Sozialgericht Stuttgart Gerichtsbescheid28.02.2012
Rundfunkgebühr: Keine Befreiung trotz 100 %-iger BehinderungTeilnahme eines Schwerbehinderten an öffentlichen Veranstaltungen mit einer Begleitperson zumutbar
Solange ein schwerbehinderter Mensch mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen kann, ist ihm die Teilnahme daran nicht unmöglich. Bei fehlender Verfügbarkeit von Hilfsmitteln oder einer Begleitperson kann er auf die Inanspruchnahme der Sozialdienste verwiesen werden. Bei Harn- und Stuhlinkontinenz ist das Tragen von Windelhosen zumutbar. Die für eine Befreiung von den Rundfunkgebühren notwendige Voraussetzung, dass eine Person wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen kann, ist insoweit nicht erfüllt. Dies entschied das Sozialgericht Stuttgart.
Bei dem 1939 geborenen Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls wurde vom Versorgungsamt im Jahr 2009 wegen Gebrauchseinschränkung beider Beine, Schlaganfallfolgen, operierter arterieller Verschlusskrankheit, Anfallsleidens, hirnorganischen Psychosyndroms, arterieller Verschlusskrankheit beider Beine, Kniegelenksendoprothese beidseits, Herzleistungsminderung, koronarer Herzkrankheit, Stent-Implantation, Bluthochdruck, Prostatavergrößerung und Harninkontinenz ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt. Die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (Merkzeichen "RF") wurde vom Versorgungsamt abgelehnt.
Kläger wird nicht von der Rundfunkgebühr freigesprochen
Diese Entscheidung wurde vom Sozialgericht Stuttgart mit der Begründung bestätigt, dass eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nur für schwerbehinderte Menschen möglich sei, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Dies sei bei dem Kläger nicht der Fall, da er trotz seiner zahlreichen schwerwiegenden Gesundheitsstörungen, auch trotz seiner Gehbehinderung und seines Anfallsleidens, mit technischen Hilfsmitteln und mit Hilfe einer Begleitperson in zumutbarer Weise öffentliche Veranstaltungen aufsuchen könne, gegebenenfalls sei die Hilfe von Sozialdiensten in Anspruch zu nehmen. Auch die vorliegende Harn- und Stuhlinkontinenz stehe dem Besuch öffentlicher Veranstaltungen nicht generell entgegen, da insoweit das Tragen von Windelhosen zumutbar sei.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 15.08.2012
Quelle: Sozialgericht Stuttgart/ra-online