21.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil14.11.2013

Unfall eines Postzustellers im Rahmen von Hospitations- und Probe­a­r­beitstagen ist als Arbeitsunfall anzuerkennenAuch bei lediglich in Aussicht gestellten Abschluss eines Arbeits­ver­trages kann Arbeits­ver­hältnis vorliegen

Wird ein angehender Postzusteller, während der Postzustellung im Rahmen von Hospitations- bzw. Probe­a­r­beitstagen von einem Hund angesprungen und dabei verletzt, ist dieser Unfall als Arbeitsunfall anzuerkennen. Eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S 1 SGB IV liegt hierbei ungeachtet des Umstandes vor, dass der Abschluss eines Arbeits­ver­trages bis zum Unfallzeitpunkt lediglich in Aussicht gestellt worden war. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­sozial­gerichts hervor.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls bewarb sich als Empfänger von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aus eigener Initiative bei der T GmbH um eine Stelle als Briefausträger. Daraufhin wurde vereinbart, dass er vom 15. bis zum 17. Oktober 2009 jeweils 6 Stunden täglich als Postzusteller ohne Anspruch auf ein Entgelt eingesetzt werden sollte. Außerdem wurde der Abschluss eines schriftlichen Arbeits­ver­trages für den 22. Oktober 2009 in Aussicht gestellt.

Berufs­ge­nos­sen­schaft lehnt Anerkennung des Unfalls als Arbeitsunfall ab

Am 15. und 16. Oktober 2009 stellte der Kläger die Post nach Einweisung ihn begleitender anderer Mitarbeiter der T GmbH zu. Am Morgen des 17. Oktober 2009 erhielt er zunächst ein Dienstfahrrad, Dienstkleidung und zwei am Fahrrad zu befestigende Taschen mit Post, die er ohne Begleitung eigenständig austragen sollte. Nachdem der Kläger etwa die Hälfte der zuzustellenden Post verteilt hatte, wurde er von einem Hund angesprungen. Er rutschte mit dem Fahrrad weg, stürzte und zog sich dabei einen komplizierten Schie­n­bein­kopfbruch zu. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte es ab, dieses Geschehen als Arbeitsunfall anzuerkennen, weil der Kläger zum Unfallzeitpunkt weder als Beschäftigter noch als sog Wie-Beschäftigter versichert gewesen sei.

Vorinstanzen bejahen Vorliegen eines Arbeitsunfalls

Das Sozialgericht Hamburg hat die Verwal­tungs­ent­scheidung aufgehoben und festgestellt, dass das Ereignis vom 17. Oktober 2009 ein Arbeitsunfall ist. Das Landes­so­zi­al­gericht Hamburg hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen, weil der Kläger zum Unfallzeitpunkt Beschäftigter im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gewesen sei. Spätestens am 17. Oktober 2009 sei er mit der Anweisung, die Post in Dienstkleidung in einem bestimmten Bezirk zuzustellen, in die Arbeits­or­ga­ni­sation der T GmbH eingegliedert und deren Weisungsrecht in Bezug auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeits­aus­führung unterstellt gewesen. Allein wegen des eigen­wirt­schaft­lichen Motivs des Klägers, eine Festanstellung zu erreichen, könne nicht von der Anbahnung eines späteren potentiellen Beschäf­ti­gungs­ver­hält­nisses ausgegangen werden.

Berufs­ge­nos­sen­schaft verweist auf Handeln des Klägers aus eigen­wirt­schaft­licher Motivation

Mit der vom Landes­so­zi­al­gericht zugelassenen Revision rügt die Beklagte die Verletzung des § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII. Auch am 17. Oktober 2009 habe der Kläger mit der eigen­wirt­schaft­lichen Motivation gehandelt, eine Festanstellung zu erreichen. Bei Hospitations- und Probe­a­r­beitstagen im Rahmen eines laufenden Bewer­bungs­ver­fahrens mangele es regelmäßig an der betrieblichen Eingliederung. Eine Person, die im Wesentlichen allein eigene Angelegenheiten verfolge, sei auch nicht wie ein Beschäftigter tätig.

Unter­neh­mens­zu­ge­hö­rigkeit des Klägers wurde durch Übergabe von Dienstfahrrad und Dienstkleidung nach Außen dokumentiert

Die Revision der Beklagten hatte vor dem Bundes­so­zi­al­gericht keinen Erfolg. Der Kläger erlitt am 17. Oktober 2009 einen Arbeitsunfall. Er war insbesondere als Beschäftigter versichert, als er an diesem Tag beim Austragen von Post von einem Hund angesprungen wurde. Eine Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 S 1 SGB IV lag dabei ungeachtet des Umstandes vor, dass der Abschluss eines Arbeits­ver­trages lediglich in Aussicht gestellt worden war. Dem Kläger war nach den maßgeblichen Feststellungen des Berufungs­ge­richts jedenfalls ein Dienstfahrrad und Dienstkleidung übergeben worden, sodass seine Unter­neh­mens­zu­ge­hö­rigkeit nach Außen dokumentiert war. In der Übergabe von Post zur Verteilung innerhalb eines festgelegten Zeitraums in einem bestimmten Gebiet kommt zudem eine Weisungs­ge­bun­denheit in Bezug auf Zeitpunkt, Ort und Dauer zum Ausdruck, der sich der Kläger verein­ba­rungsgemäß auch unterworfen hat. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die unfallbringende Verrichtung des Klägers nicht deshalb dem unversicherten eigen­wirt­schaft­lichen Bereich zuzuordnen, weil sie im Zusammenhang mit der Arbeitssuche oder Verhandlungen über den Abschluss eines Arbeits­ver­trages gestanden hat. Jedenfalls am Unfalltag ging es auch nicht mehr allein darum, die persönliche und fachliche Eignung festzustellen.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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