23.11.2024
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Dokument-Nr. 6646

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Urteil15.04.2008BundessozialgerichtB 14/7b AS 6/07 R
Vorinstanzen:
  • Sozialgericht Landshut, Gerichtsbescheid30.11.2005, S 7 AS 16/05
  • Bayerisches Landessozialgericht, Urteil31.08.2006, L 7 AS 3/06
ergänzende Informationen

Bundessozialgericht Urteil15.04.2008

Arbeits­lo­sengeld II: Keine Anrechnung von SchmerzensgeldBesondere Härte

Empfänger von Arbeits­lo­sengeld II müssen sich Vermögen aus einer Schmer­zens­geld­zahlung nicht anrechnen lassen. Dies hat das Bundes­so­zi­al­gericht (BSG) entschieden. Die Anrechnung würde eine besondere Härte darstellen und ist daher ausgeschlossen.

Im zugrunde liegenden Fall begehrte ein im Jahr 1970 geborener allein stehender Mann (Kläger) Arbeits­lo­sengeld II. Das zuständige Amt ging davon aus, dass der Mann nicht hilfebedürftig sei, weil er über Geldvermögen verfüge.

Schmerzensgeld aus Unfall

Der Kläger erlitt im Mai 1985 einen Verkehrsunfall. Hierfür erhielt er vom Verursacher des Unfalls Schmer­zens­geld­zah­lungen. Von 1988 bis 1991 absolvierte er eine Lehre als Bauzeichner; in der Folgezeit war er überwiegend arbeitslos. Die Bundesagentur hob 1999 die Bewilligung von Arbeits­lo­senhilfe auf, weil der Kläger über ein Vermögen in Höhe von 155.040 DM verfügt habe und deshalb nicht bedürftig gewesen sei. Im nachfolgenden Klageverfahren wurde festgestellt, dass ein Sparkonto über 103.148 DM aus der Schmer­zens­geld­zahlung resultierte und deshalb von dem restlichen Vermögen nach Abzug des Freibetrags nur ein Betrag von 43.890 DM zu berücksichtigen sei. Der Kläger schloss danach mit der BA einen Vergleich, wonach die Bewilligung der Arbeits­lo­senhilfe nur für einen Zeitraum von knapp 12 Monaten zurückgenommen wurde. Im Übrigen verblieb es bei der Leistungs­be­wil­ligung. Der Kläger bezog danach bis zum 31.12.2004 weiterhin Arbeits­lo­senhilfe.

Mit dem Antrag auf Gewährung von Arbeits­lo­sengeld II legte der Kläger Unterlagen über Geldan­la­ge­konten in Höhe von insgesamt 29.783,47 € vor. Daneben verfügte er über zwei Lebens­ver­si­che­rungen, in die er bei einem Rückkaufswert von 9.104 € insgesamt 12.449,10 € bzw. bei einem Rückkaufswert von 951,30 € 1.661,40 € einbezahlt hatte. Die Beklagte lehnte die Bewilligung von Arbeits­lo­sengeld II mit der Begründung ab, der Kläger verfüge über verwertbares Vermögen in Höhe von 29.783,47 €.

Das Sozialgericht hatte die Klage abgewiesen; das Landes­so­zi­al­gericht hatte das erstin­sta­nzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Arbeits­lo­sengeld II zu gewähren. Zur Begründung hatte es im Wesentlichen darauf abgestellt, dass eine Verwertung des Vermögens eine besondere Härte i. S. des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II bedeuten würde. Es sei glaubhaft und nachgewiesen, dass dieses Vermögen auf den Schmer­zens­geld­zah­lungen der Versicherung beruhe.

BSG: Verwertung des Schmer­zens­geld­ver­mögens würde besondere Härte darstellen

Das Bundes­so­zi­al­gericht wies die Revision der Beklagten wurde zurück. Das Landes­so­zi­al­gericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger ab 01.01.2005 ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebens­un­terhalts zusteht. Die Hilfe­be­dürf­tigkeit des Klägers wird nicht durch vorhandenes Vermögen ausgeschlossen. Soweit das vorhandene Vermögen aus einer Schmer­zens­geld­zahlung herrührt, wäre die Verwertung für den Kläger eine besondere Härte i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6, 2. Alternative SGB II.

Auch angespartes Schmerzensgeld ist geschützt

Das Bundes­so­zi­al­gericht folgte nicht der Auffassung des Revisi­ons­gegners, wonach das Schmerzensgeld zeitnah zur Kompensation der immateriellen Schäden eingesetzt werden müsse. Denn das Schmerzensgeld sei jeweils in seiner ganzen noch vorhandenen Höhe geschützt. Auch "angespartes" Schmerzensgeld sei insofern gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II privilegiert. Es liege innerhalb der Dispo­si­ti­o­ns­freiheit des Geschädigten, wie er mit den aus einem Schaden­se­r­eignis resultierenden Beträgen zum Ausgleich des immateriellen Schadens umgehe (zur vergleichbaren Wertung bei "angespartem" Blindengeld vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 20/06 R -).

Lebens­ver­si­che­rungen können wegen Unwirt­schaft­lichkeit nicht verwertet werden

Gemäß § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II seien auch die vorhandenen Lebens­ver­si­che­rungen des Hilfeempfängers - nicht - zu berücksichtigen, da ihre Verwertung offensichtlich unwirt­schaftlich sei. Eine offensichtliche Unwirt­schaft­lichkeit liege dann vor, wenn der zu erzielende Gegenwert in einem deutlichen Missverhältnis zum wirklichen Wert des zu verwertenden Vermö­gens­ge­gen­standes stehe.

Quelle: ra-online

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