­fä­higkeit. Deshalb kann das Existenzminimum nicht schon durch den Unter­halts­an­spruch gegen einen Elternteil gesichert werden. Einer entsprechenden Anwendung steht auch entgegen, dass die Vorschrift des § 1612 b BGB nach der Rechtsprechung des Senats dem aus dem Rechts­s­taats­prinzip folgenden Grundsatz der Normenklarheit ohnehin immer weniger gerecht geworden ist.

Die Sicherung des Existenz­mi­nimums ist beim Unter­halts­an­spruch privilegierter volljähriger Kinder schon jetzt dadurch möglich, dass der Unter­halts­bedarf nach der vierten Altersstufe der ersten Einkom­mens­gruppe der Düsseldorfer Tabelle – ohne Bindung an die Regelbetrag-Verordnung – entsprechend erhöht wird. Denn die Düsseldorfer Tabelle in der gegenwärtigen Fassung sieht in den ersten Einkom­mens­gruppen Unter­halts­beträge vor, die noch unter dem Existenzminimum liegen. In der für den 1. Juli 2007 zu erwartenden Fassung werden die Gerichte diese Unter­halts­beträge der vierten Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle anzuheben und dem mit der anstehenden Unter­halts­rechts­reform vorgesehenen Minde­st­un­terhalt minderjähriger Kinder (künftige erste Einkom­mens­gruppen der ersten drei Altersstufen) anzupassen haben.

Die Klage hatte gleichwohl keinen Erfolg, weil das Berufungs­gericht dem Kläger aufgrund anderer Rechtsfehler einen Unterhalt zugesprochen hat, der – gemeinsam mit dem von der Mutter geschuldeten weiteren Barunterhalt – jedenfalls das Existenzminimum abdeckt.

Erläuterungen

Vorinstanzen

AG Nürnberg – 101 F 68/04 – Entscheidung vom 27.5.2004

OLG München – 7 UF 2116/04 – Entscheidung vom 29.7.2004

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 10/07 des BGH vom 18.01.2007

der Leitsatz

BGB § 1612 b Abs. 5

a) § 1612 b Abs. 5 BGB ist auf privilegierte volljährige Kinder (§ 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB) weder direkt noch entsprechend anwendbar.

b) Die mit dieser Bestimmung bezweckte Sicherung des Existenz­mi­nimums ist für volljährige Kinder durch eine entsprechende Bemessung des nach der ersten Einkom­mens­gruppe in der 4. Altersstufe der Düsseldorfer Tabelle zu zahlenden Unterhalts sicherzustellen.

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