21.11.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss07.04.2008

Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung bei Kapitalzahlung aus Lebens­ver­si­cherung verfas­sungsgemäßKein Unterschied zwischen laufend gezahlten Versor­gungs­bezügen und nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistungen

Die Kapitalzahlung aus einer Direkt­le­bens­ver­si­cherung unterliegt der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung. Dies hat das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschieden.

Direkt­ver­si­che­rungen sind meist eine Form der betrieblichen Alters­ver­sorgung. Sie werden in der Regel als Lebensversicherung durch den Arbeitgeber als Versi­che­rungs­nehmer zugunsten des Arbeitnehmers als Bezugs­be­rech­tigten abgeschlossen. Als Versi­che­rungsfall wird regelmäßig die Vollendung eines bestimmten Lebensjahres vereinbart. Tritt der Versi­che­rungsfall ein, kann die Direkt­ver­si­cherung als fortwährende Leistung in Form eines regelmäßigen, monatlichen Versor­gungs­bezugs oder als einmaliger Kapitalbetrag geleistet werden. Nach der Rechtsprechung des Bundes­so­zi­al­ge­richts zu der bis zum 31. Dezember 2003 gültigen Rechtslage unterlag jedoch nur der fortwährende Versor­gungsbezug aus einer Direkt­ver­si­cherung uneingeschränkt der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung. Demgegenüber wurde eine einmalige Kapitalleistung aus der Direkt­ver­si­cherung nicht von der Beitragspflicht erfasst und zwar selbst dann nicht, wenn ursprünglich eine laufende Leistung vereinbart worden war, sie aber noch vor Eintritt des Versi­che­rungs­falles in eine Kapitalleistung umgewandelt wurde. Durch das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung vom 14. November 2003 sind die maßgeblichen Bestimmungen zum 1. Januar 2004 geändert worden: Danach unterliegt die als Kapitalleistung erbrachte Direkt­ver­si­cherung nunmehr uneingeschränkt der Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung, auch wenn eine einmalige Kapitalzahlung von Anfang an oder vor Eintritt des Versi­che­rungsfalls vereinbart wurde.

Den beiden Beschwer­de­führern war aus einer vom Arbeitgeber zu ihren Gunsten abgeschlossenen Kapita­l­le­bens­ver­si­cherung ein Betrag von 22.950,51 Euro bzw. 86.331,31 Euro ausbezahlt worden. Hierauf setzten die Krankenkassen Kranken­ver­si­che­rungs­beiträge in Höhe von monatlich 29,07 Euro bzw. 107,19 Euro fest. Die hiergegen gerichtete Verfassungsbeschwerde war erfolglos. Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts stellte fest, dass die Heranziehung von Versor­gungs­bezügen in der Form der nicht wiederkehrenden Leistung zur Beitragspflicht in der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

Dem Nicht­an­nah­me­be­schluss liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde:

Ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz liegt nicht vor. Es kann kein wesentlicher Unterschied bezüglich der beschäf­ti­gungs­be­zogenen Einnahmen zwischen laufend gezahlten Versor­gungs­bezügen und nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistungen identischen Ursprungs und gleicher Zwecksetzung, insbesondere einmaligen Kapita­l­leis­tungen aus Direkt­ver­si­che­rungen, festgestellt werden. Beide Leistungen knüpfen an ein Dienst- oder Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis an und sind Teil einer versi­che­rungs­rechtlich organisierten, durch Beiträge gespeisten zusätzlichen Alters­ver­sorgung, welche dem Versicherten mit dem Eintritt des Versi­che­rungsfalls einen unmittelbaren Leistungs­an­spruch vermittelt. Ausgangspunkt der gesetzlich angeordneten Gleich­be­handlung der nicht wiederkehrenden Leistungen mit den laufenden Versor­gungs­bezügen sind die mit dem Versi­che­rungsfall eintretende Erhöhung der Einnahmen des Versicherten und ihr Ziel der Alterssicherung. Die im Beschäf­ti­gungs­ver­hältnis wurzelnde, auf einer bestimmten Ansparleistung während des Erwerbslebens beruhende einmalig Zahlung einer Kapita­l­ab­findung ist nicht grundsätzlich anders zu bewerten als eine auf gleicher Ansparleistung beruhende, laufende Rentenleistung; sie unterscheiden sich allein durch die Art der Auszahlung.

Die Beitragspflicht ist auch verhältnismäßig: Zwar stellt die auf zehn Jahre begrenzte Beitragspflicht eine erhebliche Belastung der Betroffenen dar. Sie hat jedoch keine grundlegende Beein­träch­tigung der Vermö­gens­ver­hältnisse im Sinne einer erdrosselnden Wirkung zur Folge. Schließlich verstößt die Neuregelung der Beitragspflicht auf einmalige Kapita­l­leis­tungen nicht gegen den rechts­s­taat­lichen Vertrau­ens­schutz. Sie gestaltet ein öffent­lich­recht­liches Versi­che­rungs­ver­hältnis erst mit Wirkung für die Zukunft. Im Übrigen konnten die Betroffenen nicht in den Fortbestand der die einmaligen Kapita­l­leis­tungen gegenüber einem fortwährenden Versor­gungsbezug privi­le­gie­renden Rechtslage vertrauen.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 56/08 des BVerfG vom 16.05.2008

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