24.11.2024
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Dokument-Nr. 2682

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Bundesverfassungsgericht Beschluss03.07.2006

Wohnungs­durch­suchung nur bei ausreichender Verdachts­grundlageVorschnelle Durchsuchung verstößt gegen das Grundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung

Ermitt­lungs­be­hörden dürfen Wohnungen nur bei handfestem Verdacht durchsuchen. Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen für eine Straftat reichen nicht aus. Das hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden.

Die Verfas­sungs­be­schwerde eines Unternehmers gegen die gerichtliche Anordnung der Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume wegen Verdachts der Steuer­hin­ter­ziehung war erfolgreich. Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht stellte fest, dass die Durch­su­chungs­a­n­ordnung den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung verletze. Der empfindliche Eingriff einer Wohnungs­durch­suchung dürfe nicht vorschnell und auf unzureichender Verdachts­grundlage angeordnet werden.

Der Beschwer­de­führer betrieb ein einzel­kauf­män­nisches Unternehmen in einer von seiner Ehefrau gemieteten Halle. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gab der Beschwer­de­führer an, dass die Mittel für die Errichtung der Halle aus einem Darlehen seines Schwiegervaters stammten, der das Geld aus einem Grund­s­tücks­verkauf erlöst habe. Da die anschließende Überprüfung der Steue­r­er­klä­rungen des Schwiegervaters die Herkunft des Geldes nicht klären konnte, nahm die Finanzbehörde an, dass das Geld aus nicht versteuerten Einnahmen des Beschwer­de­führers stammte. Nach Einleitung eines staats­an­walt­schaft­lichen Ermitt­lungs­ver­fahrens ordnete das Amtsgericht unter anderem die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume des Beschwer­de­führers an. Eine nach der Durchsuchung eingelegte Beschwerde verwarf das Landgericht.

Als die Ermitt­lungs­behörde bei einer späteren Durchsuchung der Wohnräume des Schwiegervaters feststellte, dass dieser aus Grund­s­tücks­ver­käufen 1.848.000 DM erlöst hatte, wurde das Ermitt­lungs­ver­fahren gegen den Beschwer­de­führer eingestellt. Die gegen die Durchsuchung seiner Wohn- und Geschäftsräume gerichtete Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers war erfolgreich.

Die gegen den Beschwer­de­führer gerichteten Verdachtsgründe reichten allenfalls sehr geringfügig über bloße Vermutungen und vage Anhaltspunkte hinaus. Allein der Umstand, dass anhand der Steue­r­er­klä­rungen nicht festgestellt werden konnte, dass der Kapitalbetrag dem Schwiegervater als versteuertes Einkommen zugeflossen war, genügt nicht zur Begründung eines Tatverdachts gegen den Beschwer­de­führer. Es bleiben zu viele Varianten offen, die nicht auf von dem Beschwer­de­führer begangene Straftaten hindeuten. Insbesondere hatte der Beschwer­de­führer den Finanzbehörden eine plausible Möglichkeit benannt, die zu einem steuerfreien Zufluss in das Vermögen des Schwiegervaters führen konnte, nämlich die Veräußerung von Grundstücken. Es war Aufgabe der Ermitt­lungs­be­hörden, die plausible Angabe über die Herkunft des fraglichen Betrages zunächst ohne empfindliche Grund­recht­s­ein­griffe zu überprüfen. Zwangsmaßnahmen durften erst dann in Betracht gezogen werden, wenn sich die Angabe als falsch oder nicht überprüfbar erwiesen hätte.

Selbst wenn man von einem Verdacht der Steuer­hin­ter­ziehung ausginge, war die angeordnete Durchsuchung jedenfalls unver­hält­nismäßig. Zur Aufklärung der Herkunft des Geldes hätten andere Mittel zur Verfügung gestanden, die gar nicht oder weniger empfindlich in Grundrechte des Beschwer­de­führers oder anderer Grund­recht­s­träger eingegriffen hätten. Es ist nicht zu erkennen, weshalb die Ermitt­lungs­be­hörden den Angaben des Beschwer­de­führers zur Herkunft des Geldes nicht nachgegangen sind, bevor sie eine Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen veranlasst haben. Es mag für die Ermitt­lungs­be­hörden mühevoller sein, durch Auskunft­s­er­suchen beim Grundbuchamt oder der Bank und durch Zeugen­ver­neh­mungen die Hinweise auf ein strafbares Verhalten zu überprüfen; der hohe Wert der Integrität der Wohnung verlangt jedoch diese Mühewaltung, bevor ein empfindlicher Eingriff in das Grundrecht auf Unver­letz­lichkeit der Wohnung zulässig sein kann.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 63/06 des BVerfG vom 12.07.2006

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