24.11.2024
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Bundessozialgericht Urteil01.03.2011

BSG: Festbeträge für Choles­te­r­in­senker Sortis rechtmäßigGebildete Festbe­trags­gruppe gewährleistet unein­ge­schränkte Thera­pie­mög­lich­keiten und Bereitstellung und medizinisch notwendiger Verord­nung­s­al­ter­nativen

Die Festsetzung von Festbeträgen für das choles­te­r­in­senkende Arzneimittel Sortis ist rechtmäßig. Das Medikament ist im Vergleich zu anderen Arzneimitteln der Gruppe weder vorteilhafter, noch ist eine therapeutische Verbesserung durch die Verabreichung von Sortis belegt. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­so­zi­al­ge­richts hervor.

Im zugrunde liegenden Fall stritten ein Versicherter und zwei Arznei­mit­tel­her­steller jeweils gegen die Festbe­trags­fest­setzung für das choles­te­r­in­senkende Arzneimittel Sortis. Es enthält den noch unter Patentschutz stehenden Wirkstoff Atorvastatin, ein Statin. Statine dienen insbesondere dazu, den LDL-Cholesterin-Spiegel im Blut zu senken. Sie hemmen die Wirkung des Schlüsselenzyms für die körpereigene Choles­te­rin­pro­duktion (HMG-CoA-Reduktase). Sortis wurde Ende 1996 als Arzneimittel unter anderem zur Anwendung bei primärer und kombinierter Hyper­cho­les­te­rinämie zugelassen. Hierfür sind auch die übrigen Arzneimittel zugelassen, die als Wirkstoff ein Statin enthalten.

Spitzenverbände der Krankenkassen setzten Festbetrag für choles­te­r­in­senkende Arzneimittel fest

Der Gemeinsame Bundesausschuss fasste diese Arzneimittel 2004 in einer Festbe­trags­gruppe zusammen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen setzten mit Wirkung vom 1. Januar 2005 einen Festbetrag von 62,55 Euro für choles­te­r­in­senkende Arzneimittel fest (Gruppe der HMG-CoA-Reduktasehemmer). Sie senkten den Festbetrag in der Folgezeit mehrfach ab: Mit Wirkung vom 1. April 2006 auf 59,42 Euro; mit Wirkung vom 1. Juli 2006 auf 36,61 Euro und nach Änderung der Vergleichs­größen in der betroffenen Festbe­trags­gruppe mit Wirkung vom 1. Juni 2008 auf 13,48 Euro. Klage und Berufung der pharma­zeu­tischen Unternehmen und des Versicherten, der sich auf Sortis angewiesen sieht und ohne Begrenzung auf den Festbetrag hiermit versorgt werden will, sind ohne Erfolg geblieben.

Verbesserte Thera­pie­mög­lich­keiten durch Verabreichung von Sortis nicht belegt

Das Bundes­so­zi­al­gericht entschied, dass die Festbeträge für Choles­te­r­in­senker rechtmäßig sind. Keiner der Kläger kann die Aufhebung der Festbeträge verlangen. Die Festbe­trags­gruppe war zu Recht ausgehend vom Inhalt der arznei­mit­tel­recht­lichen Zulassung gebildet. Bestünde eine Studienlage, die für die Gruppenbildung bedeutsame Thera­pie­hinweise, Verord­nungs­ein­schrän­kungen oder ausschlüsse rechtfertigte, wäre zwar diese maßgeblich, eine solche liegt aber für Statine nicht vor. Die fünf betroffenen Statine sind pharmakologisch-therapeutisch vergleichbar. Die gebildete Festbe­trags­gruppe gewährleistet, dass Thera­pie­mög­lich­keiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verord­nung­s­al­ter­nativen zur Verfügung stehen. Sortis ist im Vergleich zu anderen Arzneimitteln der Gruppe nicht vorteilhafter. Seine Wirkungsweise ist im Rechtssinne nicht neuartig. Eine therapeutische Verbesserung durch Sortis ist nicht belegt. Die ermittelten Vergleichs­größen und die festgesetzten Festbeträge stehen mit Bundesrecht in Einklang.

Hinweis zur Rechtslage

§ 35 SGB V idF des GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) lautet auszugsweise:

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6, für welche Gruppen von Arzneimitteln Festbeträge festgesetzt werden können. In den Gruppen sollen Arzneimittel mit

1. denselben Wirkstoffen,

2. pharmakologisch-therapeutisch vergleichbaren Wirkstoffen, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen,

3. therapeutisch vergleichbarer Wirkung, insbesondere Arznei­mit­tel­kom­bi­na­tionen, zusammengefasst werden; unter­schiedliche Biover­füg­ba­r­keiten wirkstoff­gleicher Arzneimittel sind zu berücksichtigen, sofern sie für die Therapie bedeutsam sind. Die nach Satz 2 Nr. 2 und 3 gebildeten Gruppen müssen gewährleisten, dass Thera­pie­mög­lich­keiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verord­nung­s­al­ter­nativen zur Verfügung stehen; ausgenommen von diesen Gruppen sind Arzneimittel mit patent­ge­schützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist und die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten. Als neuartig gilt ein Wirkstoff, solange derjenige Wirkstoff, der als erster dieser Gruppe in Verkehr gebracht worden ist, unter Patentschutz steht. Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt auch die nach Absatz 3 notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichs­größen.

(1a) Für Arzneimittel mit patent­ge­schützten Wirkstoffen kann abweichend von Absatz 1 Satz 4 eine Gruppe nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 mit mindestens drei Arzneimitteln gebildet und ein Festbetrag festgesetzt werden, sofern die Gruppenbildung nur für Arzneimittel erfolgt, die jeweils unter Patentschutz stehen. Ausgenommen von der Gruppenbildung nach Satz 1 sind Arzneimittel mit patent­ge­schützten Wirkstoffen, die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten.

(2) Sachver­ständigen der medizinischen und pharma­zeu­tischen Wissenschaft und Praxis sowie der Arznei­mit­tel­her­steller und der Berufs­ver­tre­tungen der Apotheker ist vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben; bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Thera­pie­rich­tungen sind auch Stellungnahmen von Sachver­ständigen dieser Thera­pie­rich­tungen einzuholen. Die Stellungnahmen sind in die Entscheidung einzubeziehen.

(3) Die Spitzenverbände der Krankenkassen setzen gemeinsam und einheitlich den jeweiligen Festbetrag auf der Grundlage von rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichs­größen fest. Die Spitzenverbände der Krankenkassen gemeinsam können einheitliche Festbeträge für Verbandmittel festsetzen. Für die Stellungnahmen der Sachver­ständigen gilt Absatz 2 entsprechend.

(4) …

(5) Die Festbeträge sind so festzusetzen, dass sie im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie haben Wirtschaft­lich­keits­re­serven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versor­gungs­mög­lich­keiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arznei­mit­te­l­auswahl sicherzustellen. Die Festbeträge sind mindestens einmal im Jahr zu überprüfen; sie sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen. Der Festbetrag für die Arzneimittel in einer Festbe­trags­gruppe nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 soll den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten Preis und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen. Bei der Berechnung nach Satz 4 sind hochpreisige Packungen mit einem Anteil von weniger als 1 vom Hundert an den verordneten Packungen in der Festbe­trags­gruppe nicht zu berücksichtigen. Für die Zahl der Verordnungen sind die zum Zeitpunkt des Berech­nungs­stichtages zuletzt verfügbaren Jahresdaten des Arznei­mit­te­l­indexes der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung zu Grunde zu legen.

§ 35 SGB V idF des AVWG vom 26.4.2006 (BGBl I 984) lautet auszugsweise (Änderungen fett):

(1) Die nach Satz 2 Nr. 2 und 3 gebildeten Gruppen müssen gewährleisten, dass Thera­pie­mög­lich­keiten nicht eingeschränkt werden und medizinisch notwendige Verord­nung­s­al­ter­nativen zur Verfügung stehen; ausgenommen von diesen Gruppen sind Arzneimittel mit patent­ge­schützten Wirkstoffen, deren Wirkungsweise neuartig ist oder die eine therapeutische Verbesserung, auch wegen geringerer Nebenwirkungen, bedeuten. Als neuartig gilt ein Wirkstoff, solange derjenige Wirkstoff, der als erster dieser Gruppe in Verkehr gebracht worden ist, unter Patentschutz steht. Der Gemeinsame Bundesausschuss ermittelt auch die nach Absatz 3 notwendigen rechnerischen mittleren Tages- oder Einzeldosen oder anderen geeigneten Vergleichs­größen. Für die Vorbereitung der Beschlüsse nach Satz 1 durch die Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses gilt § 106 Abs. 4a Satz 3 und 7 entsprechend. Soweit der Gemeinsame Bundesausschuss Dritte beauftragt, hat er zu gewährleisten, dass diese ihre Bewer­tungs­grundsätze und die Begründung für ihre Bewertungen einschließlich der verwendeten Daten offen legen. Die Namen beauftragter Gutachter dürfen nicht genannt werden.

(1a) Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für Arznei­mit­tel­kom­bi­na­tionen, die Wirkstoffe enthalten, die in eine Festbe­trags­gruppe nach Absatz 1 oder 1a Satz 1 einbezogen sind oder die nicht neuartig sind.

(1b) Eine therapeutische Verbesserung nach Absatz 1 Satz 3 zweiter Halbsatz und Absatz 1a Satz 2 liegt vor, wenn das Arzneimittel einen thera­pie­re­le­vanten höheren Nutzen als andere Arzneimittel dieser Wirkstoffgruppe hat und deshalb als zweckmäßige Therapie regelmäßig oder auch für relevante Patien­ten­gruppen oder Indika­ti­o­ns­be­reiche den anderen Arzneimitteln dieser Gruppe vorzuziehen ist. Bewertungen nach Satz 1 erfolgen für gemeinsame Anwen­dungs­gebiete der Arzneimittel der Wirkstoffgruppe. Ein höherer Nutzen nach Satz 1 kann auch eine Verringerung der Häufigkeit oder des Schweregrads thera­pie­re­le­vanter Nebenwirkungen sein. Der Nachweis einer therapeutischen Verbesserung erfolgt aufgrund der Fachin­for­ma­tionen und durch Bewertung von klinischen Studien nach methodischen Grundsätzen der evidenz­ba­sierten Medizin, soweit diese Studien allgemein verfügbar sind oder gemacht werden und ihre Methodik internationalen Standards entspricht. Vorrangig sind klinische Studien, insbesondere direkte Vergleichs­s­tudien mit anderen Arzneimitteln dieser Wirkstoffgruppe mit patien­ten­re­le­vanten Endpunkten, insbesondere Mortalität, Morbidität und Lebensqualität, zu berücksichtigen. Die Ergebnisse der Bewertung sind in der Begründung zu dem Beschluss nach Absatz 1 Satz 1 fachlich und methodisch aufzubereiten, sodass die tragenden Gründe des Beschlusses nachvollziehbar sind. Vor der Entscheidung sind die Sachver­ständigen nach Absatz 2 auch mündlich anzuhören. Vorbehaltlich einer abweichenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses aus wichtigem Grund ist die Begründung des Beschlusses bekannt zu machen, sobald die Vorlage nach § 94 Abs. 1 erfolgt, spätestens jedoch mit Bekanntgabe des Beschlusses im Bundesanzeiger. Ein Arzneimittel, das von einer Festbe­trags­gruppe freigestellt ist, weil es einen thera­pie­re­le­vanten höheren Nutzen nur für einen Teil der Patienten oder Indika­ti­o­ns­be­reiche des gemeinsamen Anwen­dungs­ge­bietes nach Satz 1 hat, ist nur für diese Anwendungen wirtschaftlich; das Nähere ist in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 zu regeln.

(5) Die Festbeträge sind so festzusetzen, daß sie im allgemeinen eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche sowie in der Qualität gesicherte Versorgung gewährleisten. Sie haben Wirtschaft­lich­keits­re­serven auszuschöpfen, sollen einen wirksamen Preiswettbewerb auslösen und haben sich deshalb an möglichst preisgünstigen Versor­gungs­mög­lich­keiten auszurichten; soweit wie möglich ist eine für die Therapie hinreichende Arznei­mit­te­l­auswahl sicherzustellen. Die Festbeträge sind mindestens einmal im Jahr zu überprüfen; sie sind in geeigneten Zeitabständen an eine veränderte Marktlage anzupassen. Der Festbetrag für die Arzneimittel in einer Festbe­trags­gruppe nach Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 sowie erstmals zum 1. April 2006 auch nach den Nummern 2 und 3 soll den höchsten Abgabepreis des unteren Drittels des Intervalls zwischen dem niedrigsten und dem höchsten Preis einer Standardpackung nicht übersteigen. Dabei müssen mindestens ein Fünftel aller Verordnungen und mindestens ein Fünftel aller Packungen zum Festbetrag verfügbar sein; zugleich darf die Summe der jeweiligen Vomhundertsätze der Verordnungen und Packungen, die nicht zum Festbetrag erhältlich sind, den Wert von 160 nicht überschreiten. Bei der Berechnung nach Satz 4 sind hochpreisige Packungen mit einem Anteil von weniger als 1 vom Hundert an den verordneten Packungen in der Festbe­trags­gruppe nicht zu berücksichtigen. Für die Zahl der Verordnungen sind die zum Zeitpunkt des Berech­nungs­stichtages zuletzt verfügbaren Jahresdaten des Arznei­mit­te­l­indexes der gesetzlichen Kranken­ver­si­cherung zu Grunde zu legen.

Quelle: Bundessozialgericht/ra-online

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