21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss02.07.2009

BVerfG: Beweismittel können auch nach rechtswidriger Wohnungs­durch­suchung verwertet werdenÖffentliches Interesse an Strafverfolgung hat Vorrang vor Grund­rechts­ver­letzung durch eine ungerecht­fertigte Durchsuchung

Beweismittel, die in Zusammenhang mit einem anderen angeblichen Rechtsverstoß bei einer zudem rechtswidrigen Wohnungs­durch­suchung gefunden werden, können dennoch verwertet werden. Dies entschied das Bundes­ver­fas­sungs­gericht.

Das Amtsgericht München ordnete die Durchsuchung der Wohnungen des Beschwer­de­führers im Rahmen eines Ermitt­lungs­ver­fahrens wegen eines Verstoßes gegen das Markenrecht zum Zwecke der Beschlagnahme von Rechneranlagen sowie von weiteren Unterlagen an. Bei den Durchsuchungen fand die Polizei keine Beweismittel, die im Zusammenhang mit diesem Tatvorwurf standen. Das Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Markenrecht wurde daher eingestellt. Der zugrun­de­liegende Durch­su­chungs­be­schluss wurde durch das Bundes­ver­fas­sungs­gericht mit Beschluss vom 13. November 2005 - 2 BvR 728/05 u.a. - deswegen aufgehoben, weil der mit der Durchsuchung verbundene Grund­recht­s­eingriff außer Verhältnis zu dem allenfalls geringen Tatverdacht gestanden habe.

Haschischfund bei Wohnungs­durch­suchung

Bei der Durchsuchung einer der Wohnungen des Beschwer­de­führers, die dieser gemeinsam mit anderen Personen bewohnte, fanden die Ermitt­lungs­personen in einem dem Beschwer­de­führer zugeordneten Zimmer Haschisch in nicht geringer Menge sowie zwei Feinwaagen. Der Beschwer­de­führer wurde deswegen vom Amtsgericht wegen Verstoßes gegen das Betäu­bungs­mit­tel­gesetz verurteilt. Dieses Urteil wurde auf die Revision des Beschwer­de­führers hin vom Oberlan­des­gericht wegen lückenhafter Beweiswürdigung insoweit aufgehoben, als es um die Zuordnung des Haschischs zum Besitz des Beschwer­de­führers ging. Die bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel sah das Gericht aber als verwertbar an. Der Beschwer­de­führer legte gegen diesen Beschluss Verfas­sungs­be­schwerde ein, die nicht zur Entscheidung angenommen wurde.

Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Besitzes von Betäu­bungs­mitteln

Nach Zurück­ver­weisung der Sache an das Amtsgericht sprach dieses den Beschwer­de­führer vom Tatvorwurf des § 29 a BtMG frei. Es bejahte ein Verwer­tungs­verbot bzgl. der gewonnenen Beweismittel im Hinblick auf den mit der Wohnungsdurchsuchung verbundenen schwerwiegenden Grund­rechts­verstoß. Auf die Berufung der Staats­an­walt­schaft hob das Landgericht wiederum das amtsge­richtliche Urteil auf und verurteilte den Beschwer­de­führer wegen unerlaubten Besitzes von Betäu­bungs­mitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Das Landgericht verneinte ein Verwer­tungs­verbot mit der Begründung, dass dieses nur aus übergeordneten Gründen im Einzelfall anzunehmen sei. Die Revision des Beschwer­de­führers blieb ohne Erfolg.

BverfG zum Beweis­ver­wer­tungs­verbot

Die erneute Verfas­sungs­be­schwerde des Beschwer­de­führers hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht nicht zur Entscheidung angenommen. Die Verwertung der bei dieser Durchsuchung gewonnenen Beweismittel im Strafverfahren gegen den Beschwer­de­führer wegen Verstoß gegen das BtmG verstößt nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG. Zwar verletzte die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung den Beschwer­de­führer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG, wie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht im Beschluss vom 13. November 2005 festgestellt hat. Es besteht aber kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechts­feh­ler­haften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre. Für die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen straf­pro­zessuale Verfah­rens­vor­schriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweis­ver­wer­tungs­verbot zählt, sind in erster Linie die Fachgerichte zuständig. Diese gehen in gefestigter, willkürfreier Rechtsprechung davon aus, dass dem Straf­ver­fah­rensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß bei der Beweisgewinnung ein straf­pro­zes­suales Verwer­tungs­verbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der wider­strei­tenden Interessen zu entscheiden ist. Ein Beweis­ver­wer­tungs­verbot bedeutet eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen ist. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers können - müssen indes nicht in jedem Fall - danach ein Verwer­tungs­verbot nach sich ziehen. Die Gerichte haben im vorliegenden Fall die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ausreichend beachtet. Insbesondere wurde die Schwere der Grund­rechts­ver­letzung bei der Durchsuchung in ihrer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung und der Wahrheits­er­mittlung im Strafverfahren wegen des Verbre­chen­s­tat­be­standes des § 29 a Abs. 1 BtMG angemessen berücksichtigt.

Verstoß gegen faires Verfahren liegt nicht vor

Es liegt auch kein Verstoß gegen das Recht des Beschwer­de­führers auf ein faires, rechts­s­taat­liches Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 20 Abs. 3 GG vor. Denn es liegen keine Anhaltspunkte für eine willkürliche, den Fairness­grundsatz ignorierende Handhabung der straf­pro­zes­sualen Grundsätze über Beweis­ver­wer­tungs­verbote vor.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 85/09 des BVerfG vom 28.07.2009

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