Im zugrunde liegenden Fall begehrte ein im Jahr 1970 geborener allein stehender Mann (Kläger) Arbeitslosengeld II. Das zuständige Amt ging davon aus, dass der Mann nicht hilfebedürftig sei, weil er über Geldvermögen verfüge.
Der Kläger erlitt im Mai 1985 einen Verkehrsunfall. Hierfür erhielt er vom Verursacher des Unfalls Schmerzensgeldzahlungen. Von 1988 bis 1991 absolvierte er eine Lehre als Bauzeichner; in der Folgezeit war er überwiegend arbeitslos. Die Bundesagentur hob 1999 die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe auf, weil der Kläger über ein Vermögen in Höhe von 155.040 DM verfügt habe und deshalb nicht bedürftig gewesen sei. Im nachfolgenden Klageverfahren wurde festgestellt, dass ein Sparkonto über 103.148 DM aus der Schmerzensgeldzahlung resultierte und deshalb von dem restlichen Vermögen nach Abzug des Freibetrags nur ein Betrag von 43.890 DM zu berücksichtigen sei. Der Kläger schloss danach mit der BA einen Vergleich, wonach die Bewilligung der Arbeitslosenhilfe nur für einen Zeitraum von knapp 12 Monaten zurückgenommen wurde. Im Übrigen verblieb es bei der Leistungsbewilligung. Der Kläger bezog danach bis zum 31.12.2004 weiterhin Arbeitslosenhilfe.
Mit dem Antrag auf Gewährung von Arbeitslosengeld II legte der Kläger Unterlagen über Geldanlagekonten in Höhe von insgesamt 29.783,47 € vor. Daneben verfügte er über zwei Lebensversicherungen, in die er bei einem Rückkaufswert von 9.104 € insgesamt 12.449,10 € bzw. bei einem Rückkaufswert von 951,30 € 1.661,40 € einbezahlt hatte. Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Arbeitslosengeld II mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen in Höhe von 29.783,47 €.
Das Sozialgericht hatte die Klage abgewiesen; das Landessozialgericht hatte das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeitslosengeld II zu gewähren. Zur Begründung hatte es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass eine Verwertung des Vermögens eine besondere Härte i. S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II bedeuten würde. Es sei glaubhaft und nachgewiesen, dass dieses Vermögen auf den Schmerzensgeldzahlungen der Versicherung beruhe.
Das Bundessozialgericht wies die Revision der Beklagten wurde zurück. Das Landessozialgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger ab 01.01.2005 ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zusteht. Die Hilfebedürftigkeit des Klägers wird nicht durch vorhandenes Vermögen ausgeschlossen. Soweit das vorhandene Vermögen aus einer Schmerzensgeldzahlung herrührt, wäre die Verwertung für den Kläger eine besondere Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 2. Alternative SGB II.
Das Bundessozialgericht folgte nicht der Auffassung des Revisionsgegners, wonach das Schmerzensgeld zeitnah zur Kompensation der immateriellen Schäden eingesetzt werden müsse. Denn das Schmerzensgeld sei jeweils in seiner ganzen noch vorhandenen Höhe geschützt. Auch "angespartes" Schmerzensgeld sei insofern gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II privilegiert. Es liege innerhalb der Dispositionsfreiheit des Geschädigten, wie er mit den aus einem Schadensereignis resultierenden Beträgen zum Ausgleich des immateriellen Schadens umgehe (zur vergleichbaren Wertung bei "angespartem" Blindengeld vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 20/06 R -).
Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II seien auch die vorhandenen Lebensversicherungen des Hilfeempfängers - nicht - zu berücksichtigen, da ihre Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich sei. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit liege dann vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermögensgegenstandes stehe.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 08.09.2008
Quelle: ra-online