18.10.2024
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Sie sehen eine stilisierte Weltkarte mit der Illustration eines Laptops, auf dem ein Paragraphenzeichen prangt.

Dokument-Nr. 12973

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Bundesverfassungsgericht Beschluss15.12.2011

Verlinkung zu Hersteller von Kopier­schutz­knacker-Software vom Recht der Meinungs- und Pressefreiheit geschütztVerweis in einem Nachrichtentext in Form eines Links ist als zusätzliche Infor­ma­ti­o­ns­quelle anzusehen

Wird in einem redaktionellen Text im Internet ein Verweis in Form eines Links gesetzt, der direkt auf die Homepage eines Anbieters verbotener Software führt, so besteht darin nicht automatisch ein rechtlicher Verstoß. Weist der Inhalt des Textes auf die Rechts­wid­rigkeit des verlinkten Angebots hin, so erfüllt der Verweis lediglich die Funktion einer zusätzlichen Infor­ma­ti­o­ns­quelle. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor. Die Musik- und Bildträ­ger­her­steller legten gegen diese Entscheidung Beschwerde vor dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht ein, das sich der Beurteilung durch die Vorinstanz jedoch anschloss.

Im vorliegenden Fall kam es in einem Urheber­rechtsstreit zur Abwägung zwischen den Rechten des geistigen Eigentums gegen die Meinungs- und Pressefreiheit. Mehrere Inhaber von Bild- und Tonträ­ger­rechten an Musik- CDs und DVDs klagten gegen einen Verlag, der im Rahmen seines Nachrich­ten­dienstes auf seiner Internetseite einen Link zu dem Anbieter einer Kopier­schutz­knacker-Software eingefügt hatte. Der Link befand sich in einem redaktionellen Beitrag über die Software "AnyDVD", einem Programm, das in der Lage ist, den Kopierschutz von DVD-Filmen zu umgehen. In dem Artikel wurde jedoch darauf hingewiesen, dass die Umgehung eines Kopierschutzes verboten sei. Mehrere Wörter des Artikels waren als Hyperlink ausgestaltet, von dem einer zum Inter­ne­t­auftritt des Unternehmens führte, das die Software AnyDVD zum Herunterladen bereitstellte.

Verlinkung von der Meinungs- und Pressefreiheit geschützt

Der Bundes­ge­richtshof stellte in seinem Urteil fest (BGH, Urteil v. 14.10.2010 - I ZR 191/08 -), dass die Inhaber der Urheberrechte zur Geltendmachung zivil­recht­licher Ansprüche wegen Verletzung des § 95 a des Urheber­rechts­ge­setzes berechtigt seien, da sie bei ihren eigenen Bild- und Tonträgern wirksame Kopier­schutz­maß­nahmen verwendeten, die von der streit­ge­gen­ständ­lichen Software umgangen werden könnten. Dieser Auffassung folgte auch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht. Ein Unterlassungsanspruch stehe den Unternehmen dennoch nicht zu, da diesem das Recht auf freie Meinung­s­äu­ßerung nach Art. 6 EUV i.V.m. Art. 11 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union und Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG und dem Recht auf freie Berichterstattung nach Art. 6 EUV i.V.m. Art. 11 Abs. 2 GR-Charta und Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG entgegenstehe.

Link erschließt ähnlich wie eine Fußnote lediglich zusätzliche Infor­ma­ti­o­ns­quellen

Der Grund­rechts­schutz umfasse die Meinungs- und Pressefreiheit in sämtlichen Aspekten und erstrecke sich nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf Form der Meinung­s­äu­ßerung oder Berich­t­er­stattung. Der beanstandete Link gehöre in diesem Sinne zum geschützten Bereich der freien Berich­t­er­stattung. Er beschränke sich nicht auf eine bloße technische Erleichterung für den Aufruf der betreffenden Internetseite, sondern erschließe vergleichbar einer Fußnote zusätzliche Infor­ma­ti­o­ns­quellen, in diesem Fall über das Herstel­ler­un­ter­nehmen der Software. Links, die als Belege und ergänzende Angaben eingebettet sind, seien aus diesem Grund nicht nur vom Gewähr­leis­tungs­gehalt der Pressefreiheit, sondern auch von der Meinungsfreiheit erfasst.

Auch über "rechtswidrige Äußerungen Dritter" darf berichtet werden

Grundsätzlich dürfe auch über Äußerungen, durch die in rechtswidriger Weise Persön­lich­keits­rechte Dritter beeinträchtigt werden, berichtet werden, solange ein überwiegendes Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse bestehe und der Verbreiter sich die berichtete Äußerung nicht zu eigen mache. Ein solches überwiegendes Infor­ma­ti­o­ns­in­teresse könne auch gegeben sein, wenn die Berich­t­er­stattung eine unzweifelhaft rechtswidrige Äußerung zum Gegenstand habe. Es sei im vorliegenden Fall auch nicht zu erkennen, dass der Eingriff in die Urheberrechte durch die Setzung des Links erheblich vertieft worden wäre. Für den durch­schnitt­lichen Internetnutzer sei es bereits aufgrund der Angabe des Namens des Herstel­ler­un­ter­nehmens möglich gewesen, mit Hilfe von Suchmaschinen den Inter­ne­t­auftritt zu finden. Außerdem sei in den Beiträgen deutlich auf die Rechts­wid­rigkeit des Downloa­d­an­gebotes hingewiesen worden. Es sei rechtlich nicht bedenklich, das Setzen eines Links in einem Onlineartikel neben der Pressefreiheit auch der Meinungs­freiheit zu unterstellen. Es sei Teil des meinungs­bil­denden Diskus­si­ons­pro­zesses, sich und andere auch über Stellungnahmen Dritter zu informieren. Der Inhalt der verlinkten Internetseite werde nicht schon durch die Verlinkung zum Teil der vom Presseorgan geäußerten eigenen Meinung.

Keine verfas­sungs­recht­lichen Bedenken gegenüber Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs

Die Musik- und Bildträ­ger­her­steller legten Verfas­sungs­be­schwerde gegen das Urteil des Bundes­ge­richtshofs ein. Das Bundes­ver­fas­sungs­reicht stellte jedoch fest, dass der Beschwerde keine verfas­sungs­rechtliche Bedeutung zukomme. Es sei Sache des Gesetzgebers, im Rahmen der inhaltlichen Ausgestaltung des Urheberrechts nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG sachgerechte Maßstäbe festzulegen, die eine der Bedeutung des Rechts entsprechende Nutzung und angemessene Verwertung sicherstellten. Die Zivilgerichte müssten eine Inter­es­se­n­ab­wägung zwischen dem Eigentumsschutz der Urheber mit etwaigen konkurrierenden Grund­rechts­po­si­tionen vornehmen und dabei unver­hält­nis­mäßige Grund­rechts­be­schrän­kungen vermeiden. Ein Verstoß gegen das Verfas­sungsrecht liege erst dann vor, wenn die Anschauung der Zivilgerichte Fehler erkennen ließe. Das Verfas­sungs­gericht konnte im vorliegenden Fall jedoch jeder Ausführung des Bundes­ge­richtshofs folgen und sah daher keinen Anlass zur Begründung einer Verfas­sungs­be­schwerde.

Quelle: ra-online, Bundesverfassungsgericht (vt/st)

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