14.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss13.07.2015

Durchsuchung von Redaktions- und Privaträumen von Journalisten darf nicht vorrangig der Aufklärung möglicher Straftaten von Informanten dienenDurchsuchung in Presseräumen stellt wegen Störung redaktioneller Arbeit und möglicher einschüch­ternder Wirkung Beein­träch­tigung der Pressefreiheit dar

Die Durchsuchung in Redak­ti­o­ns­räumen oder Wohnungen von Journalisten darf nicht vorrangig dem Zweck dienen, den Verdacht von Straftaten durch Informanten aufzuklären. Erforderlich sind vielmehr zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat der konkret betroffenen Presse­an­ge­hörigen, die den Beschlag­nah­me­schutz nach § 97 Abs. 5 Satz 1 Straf­pro­zess­ordnung entfallen lässt. Dies entschied das Bundes­verfassungs­gerichts und gab damit den Verfassungs­beschwerden eines Journalisten sowie eines Zeitungsverlags gegen Durch­suchungs­maßnahmen statt.

Die Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Verfahrens sind ein Journalist sowie ein Zeitungsverlag. Im Frühjahr 2011 reiste der Journalist nach Amsterdam, um über das Verschwinden zweier Kinder in den 1990er Jahren zu recherchieren. Dabei wurde er von dem Polizei­o­ber­kom­missar N. begleitet, der eine Rechnung über 3.149,07 Euro an die Chefredaktion der Beschwer­de­führerin stellte. Sie endet mit den Worten: "Wegen der Konspirativität in dieser Sache bitte ich um Barauszahlung". Auf diese Rechnung stießen die Ermitt­lungs­be­hörden im Rahmen eines Ermitt­lungs­ver­fahrens gegen N. wegen Geheim­nis­verrats (§ 353 b Strafgesetzbuch - StGB). N. stand in Verdacht, eine geplante Razzia der Berliner Polizei im Rockermilieu an Journalisten weitergegeben zu haben. Über die bevorstehende Razzia hatte jedoch nicht der Zeitungsverlag vorab berichtet, sondern ein mit diesem nicht in Zusammenhang stehendes Online-Portal.

Durchsuchung der Redaktion und der Privaträume des Journalisten wegen Verdachts der Bestechung

Im November 2012 wurden das Redak­ti­o­ns­gebäude des Zeitungsverlags sowie die Privatwohnung des Journalisten wegen des Verdachts der Bestechung (§ 334 Strafgesetzbuch - StGB) durchsucht. Der Durch­su­chungs­be­schluss stützte sich auf eine Zahlung des Journalisten an N. in Höhe von 100 Euro sowie auf die genannte Rechnung. Aufgrund der Heimlichkeit der Reise, des ungewöhnlich hohen Tagessatzes von 500 Euro sowie der Bitte um konspirative Abrechnung bestehe der Verdacht, dass die von N. für die Zeitung erledigten Tätigkeiten dienstlichen Bezug hätten. Nach Darstellung der Beschwer­de­führer sei N. jedoch außerhalb seiner Dienstzeit als Sicher­heits­experte für die Recherchereise nach Amsterdam engagiert worden. Die 100 Euro seien N. für den Kauf von zwei Jacken ausgelegt und später von ihm zurückgezahlt worden.

Durchsuchung betrifft Schutzbereich der Pressefreiheit

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht erklärt die Verfas­sungs­be­schwerden für begründet. Der Schutzbereich der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) ist eröffnet. Sie umfasst den Schutz vor dem Eindringen des Staates in die Vertraulichkeit der Redak­ti­o­ns­arbeit sowie in die Vertrau­ens­sphäre zwischen den Medien und ihren Informanten. Dieser Schutz ist unentbehrlich, weil die Presse auf private Mitteilungen nicht verzichten kann, diese Infor­ma­ti­o­ns­quelle aber nur dann fließt, wenn sich der Informant grundsätzlich auf die Wahrung des Redak­ti­o­ns­ge­heim­nisses verlassen kann. Eine Durchsuchung in Presseräumen stellt wegen der damit verbundenen Störung der redaktionellen Arbeit und der Möglichkeit einer einschüch­ternden Wirkung eine Beein­träch­tigung der Pressefreiheit dar.

Beschlagnahme gefundener Gegenstände verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt

Der Eingriff durch die Anordnung der Durchsuchung der Redaktionsräume und die Beschlagnahme der dort gefundenen Gegenstände ist verfas­sungs­rechtlich nicht gerechtfertigt. Nach Art. 5 Abs. 2 GG findet die Pressefreiheit ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze. Die Bestimmungen der Straf­pro­zess­ordnung (StPO) sind als allgemeine Gesetze anerkannt, müssen allerdings im Lichte dieser Grund­rechts­ver­bürgung gesehen werden. Es bedarf einer Zuordnung der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG gewährleisteten Freiheit und des durch die einschränkenden Vorschriften geschützten Rechtsgutes. Eine solche Zuordnung hat der Gesetzgeber vorgenommen, indem er einerseits die allgemeine Zeugnispflicht von Medien­an­ge­hörigen in § 53 Abs. 1 Nr. 5 StPO und korre­spon­dierend hierzu Beschlagnahmen bei Journalisten und in Redak­ti­o­ns­räumen in § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO eingeschränkt hat, andererseits aber ein Beschlag­nah­me­verbot in § 97 Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 StPO bei straf­recht­licher Verstrickung des Zeugen oder der Sache ausgeschlossen hat. Auf diese Weise hat der Gesetzgeber jedenfalls im Grundsatz einen tragfähigen Ausgleich zwischen dem Schutz der Institution einer freien Presse auf der einen Seite und dem legitimen Straf­ver­fol­gungs­in­teresse auf der anderen Seite geschaffen, wobei offen bleiben kann, ob er den Schutz der Presse und des Rundfunks weiter hätte ziehen oder stärker hätte beschränken dürfen.

Diese Normen sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts allerdings keine abschließenden Regelungen. Auch wenn § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO nicht anwendbar ist, weil ein Journalist selbst (Mit-) Beschuldigter ist, bleibt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG für die Auslegung und Anwendung der straf­pro­zes­sualen Normen über Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Redaktionen oder bei Journalisten von Bedeutung.

Durchsuchung bedarf zureichender tatsächlicher Anhaltspunkte für Straftat

Im Jahr 2012 hat der Gesetzgeber geregelt, dass Beihil­fe­hand­lungen zum Geheimnisverrat nach Maßgabe des § 353 b Abs. 3a StGB nicht mehr als rechtswidrig anzusehen sind. Strafbar bleiben demgegenüber die Anstiftung zum Geheimnisverrat sowie Beihil­fe­hand­lungen, die der Vollendung der Haupttat vorausgehen oder über das Entgegennehmen und Veröffentlichen der Information hinausgehen. Hierzu soll insbesondere die Zahlung von Honorar für dienstlich erlangte Informationen zu rechnen sein. Unter Berück­sich­tigung von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG kann dies jedoch dann nicht gelten, wenn die Durchsuchung und Beschlagnahme nicht auf einen konkreten Verdacht gerade gegenüber den betroffenen Presse­an­ge­hörigen gestützt ist, sondern dem vorrangigen oder ausschließ­lichen Zweck dient, Verdachtsgründe gegen den Informanten zu finden. Vielmehr erfordert eine Durchsuchung zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für eine Straftat, die den Beschlag­nah­me­schutz des § 97 Abs. 5 Satz 1 StPO entfallen lässt. Ein bloß allgemeiner Verdacht, dass dienstliche Informationen an die Presse weitergegeben wurden, genügt den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen nicht.

Ausreichend tatsächliche Anhaltspunkten für Straftat im vorliegenden Fall nicht erkennbar

Im vorliegenden Fall ging es den Straf­ver­fol­gungs­be­hörden, wie auch in dem angefochtenen landge­richt­lichen Beschluss deutlich wird, zumindest vorwiegend um die Ermittlung belastender Tatsachen gegen einen Informanten aus Polizeikreisen. Diesem sollen Geldbeträge für Informationen zu bevorstehenden Ermitt­lungs­maß­nahmen gezahlt worden sein. Bezogen auf dessen Kontakt zu den Beschwer­de­führern handelt es sich jedoch um bloße Mutmaßungen. Zum einen berichtete nicht der beschwer­de­führende Zeitungsverlag über die bevorstehende Razzia, sondern ein mit diesem nicht zusam­men­hän­gendes Online-Portal. Weder dem Durch­su­chungs­be­schluss noch der Beschwer­de­ent­scheidung ist zum anderen zu entnehmen, für welche Informationen Geld gezahlt worden sein soll. Der Tatbestand der Bestechung verlangt jedoch schon einfach­rechtlich die Vornahme einer hinreichend konkreten Diensthandlung. In Bezug auf die Beschwer­de­führer mangelt es daher an zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkten für eine Straftat, die den Beschlag­nah­me­schutz entfallen lässt.

Nutzen eines auf eine fingierte Person angemeldeten "Journalisten-Handys" lässt nicht zwingend auf Bestechung schließen

Ferner lässt sich aus dem bloßen Umstand, dass der mitbeschuldigte Polizeibeamte ein auf eine fingierte Person angemeldetes "Journalisten-Handy" nutzte, nicht auf einen Tatverdacht der Bestechung gerade gegen die Beschwer­de­führer schließen. Auf dem Handy waren die Namen des Beschwer­de­führers und eines Journalisten des Online-Portals gespeichert. Dies mag dafür sprechen, dass der Informant dienstliche Geheimnisse an Journalisten weitergegeben hat. Wegen des in Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verankerten Infor­man­ten­schutzes rechtfertigt das bloße Interesse der Straf­ver­fol­gungs­be­hörden, dies zu erfahren, jedoch keine Durchsuchung in den Redak­ti­o­ns­räumen von Presseorganen, sofern nicht erkennbar ist, dass auch gegen diese selbst strafrechtlich relevante Vorwürfe zu erheben sind. Was für eine Weitergabe der Informationen über eine Razzia gerade an den Beschwer­de­führer sprechen soll, obwohl ein anderes Online-Magazin, für das der andere eingespeicherte Journalist tätig war, über diesbezügliche Ermitt­lungs­maß­nahmen vorab berichtete, bleibt unklar.

Auch aus dem Vermerk auf der Rechnung lässt sich nicht mit der erforderlichen Wahrschein­lichkeit auf eine Bestechung schließen. Die Rechnung bezog sich auf die Reise nach Amsterdam, für deren Ermöglichung sich der Beamte dienstunfähig gemeldet hatte. Es erscheint daher nicht fernliegend, dass der Beamte diszi­pli­nar­rechtliche Konsequenzen wegen der falschen Krankmeldung und mangelnden Neben­tä­tig­keits­ge­neh­migung befürchtete. Ein Verdacht gegenüber den Beschwer­de­führern folgt hieraus jedoch nicht.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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