18.10.2024
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Bundesverfassungsgericht Beschluss24.01.2012

Hamburger Verbot zur Einrichtung abgetrennter Raucherräume in Speiselokalen verfas­sungs­widrig§ 2 Abs. 4 HmbPSchG mit grundgesetzlich garantierter Berufsausübungs­freiheit unvereinbar

Der im Hamburgischen Passiv­raucher­schutz­gesetz vorgesehene Ausschluss der Speise­gast­stätten von der Erlaubnis zur Einrichtung abgetrennter Raucherräume ist verfas­sungs­widrig. Dies entschied das Bundes­verfassungs­gericht.

Nach dem Hamburgischen Passi­vrau­cher­schutz­gesetz (HmbPSchG) ist das Rauchen in Gaststätten grundsätzlich verboten. Vom Rauchverbot ausgenommen sind Einraum­gast­stätten mit einer Gastfläche von weniger als 75 m², die als reine Schank­wirt­schaften betrieben werden, d. h. in denen keine zubereiteten Speisen angeboten werden und die nicht über eine entsprechende gaststät­ten­rechtliche Erlaubnis verfügen.

Vorschrift untersagt Einrichtung von abgetrennten Raucherräumen in Speise­gast­stätten

Des Weiteren erlaubt die im Vorla­ge­ver­fahren maßgebliche Vorschrift des § 2 Abs. 4 HmbPSchG für alle übrigen (reinen) Schank­gast­stätten, nicht aber für Speise­gast­stätten die Einrichtung von abgetrennten Raucherräumen. Eine vergleichbare Regelung zur Zulassung von Raucherräumen in Gaststätten findet sich auch in anderen Ländern nicht. Entweder gilt dort ein striktes Rauchverbot oder die Einrichtung von abgeschlossenen Raucherräumen wird unabhängig davon zugelassen, ob in den jeweiligen Gaststätten zubereitete Speisen angeboten werden oder nicht.

Verwal­tungs­gericht hält Verbot von abgetrennten Raucherräumen in Speise­gast­stätten für verfas­sungs­widrig

Die Klägerin des Ausgangs­ver­fahrens betreibt eine an einer Autobahn gelegene Gaststätte, die neben einer Gaststube einen „Clubraum“ umfasst. Für diese Gaststätte ist die Klägerin im Besitz einer gaststät­ten­recht­lichen Erlaubnis zum Betrieb einer Schank- und Speise­wirt­schaft. Ihr Antrag auf eine Ausnah­me­ge­neh­migung vom Rauchverbot, um den Clubraum als Raucherraum auszuweisen, lehnte die zuständige Verwal­tungs­behörde mit der Begründung ab, dass die gesetzliche Regelung für Speise­wirt­schaften keine Ausnahme vom Rauchverbot vorsehe. Die hiergegen erhobene Klage führte zur Vorlage durch das Verwal­tungs­gericht, das die Ausnah­me­re­gelung des § 2 Abs. 4 HmbPSchG für verfassungswidrig hält. Sie verstoße gegen die Berufs­aus­übungs­freiheit in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, weil danach ohne recht­fer­ti­genden Grund Speise­wirt­schaften anders als Schank­wirt­schaften die Möglichkeit versagt bleibe, abgeschlossene Raucherräume einzurichten.

BVerfG bejaht Einrichtung abgeschlossener Raucherräume in Speise­wirt­schaften

Das Bundes­ver­fas­sungs­gericht entschied, dass § 2 Abs. 4 HmbPSchG mit der in Art. 12 Abs. 1 GG garantierten Berufs­aus­übungs­freiheit in Verbindung mit dem allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG insoweit unvereinbar ist, als die Regelung Betreibende von Speise­wirt­schaften anders als Betreibende von Schank­wirt­schaften von der Möglichkeit ausschließt, in abgeschlossenen Nebenräumen ihrer Gaststätten das Rauchen zu gestatten. Bis zu einer gesetzlichen Neuregelung gilt die Vorschrift mit der Maßgabe fort, dass auch für Speise­wirt­schaften abgeschlossene Raucherräume eingerichtet werden dürfen.

Rauchverbot in Gaststätten greift in Berufs­aus­übungs­freiheit der Betreiber ein

Der Entscheidung liegen im Wesentlichen folgende Erwägungen zugrunde: Wie das Gericht im Grundsatz schon in seinem Urteil vom 30. Juli 2008 entschieden hat, greift das Rauchverbot in Gaststätten in die Berufs­aus­übungs­freiheit der Betreiber ein. Die in § 2 Abs. 4 Satz 1 HmbPSchG bestimmte Unterscheidung zwischen Schank- und Speise­wirt­schaften hat zur Folge, dass Betreibende von Speise­wirt­schaften nicht in freier Ausübung ihres Berufs das Angebot ihrer Gaststätten auch für rauchende Gäste attraktiv gestalten können, was erhebliche wirtschaftliche Nachteile insbesondere für eher geträn­ke­ge­prägte Speise­gast­stätten nach sich ziehen kann. Diese Ungleich­be­handlung ist sachlich nicht gerechtfertigt, weil es an einem hinreichend gewichtigen Grund für die Differenzierung fehlt.

Als Diffe­ren­zie­rungsgrund reicht nicht allein die Tatsache aus, dass die unter­schiedliche Regelung für Schank- und Speise­wirt­schaften das Ergebnis eines politischen Kompromisses der damaligen Regie­rungs­frak­tionen der Hamburgischen Bürgerschaft war.

Schutz der Gesundheit des Gaststät­ten­per­sonals keine ausreichende Begründung für Verbot

Die unter­schiedliche Behandlung lässt sich ferner nicht durch Gründe des Gesund­heits­schutzes rechtfertigen. Im Hinblick auf den Schutz der Gesundheit des Gaststät­ten­per­sonals fehlt es an dem erforderlichen Zusammenhang zwischen diesem Regelungsziel und der vom Gesetzgeber gewählten Differenzierung zwischen Speise- und Schank­gast­stätten. Denn nicht nur in Speise-, sondern auch in Schank­wirt­schaften sind Angestellte beschäftigt, die die Gäste in dort zulässigen Raucherräumen bedienen und hierbei den Gefahren des Passivrauchens ausgesetzt werden.

Gefährdung durch Passivrauchen auch in Speise­wirt­schaften durch wirksam abgetrennte Raucherräume vermeidbar

Mit dem Schutz der Gesundheit der nichtrauchenden Gäste kann die Ungleich­be­handlung ebenfalls nicht gerechtfertigt werden. Es wurden keine wissen­schaft­lichen Erkenntnisse vorgebracht, nach denen die Verbindung von Essen und Passivrauchen zu einer besonderen Schad­s­toff­be­lastung der nichtrauchenden Gäste führt. Aber selbst wenn man dies unterstellte, ergäbe sich daraus keine Rechtfertigung, den Betreibenden von Speise­wirt­schaften die für andere Gaststätten bestehende Möglichkeit vorzuenthalten, Raucherräume einzurichten. Die Gäste können sich zum Essen in Nicht­rau­cher­be­reichen aufhalten, von denen nach den gesetzlichen Vorgaben die Raucherräume so wirksam abzutrennen sind, dass eine Gefährdung durch Passivrauchen ausgeschlossen wird.

Die Erwägung, dass durch den Ausschluss von Raucherräumen in Speise­gast­stätten eine größere Anzahl von Menschen den Gefahren des Passivrauchens entzogen wird, könnte ebenfalls keinen sachlich vertretbaren Diffe­ren­zie­rungsgrund liefern. Denn das Regelungsziel, die Anzahl der Gelegenheiten zum Rauchen zu reduzieren, stünde in keinem inneren Zusammenhang mit der Unterscheidung von Speise- und Schank­wirt­schaften.

Wirtschaftliche Belastung der Betreiber durch Rauchverbot bei Schank­wirt­schaften nicht erheblich stärker als bei Speise­wirt­schaften

Die Ungleich­be­handlung von Speise- und Schank­gast­stätten ließe sich auch nicht mit einer etwaigen unter­schied­lichen wirtschaft­lichen Betroffenheit durch ein Rauchverbot rechtfertigen. Insoweit fehlt es bereits an einer hinreichenden Tatsa­chen­grundlage. Für den - allein von der Regelung betroffenen - Bereich derjenigen Gaststätten, die über die baulichen Möglichkeiten zur Einrichtung eines Nebenraums für rauchende Gäste verfügen, lässt sich nicht feststellen, dass reine Schank­wirt­schaften typischerweise in erheblichem Umfang wirtschaftlich stärker durch ein Rauchverbot belastet würden als Gaststätten, in denen auch zubereitete Speisen angeboten werden oder angeboten werden dürfen.

Die Annahme einer generell wirtschaftlich stärkeren Belastung der Schank­wirt­schaften im Vergleich zu den Speise­wirt­schaften als Diffe­ren­zie­rungsgrund kann auch nicht auf das Urteil des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richts vom 30. Juli 2008 gestützt werden, mit dem es Regelungen über Rauchverbote in Gaststätten für unvereinbar mit der Berufs­aus­übungs­freiheit erklärt hatte, weil sie die geträn­ke­ge­prägte Klein­ga­s­tronomie unver­hält­nismäßig belasteten. Maßgebend für die Unterscheidung war ausdrücklich nicht die Ausrichtung solcher Eckkneipen bzw. Einraum­gast­stätten als Schank­wirt­schaften, sondern dieser spezielle Gaststät­tentypus, der in besonderer Weise durch rauchende Stammgäste geprägt ist und für den daher bei einem Rauchverbot existentielle Umsatzeinbußen zu befürchten sind. Allein in diesem Zusammenhang wurde das unter­schiedliche gastronomische Angebot als eines von mehreren Unter­schei­dungs­merkmalen herangezogen und bei der Schilderung der Gestal­tungs­mög­lich­keiten des Gesetzgebers wieder aufgenommen.

Quelle: Bundesverfassungsgericht/ra-online

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