21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss09.07.2018

Beitragspflicht für Versor­gungs­bezüge in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflege­ver­si­cherung ist verfas­sungsgemäßBeitragszahlung greift nicht unver­hält­nismäßig in Rechte der Betroffenen ein

Das Bundes­verfassungs­gericht hat entschieden, dass die Beitragszahlung durch die Bezieher von Versor­gungs­bezügen in der gesetzliche Kranken­ver­si­cherung und sozialen Pflege­ver­si­cherung mit der Verfassung vereinbar ist. Sie stellt weder einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar noch greift sie unver­hält­nismäßig in die Rechte der Betroffenen ein. Das Gericht wies damit eine Vorlage des Sozialgerichts hinsichtlich der Frage, ob die Beitragspflicht für Versor­gungs­bezüge mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als unzulässig zurück.

Für die Beitrags­be­messung in der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung werden von versi­che­rungs­pflichtig Beschäftigten und versi­che­rungs­pflichtigen Rentnern unter anderem die mit der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Von diesen sogenannten Versor­gungs­bezügen sind auch Renten der betrieblichen Alters­ver­sorgung umfasst. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung wurde 2004 der zuvor geltende halbe Beitragssatz auf einen vollen allgemeinen Beitragssatz angehoben und neben Renten nicht regelmäßig wiederkehrende Leistungen von der Beitragspflicht erfasst.

Kläger wendet sich gegen Festsetzung der monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflege­ver­si­cherung

Der Kläger des Ausgangs­ver­fahrens war bei der im Ausgangs­ver­fahren beklagten Krankenkasse pflicht­ver­sichert. Der Arbeitgeber des Klägers schloss für ihn 2007 eine Direktversicherung ab, deren Prämien weitgehend aus dem Bruttolohn des Klägers abgeführt worden sind. Nachdem der Kläger 2015 eine Kapita­l­aus­zahlung erhielt, erhob er gegen die Festsetzung der monatlichen Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflege­ver­si­cherung für den 120. Anteil der Auszahlung Klage zum Sozialgericht mit der Begründung, dass die Kapitalzahlung überwiegend durch seine Eigenleistung erwirtschaftet worden sei und daher kein Versorgungsbezug vorliege.

Das Sozialgericht hat das Verfahren ausgesetzt und dem Bundes­ver­fas­sungs­gericht mit der Frage vorgelegt, ob die Normen des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßen.

Vorlegendes Gericht muss Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung umfassend darlegen

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass die Vorlage unzulässig ist, da sie zumindest nicht den Begrün­dungs­an­for­de­rungen des Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG genügt. Das vorlegende Gericht hat bei einem Normen­kon­troll­ver­fahren nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG darzulegen, inwiefern die Gültigkeit der Rechts­vor­schrift für die Entscheidung erheblich ist und mit welcher übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Dafür muss das vorlegende Gericht umfassend darlegen, warum es von der Unvereinbarkeit der Norm mit der Verfassung überzeugt ist und sich dabei insbesondere mit den tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten sowie mit der maßgeblichen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts ausein­an­der­setzen.

Beitragspflicht entstand lediglich bei Kapita­l­aus­zahlung der Direkt­ver­si­cherung

Diesen Anforderungen genügt die Vorlage des Sozialgerichts nicht. Insbesondere führt das vorlegende Gericht selbst aus, dass der Kläger des Ausgangs­ver­fahrens von der behaupteten Ungleich­be­handlung einer doppelten Beitrags­be­lastung gar nicht betroffen ist. Die Einzahlungen aus seinem Arbeitsentgelt waren nach einer Privilegierung der Sozia­l­ver­si­che­rungs­ent­gelt­ver­ordnung beitragsfrei in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflege­ver­si­cherung. Die Beitragspflicht ist lediglich bei der Kapita­l­aus­zahlung der Direkt­ver­si­cherung entstanden.

Beitragspflicht für Versor­gungs­bezüge in gesetzlicher Kranken- und sozialer Pflege­ver­si­cherung verfas­sungsgemäß

Die Vorlage setzt sich zudem nicht zutreffend mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts auseinander. Danach ist die Beitragspflicht für Versorgungsbezüge in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflege­ver­si­cherung und auch die Anhebung auf den vollen allgemeinen Beitragssatz verfas­sungsgemäß. Es gibt keinen verfas­sungs­recht­lichen Grundsatz, wonach Pflicht­mit­glieder der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung nur einen halben Beitragssatz zu entrichten hätten.

Behauptete Ungleich­be­handlung zwischen Beitragslast, Beitragssatz und Zahlungspflicht nicht ersichtlich

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht hat bislang die Typisierung einer Eigenleistung des Arbeitnehmers als Versor­gungsbezug unter Weiternutzung des insti­tu­ti­o­nellen Rahmens des Betrie­bs­ren­ten­rechts nach Beendigung des Arbeits­ver­hält­nisses als verfas­sungsgemäß betrachtet. Das Sozialgericht hat es versäumt, sich mit dem daraus ableitbaren Maßstäben auseinander zu setzen und darzulegen inwiefern und unter welchen Gesichtspunkten das Bundes­ver­fas­sungs­gericht von seiner diesbezüglichen Rechtsprechung abweichen sollte. Die von dem Sozialgericht behauptete Ungleich­be­handlung aus einem Zusammenspiel zwischen Beitragslast, Beitragssatz und Zahlungspflicht ist nicht ersichtlich.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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