21.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil19.08.2015

Vorzeitige Verrentung von SGB II-Leistungs­be­ziehern rechtmäßigInanspruchnahme vorzeitiger Altersrente führt zur Beseitigung der Hilfe­be­dürf­tigkeit nach dem SGB II

Die Verpflichtung für einen Bezieher von SGB II-Leistungen einen Antrag auf vorzeitige Altersrente stellen zu müssen, kann rechtmäßig sein. Dies entschied das Bundes­so­zi­al­gericht und verwies darauf, dass die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente erforderlich sein kann, um der Hilfe­be­dürf­tigkeit nach dem SGB II entge­gen­zu­wirken.

Der im März 1950 geborene Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens bezog mit seiner Ehefrau als Bedarfs­ge­mein­schaft Arbeits­lo­sengeld II vom beklagten Jobcenter. Er konnte in den letzten Jahren nicht mehr in Arbeit vermittelt werden. Seine renten­rechtliche Situation stellt sich wie folgt dar: Mit Vollendung seines 63. Lebensjahres kann der Kläger eine vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen, die nach der gesetzlichen Regelung für jeden Kalendermonat einer vorzeitigen Inanspruchnahme um ,3 % zu kürzen ist. Erst zum 1. August 2015 erfüllt er die Voraussetzungen für den Bezug einer abschlagsfreien Regel­al­tersrente. Diese beträgt nach einer Auskunft des Renten­ver­si­che­rungs­trägers vom 31. Mai 2011 monatlich 924,66 Euro.

Jobcenter verlangt von Kläger vorzeitige Beantragung von Altersrente

Das beklagte Jobcenter forderte den Kläger unter Hinweis auf dessen durch § 12 a SGB II konkretisierte Selbst­hil­fe­ver­pflichtung im September 2012 auf, einen Antrag auf vorzeitige Altersrente beginnend ab Vollendung seines 63. Lebensjahres beim Renten­ver­si­che­rungs­träger - Deutsche Renten­ver­si­cherung Rheinland - zu stellen. Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos. Die Vorinstanzen hielten seine Aufforderung zur Antragstellung, die als Verwaltungsakt erfolgt sei, durch das Jobcenter für rechtmäßig.

Jobcenter stellt eigenmächtig für Kläger Antrag auf vorzeitige Altersrente

Während des gegen die Aufforderung zur Rente­n­an­trag­stellung laufenden Klageverfahrens hat das Jobcenter am 8. Juli 2013 unter Berufung auf § 5 Absatz 3 Satz 1 SGB II für den Kläger bei der Deutschen Renten­ver­si­cherung einen Antrag auf vorzeitige Altersrente gestellt. Gegen den wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers erteilten ablehnenden Bescheid des Renten­ver­si­che­rungs­trägers hat das Jobcenter während des Revisi­ons­ver­fahrens Widerspruch eingelegt.

Gesetzliche Voraussetzungen für Rente­n­an­trag­stellung erfüllt

Das Bundes­so­zi­al­gericht hat auf die Revision des Klägers am 19. August 2015 entschieden, dass die angefochtene Aufforderung zur Rente­n­an­trag­stellung rechtmäßig ist. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§ 5 Absatz 3 Satz 1 in Verbindung mit § 12 a SGB II) sind erfüllt. Danach kann der SGB II-Leistungsträger der Leistungs­be­rechtigte seiner Verpflichtung zur Inanspruchnahme vorrangiger Leistungen eines anderen Trägers nicht nach, ihn zur Beantragung dieser Leistungen auffordern und bei unterbliebener Mitwirkung für den Leistungs­be­rech­tigten den Antrag stellen. Zu den vorrangigen Leistungen gehört grundsätzlich auch die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente nach Vollendung des 63. Lebensjahres trotz der mit ihr verbundenen dauerhaften Rentenabschläge. Die Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente durch den Kläger ist erforderlich, weil dies zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II führt. Der Verpflichtung des Klägers steht die Verordnung zur Vermeidung unbilliger Härten durch Inanspruchnahme einer vorgezogenen Altersrente nicht entgegen, weil keiner der in der Unbil­lig­keits­ver­ordnung abschließend geregelten Ausnah­me­tat­be­stände eingreift. Im Rahmen seiner Ermes­sens­ausübung hinsichtlich des Ob einer Aufforderung zur Antragstellung hat sich der Beklagte mit den vom Kläger gegen eine vorzeitige Rente­n­i­n­an­spruchnahme vorgebrachten Argumenten auseinander gesetzt und andere Gründe für ein Abweichen vom gesetzlichen Regelfall der vorzeitigen Inanspruchnahme nicht erkennen können. Ermessensfehler sind insoweit nicht ersichtlich. Sie drängen sich auch für den Senat nicht auf, zumal die vorzeitige Altersrente trotz der Abschläge erheblich höher als der Arbeits­lo­sengeld II-Bedarf des Klägers ist, weshalb er durch deren Bezug nicht hilfebedürftig im Sinne des SGB XII würde.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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