14.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss28.09.2009

Schächten von Tieren für Muslime auch weiterhin zulässig - Bundes­ver­fas­sungs­gericht gibt Metzger RechtVerfas­sungs­be­schwerde im Verfahren "Schächten von Tieren " wegen Versagung von effektivem Rechtsschutz im Eilverfahren erfolgreich

Ein muslimischer Metzger aus Hessen kämpft seit Jahren darum, Rinder und Schafe nach islamischem Ritus Schächten zu dürfen. Vor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat er erneut einen Etappensieg errungen. Eine ihm erteilte Ausnah­me­ge­neh­migung zum Schächten wurde ihm nur unter der Auflage erteilt, dass beim Schächten ein Amtstierarzt anwesend sein müsse. Die Bundes­ver­fas­sungs­richter gaben dem Metzger Recht, soweit er sich gegen die Auflage wandte, beim Schächten für eine Anwesenheit des Amtstierarztes Sorge zu tragen. Der Metzger hatte bereits 2002 in Karlsruhe ein Urteil erstritten, wonach eine Ausnah­me­ge­neh­migung zum Schächten grundsätzlich möglich ist.

Der Beschwer­de­führer, ein muslimischer Metzger, streitet seit dem Jahr 1994 mit dem zuständigen Landkreis über Ausnah­me­ge­neh­mi­gungen nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG für das betäubungslose Schlachten (Schächten) von Rindern und Schafen. Nachdem das Bundes­ver­fas­sungs­gericht im Januar 2002 (siehe BVerfG, Urteil v. 15.01.2002 - 1 BvR 1783/99 -) entschieden hatte, dass die Versagung einer Ausnahmegenehmigung Grundrechte des Beschwer­de­führers verletzt hatte, verpflichtete das Verwal­tungs­gericht Gießen im Dezember 2002 den Landkreis, neu über den Geneh­mi­gungs­antrag des Beschwer­de­führers zu entscheiden. Dieses Urteil wurde rechtskräftig, nachdem es Ende 2006 in letzter Instanz durch das Bundes­ver­wal­tungs­gericht bestätigt worden war. Bis dahin durfte der Beschwer­de­führer auf Grund einer vorläufigen Genehmigung schächten. Die noch ausstehende Entscheidung über die endgültige Ausnah­me­ge­neh­migung traf der Landkreis erst im September 2008, nachdem der Beschwer­de­führer die Vollstreckung aus dem Urteil des Verwal­tungs­ge­richts vom Dezember 2002 eingeleitet hatte. Der Landkreis erteilte ihm eine bis zum 31. Dezember 2008 befristete Ausnah­me­ge­neh­migung zum Schächten von 500 Schafen und 200 Rindern im Jahr 2008. Die von dem Beschwer­de­führer für das Jahr 2009 beantragte Ausnah­me­ge­neh­migung und der gleichzeitig gestellte Antrag auf Erteilung einer vorläufigen Erlaubnis hat der Landkreis bisher nicht beschieden. Einem Eilantrag des Beschwer­de­führers gab das Verwal­tungs­gericht Gießen mit Beschluss vom 25. Februar 2009 statt. Der Beschwer­de­führer erhielt vorläufig die Erlaubnis, pro Woche zwei Rinder und 30 Schafe zu schächten, dies allerdings nur mit der Maßgabe, dass er verschiedene näher bezeichnete Auflagen einhalte. Unter anderem wurde ihm aufgegeben, für die Anwesenheit eines Amtstierarztes beim Schächtvorgang Sorge zu tragen. Der Hessische Verwal­tungs­ge­richtshof hob diesen Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts auf die Beschwerde des Landkreises hin auf und lehnte den Eilantrag des Beschwer­de­führers ab.

Bundes­ver­fas­sungs­gericht gibt Verfas­sungs­be­schwerde statt

Die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts hat der Verfas­sungs­be­schwerde stattgegeben, soweit sich der Beschwer­de­führer gegen den Beschluss des Hessischen Verwal­tungs­ge­richtshofs und gegen die Auflage in dem Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts Gießen vom 25. Februar 2009 wendet, beim Schächten für eine Anwesenheit des Amtstierarztes Sorge zu tragen. Der Beschluss des Verwal­tungs­ge­richtshofs genügt dem verfas­sungs­recht­lichen Gebot der Effektivität gerichtlichen Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) nicht und war daher aufzuheben. Das Gericht hat den Anforderungen, die sich im verwal­tungs­ge­richt­lichen Eilrechts­schutz­ver­fahren sowohl für die Prüfung des Anord­nungs­an­spruchs als auch des Anord­nungs­grundes ergeben, nicht hinreichend Rechnung getragen. Der mit der Verfas­sungs­be­schwerde angegriffene Beschluss des Verwal­tungs­ge­richts wird den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen an die Effektivität des vorläufigen Rechtsschutzes nicht gerecht, soweit dem Beschwer­de­führer darin die Verpflichtung auferlegt wird, dafür Sorge zu tragen, dass während des Schächtvorgangs ständig ein Amtsveterinär anwesend ist. Diese Auflage kann der Beschwer­de­führer ohne Mitwirkung des Landkreises nicht erfüllen; denn sie ist vom Verwal­tungs­gericht nicht für den Landkreis verpflichtend zum Bestandteil der einstweiligen Anordnung gemacht worden und kann deshalb vom Beschwer­de­führer im Wege der Vollstreckung nicht durchgesetzt werden. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht musste daher nicht darüber entscheiden, welche Auswirkungen die Einfügung des Tierschutzes in Art. 20a GG auf den Grund­rechts­schutz eines gläubigen muslimischen Metzgers hat, der schächten will, um seine Kunden in Übereinstimmung mit ihrer Glaubens­über­zeugung mit dem Fleisch geschächteter Tiere zu beliefern.

Metzger kann nicht zugemutet werden, erst durch mehrere Instanzen in der Hauptsache klagen zu müssen

Wirksamer Rechtsschutz bedeutet auch Rechtsschutz innerhalb angemessener Zeit. Deshalb muss gerichtlicher Rechtsschutz insbesondere im Eilverfahren so weit wie möglich der Schaffung vollendeter Tatsachen zuvorkommen. Die Rechts­auf­fassung des Verwal­tungs­ge­richts Gießen, der sich auch der Verwal­tungs­ge­richtshof angeschlossen hat, der Beschwer­de­führer habe lediglich einen Anspruch auf eine auf das Kalenderjahr befristete Ausnah­me­ge­neh­migung nach § 4 a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG lässt befürchten, dass der vom Beschwer­de­führer für ein Kalenderjahr geltend gemachte Anspruch ganz oder teilweise vereitelt werden kann, je später eine behördliche oder gerichtliche Entscheidung darüber ergeht. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Beschwer­de­führer aufgrund der von ihm zu beachtenden Baugenehmigung nur eine gewisse Anzahl von Tieren pro Woche schlachten darf und seinen jetzt in Rede stehenden Antrag auf Erteilung der Ausnah­me­ge­neh­migung entsprechend beschränkt hat. Er kann daher bei einer verspäteten Erteilung der Genehmigung Schächtungen nicht „nachholen“. Dem Beschwer­de­führer kann daher eine Verweisung auf das - möglicherweise über mehrere Instanzen geführte - Haupt­sa­che­ver­fahren nicht zugemutet werden, da es im Blick auf den zu regelnden Lebens­sach­verhalt kaum noch zur rechten Zeit wird abgeschlossen werden können. In einer solchen Lage müssen die Gerichte auch im Eilverfahren den geltend gemachten Anspruch möglichst sorgfältig prüfen und dürfen sich nicht nur mit einer überschlägigen Rechtsprüfung begnügen.

BVerfG: Verwal­tungs­richter haben die Rechtslage nicht umfassend geprüft

Die kursorischen Erwägungen des Verwal­tungs­ge­richtshofs zur fehlenden Glaub­haft­machung des Anord­nungs­an­spruchs durch den Beschwer­de­führer werden diesen verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen nicht gerecht. Sie sind nicht tragfähig und lassen keine umfassende Prüfung der Sach- und Rechtslage erkennen. Es ist insbesondere nicht plausibel, dass der Verwal­tungs­ge­richtshof ohne weiteres den Schluss gezogen hat, der Beschwer­de­führer werde ihm kraft Gesetzes obliegende oder durch eine Ausnah­me­ge­neh­migung auferlegte Beschränkungen hinsichtlich der Abgabe des Fleisches der von ihm geschächteten Tiere missachten. Außerdem hätte der Verwal­tungs­ge­richtshof sich nicht mit der Feststellung begnügen dürfen, der Landkreis wolle wegen Zweifeln an der Sachkunde des Beschwer­de­führers als Schlachter die diesem erteilte Sachkun­de­be­schei­nigung entziehen. Er hätte vielmehr prüfen müssen, ob angesichts der dafür angeführten Vorfälle eine solche Entziehung mit der erforderlichen Wahrschein­lichkeit rechtlich Bestand haben wird.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht

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