21.11.2024
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Oberlandesgericht Stuttgart Urteil24.04.2006

Zur Strafbarkeit eines Inter­ne­t­auf­tritts - Verlinkung zu illegalen Websites bei Distanzierung zu Inhalten rechtensOLG spricht Angeklagten frei

Die Staats­an­walt­schaft Stuttgart hatte einen 33 Jahre alten, in Stuttgart lebenden Kommu­ni­ka­ti­o­ns­de­signer u. a. wegen Verbreitens von Propa­gan­da­mitteln und Verwendens von Kennzeichen verfas­sungs­widriger Organisationen sowie wegen Zugäng­lich­machens volks­ver­het­zender Schriften angeklagt. Der Angeklagte tritt für ein "freies, unzensiertes" Internet ein und hatte auf seiner eigenen Homepage zu Infor­ma­ti­o­ns­zwecken eine über 100 Seiten starke Dokumentation über Sperr­ver­fü­gungen einzelner Webseiten ins Internet gestellt. Sie enthielt vom ihm gesetzte Links zu gesperrten, aus den USA stammenden Webseiten, die strafbare neonazistische Inhalte aufwiesen. Dadurch waren diese Seiten für die Besucher der Homepage durch bloßes Anklicken erreichbar.

Das Landgericht hatte den Angeklagten freigesprochen. Der 1. Strafsenat des Oberlan­des­ge­richts hat die dagegen gerichtete Revision der Staats­an­walt­schaft verworfen und damit den Freispruch bestätigt. Der Senat hat den Einzel­fa­ll­cha­rakter seiner Entscheidung hervorgehoben und betont, es handele sich nicht um ein verall­ge­mei­ne­rungs­fähiges Urteil. Grundsätzlich sei ein Linksetzer, der mittels einer solchen Verbindung verbotene Inhalte, etwa rechtsradikale Propaganda, im Internet zugänglich mache, dafür strafrechtlich verantwortlich.

Im vorliegenden Fall habe sich der Angeklagte auf die Ausnah­me­vor­schrift des § 86 Abs. 3 StGB berufen können. Die dort geregelte, die Strafbarkeit ausschließende sog. Sozia­l­a­d­äquanz­klausel schützte die verfas­sungs­rechtlich gewährleistete Meinungs- und Infor­ma­ti­o­ns­freiheit und wolle von der Allgemeinheit gebilligte Handlungen von der Strafbarkeit ausnehmen. Letztlich entscheiden die objektiv erkennbare Zielrichtung und eine Einzel­fa­ll­ab­wägung darüber, ob eine - an sich strafbare - Handlung legitimen, vom Gesetzgeber in § 86 Abs. 3 StGB anerkannten Zwecken, z. B. der Aufklärung oder Berich­t­er­stattung, dient und damit straffrei bleibt (wie etwa der Abdruck einer Hakenkreuzfahne in einem Geschichtsbuch) oder die Tatbestände der Volksverhetzung oder der entsprechenden Staats­schutz­delikte bejaht werden müssen (wie etwa beim Verbreiten verbotener Kennzeichen oder rechtsradikalen Gedankenguts unter dem Vorwand der Aufklärung).

Bei der Beurteilung im Rahmen des § 86 Abs. 3 StGB komme auch dem Gesamt­zu­sam­menhang, in dem sich die Darstellung befindet, und die Frage, ob sich der Handelnde von strafbaren Inhalten - wie hier - erkennbar distanziert oder sich mit ihnen identifiziert, Bedeutung zu.

Die vorzunehmende Würdigung obliege in erster Linie der Tatsa­chen­instanz. Als Revisi­ons­gericht habe das Gericht seiner Nachprüfung die im Urteil des Landgerichts getroffenen Feststellungen zugrunde zulegen. Nach diesen Maßstäben sei der Freispruch hier nicht zu beanstanden.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des OLG Stuttgart vom 24.04.2006

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