18.10.2024
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Dokument-Nr. 17936

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Beschluss13.03.2014Bundesverfassungsgericht2 BvR 974/12
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • AnwBl 2014, 446Zeitschrift: Anwaltsblatt (AnwBl), Jahrgang: 2014, Seite: 446
  • BRAK-Mitt 2014, 166Zeitschrift: BRAK-Mitteilungen (BRAK-Mitt), Jahrgang: 2014, Seite: 166
  • NJW 2014, 1650Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2014, Seite: 1650
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ergänzende Informationen

Bundesverfassungsgericht Beschluss13.03.2014

Grundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung: Vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen für Durchsuchung nicht ausreichendVerfassungs­beschwerde gegen die Durchsuchung der Privatwohnung eines Prokuristen erfolgreich

Das Bundes­verfassungs­gericht hat die verfassungs­recht­lichen Anforderungen an eine Wohnungs­durch­suchung bekräftigt. Angesichts des Grundrechts auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung setzt die Durchsuchung den Verdacht einer Straftat voraus, der auf konkreten Tatsachen beruht; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht. Ein Tatverdacht ergibt sich nicht ohne Weiteres daraus, dass der Leiter einer Rechtsabteilung sich, nachdem staats­an­waltliche Ermittlungen im Umfeld des Unternehmens durch einen Presseartikel bekannt geworden sind, zur Aufarbeitung des Sachverhalts und zur Vorbereitung des Verteidigungs­vor­bringens des Unternehmens veranlasst sieht.

Der Beschwer­de­führer des zugrunde liegenden Verfahrens ist Prokurist sowie Leiter der Rechtabteilung eines Unternehmens der Rüstungs­in­dustrie. Mit seiner Verfas­sungs­be­schwerde wendet er sich gegen einen Durch­su­chungs­be­schluss des Amtsgerichts Stuttgart sowie gegen einen bestätigenden Beschluss des Landgerichts Stuttgart.

Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass die angegriffenen Beschlüsse den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG. verletzen. Erforderlich zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unver­letz­lichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG) ist der Verdacht, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Verdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus. Eine Durchsuchung darf nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Verdachts erforderlich sind, denn sie setzen einen Tatverdacht bereits voraus. Notwendig ist, dass ein auf konkrete Tatsachen gestütztes, dem Beschwer­de­führer angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt.

Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten angenommenen Verdachts ist nicht Sache des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts. Ein Eingreifen des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ist nur geboten, wenn die Auslegung und Anwendung der straf­recht­lichen Bestimmungen objektiv willkürlich sind oder Fehler erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung der Grundrechte des Betroffenen beruhen.

Vorinstanzen legen keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte zur Begründung des Verdachts der Begehung einer Straftat dar

Diesen Maßstäben werden die angegriffenen Entscheidungen des Amtsgerichts Stuttgart und des Landgerichts Stuttgart nicht gerecht. Die ihnen zugrunde liegende Annahme des Verdachts einer Beteiligung des Beschwer­de­führers an einer gemein­schaft­lichen Bestechung ausländischer oder inländischer Amtsträger beruht nicht auf konkreten Tatsachen, sondern auf allenfalls vagen Anhaltspunkten und bloßen Vermutungen. Gegen die Feststellung, dass die Stellung des Beschwer­de­führers als Prokurist für sich genommen einen Anfangsverdacht nicht zu begründen vermag, ist verfas­sungs­rechtlich nichts zu erinnern. Sonstige hinreichend konkrete Anhaltspunkte zur Begründung des Verdachts der Begehung einer Straftat durch den Beschwer­de­führer werden in den angegriffenen Beschlüssen nicht dargelegt. Insbesondere ist es sachgerecht, dass der Beschwer­de­führer sich als Leiter der Rechtsabteilung vor dem Hintergrund der durch einen Presseartikel bekannt­ge­wordenen staats­an­walt­lichen Ermittlungen im Umfeld des Unternehmens zur Aufarbeitung des Sachverhalts und zur Vorbereitung des Vertei­di­gungs­vor­bringens des Unternehmens veranlasst sah. Daraus kann nicht gefolgert werden, dass sein Handeln auf eine Verschleierung rechtswidriger Taten abzielte. Erst recht kann daraus nicht auf eine Beteiligung des Beschwer­de­führers an Beste­chungs­hand­lungen geschlossen werden.

Der Beschluss des Landgerichts wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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