18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen das RBB-Sendezentrum, einen dreiteiligen Gebäudekomplex des Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) in Berlin.
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil28.06.2000

Schwer­be­hinderte mit einem Grad der Behinderung von 100 aufgrund neurotischer Störung von Rund­funk­gebühren­pflicht befreitMöglicher Verstoß gegen Grundsatz der verhält­nis­mäßigen Gleich­be­handlung aller Nutzer wegen Befreiung Behinderter

Weist ein Schwer­be­hin­derter einen Grad der Behinderung von 100 auf und beruht dies unter anderem auf eine neurotische Störung, so ist er von der Rund­funk­gebühren­pflicht befreit. Die Befreiung von Behinderten kann aber möglicherweise gegen den Grundsatz der verhält­nis­mäßigen Gleich­be­handlung aller Nutzer verstoßen. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­sozial­gerichts hervor.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Schwer­be­hinderte wies einen Grad der Behinderung von 100 auf, da sie keinen rechten Unterarm mehr hatte und eine psychische Störung aufwies. Die Störung zeichnete sich durch eine ausgeprägte soziale Anpas­sungs­störung, eine Meidung von Menschen und einen sozialen Rückzug aus. Sie beantragte daher die Befreiung von der Rundfunk­ge­büh­ren­pflicht. Da ihr dieses verweigert wurde, erhob sie Klage.

Anspruch auf Befreiung von der Rundfunk­ge­büh­ren­pflicht bestand

Das Bundes­so­zi­al­gericht entschied zu Gunsten der Klägerin. Ihr habe ein Anspruch auf Befreiung von der Rundfunk­ge­büh­ren­pflicht zugestanden. Dies habe sich aus § 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c der Verordnung über die Voraussetzung für die Befreiung von der Rundfunk­ge­büh­ren­pflicht in der Fassung vom 18.03.1993 (RGVO) ergeben. Nach dieser Regelung seien Behinderte mit einem nicht nur vorübergehenden Grad der Behinderung von mindestens 80 von der Rundfunk­ge­büh­ren­pflicht zu befreien, wenn sie wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Für den Behin­der­ten­begriff sei wiederum das Schwer­be­hin­der­ten­gesetz maßgeblich. Nach dessen § 3 Abs. 1 Satz 1 sei eine Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden Funkti­o­ns­be­ein­träch­tigung, die auf einen regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustand beruht. Diese Voraussetzungen seien bei der Klägerin erfüllt gewesen.

Ausschluss psychischer Störungen nicht ersichtlich

Dafür, dass Behinderungen aufgrund psychischer Gesund­heits­s­tö­rungen von der Befreiung ausgeschlossen seien, habe es nach Ansicht des Bundes­so­zi­al­ge­richts keine Anhaltspunkte gegeben. Daher könne grundsätzlich jede Behinderung zur Befreiung von der Rundfunk­ge­büh­ren­pflicht führen.

Möglicher Verstoß gegen Grundsatz der verhält­nis­mäßigen Gleich­be­handlung

Das Bundes­so­zi­al­gericht äußerte jedoch Bedenken dahingehend, dass in der Gebüh­ren­be­freiung für Behinderte ein Verstoß gegen den gebüh­ren­recht­lichen Grundsatz der verhält­nis­mäßigen Gleich­be­handlung aller Nutzer liegen könne. Sollte dies der Fall sein, liege es jedoch in der Hand des Gesetz- bzw. Verord­nungs­gebers dies zu ändern. Die Verwaltung und die Sozialgerichte dürfen jedenfalls nicht über die möglicherweise gegen höherrangiges Recht verstoßende Befreiung von der Rundfunk­ge­büh­ren­pflicht für Behinderte entscheiden. Ihnen obliege es allein über das Vorliegen eines gesund­heit­lichen Merkmals des Befrei­ung­s­tat­be­stands der RVGO zu entscheiden.

Quelle: Bundessozialgericht, ra-online (zt/NJW 2001, 1966/rb)

Urteile sind im Originaltext meist sehr umfangreich und kompliziert formuliert. Damit sie auch für Nichtjuristen verständlich werden, fasst urteile.news alle Entscheidungen auf die wesentlichen Kernaussagen zusammen. Wenn Sie den vollständigen Urteilstext benötigen, können Sie diesen beim jeweiligen Gericht anfordern.

Wenn Sie einen Link auf diese Entscheidung setzen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Adresse zu verwenden: https://urteile.news/Urteil17348

Bitte beachten Sie, dass im Gegensatz zum Verlinken für das Kopieren einzelner Inhalte eine explizite Genehmigung der ra-online GmbH erforderlich ist.

Die Redaktion von urteile.news arbeitet mit größter Sorgfalt bei der Zusammenstellung von interessanten Urteilsmeldungen. Dennoch kann keine Gewähr für Richtigkeit und Vollständigkeit der über uns verbreiteten Inhalte gegeben werden. Insbesondere kann urteile.news nicht die Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin oder einen Rechtsanwalt in einem konkreten Fall ersetzen.

Bei technischen Problemen kontaktieren Sie uns bitte über dieses Formular.

VILI