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Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss06.12.2011

Festbetrag für Antidepressivum-Arzneimittel mit Wirkstoff Escitalopram vorläufig gekipptBeschluss des Gemeinsamen Bundesausschuss scheidet aufgrund von Beurtei­lungs­fehlern als rechtmäßige Grundlage für Festbe­trags­fest­setzung aus

Das Landes­so­zi­al­gericht Berlin-Brandenburg hat die Festbe­trags­fest­setzung für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Escitalopram vorläufig ausgesetzt, da der Beschluss zur Neubildung einer Festbe­trags­gruppe des Gemeinsamen Bundesausschuss aufgrund von Beurtei­lungs­fehlern als rechtmäßige Grundlage für Festbe­trags­fest­setzung ausscheidet. Das Gericht sieht in der Festbe­trags­fest­setzung eine offensichtliche Rechts­wid­rigkeit, da die Bewertung des Gemeinsamen Bundes­aus­schusses zur therapeutischen Verbesserung durch den Wirkstoff Escitalopram nicht nachvollziehbar ist.

Der Gemeinsame Bundesausschuss beschloss am 17. Februar 2011 u. a. die Neubildung einer Festbe­trags­gruppe „Selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer, Gruppe 1“ der Stufe II nach § 35 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Sozial­ge­setzbuch 5. Buch (SGB V; „pharmakologisch-therapeutisch vergleichbare Wirkung, insbesondere mit chemisch verwandten Stoffen“), bestehend aus den Wirkstoffen Citalopram und Escitalopram. Beide Wirkstoffe dienen primär der Behandlung der Depression. Sie gehören zur Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI).

Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen beschloss darauf aufbauend am 2. Mai 2011 für diese Festbe­trags­gruppe einen Festbetrag von 15,01 Euro. Der Beschluss wurde im Bundesanzeiger Nr. 71 vom 10. Mai 2011 bekannt gegeben.

Klageerhebung gegen Festsetzung eines Festbetrags für Escitalopram

Die Antragstellerin, die in Deutschland Arzneimittel mit dem Wirkstoff Escitalopram vertreibt, erhob hiergegen am 19. Mai 2011 Klage vor dem hiesigen Landes­so­zi­al­gericht. Zusätzlich hat sie im Wege vorläufigen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung dieser Klage beantragt, soweit darin ein Festbetrag für Escitalopram festgesetzt wird.

LSG setzt Festbe­trags­fest­setzung für Arzneimittel vorläufig aus

Das Landes­so­zi­al­gericht Berlin-Brandenburg hat diesem Begehren vorläufigen Rechtsschutzes in vollem Umfang entsprochen. Es hat damit die Festbe­trags­fest­setzung für Arzneimittel mit dem Wirkstoff Escitalopram vorläufig ausgesetzt.

Gericht verneint Sofortvollzug der Festbe­trags­fest­setzung

Zur Begründung führte das Gericht aus, das Interesse der Antragstellerin überwiege das an sich von Gesetzes wegen vermutete Interesse am Sofortvollzug der Festbe­trags­fest­setzung. Denn es sei jedenfalls derzeit von deren Rechts­wid­rigkeit auszugehen. Der Beschluss des beigeladenen Gemeinsamen Bundesausschuss leide nämlich an Beurtei­lungs­fehlern und scheide deshalb als rechtmäßige Grundlage der Festbe­trags­fest­setzung aus, auch wenn der Gemeinsame Bundesausschuss nach Korrektur der festgestellten Mängel im Rahmen seines Beurtei­lungs­spiel­raumes möglicherweise zum selben Ergebnis (Bildung einer Festbe­trags­gruppe aus Escitalopram und Citalopram unter Festsetzung der gleichen Wirkstär­ken­ver­gleichsgröße) gelangen könne. Da dadurch der Wettbewerb zwischen den Arznei­mit­tel­her­stellern verfälscht werde, verletze die Festbe­trags­fest­setzung die Antragstellerin in ihrem Teilhaberecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (Gleich­be­hand­lungsgebot) in Verbindung mit Art. 12 GG (Berufsfreiheit).

Begündungen für Verbesserung der Behandlung von Depressionen mit Escitalopram nicht nachvollziehbar

Konkret zeigten sich Beurtei­lungs­fehler des Beigeladenen im Zusammenhang mit seiner Bewertung, dem Wirkstoff Escitalopram eine therapeutische Verbesserung der Behandlung der Depression im Sinne des § 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 2 SGB V abzusprechen. Die Begründung sei zumindest nicht nachvollziehbar, wie dies das SGB V in § 35 Abs. 1b S. 5 SGB V fordere. Auch sei die Annahme des Beigeladenen, der Wirkstoff Escitalopram dürfe zusammen mit dem Wirkstoff Citalopram in einer Festbe­trags­gruppe zusammengefasst werden, weil Thera­pie­mög­lich­keiten dadurch nicht eingeschränkt würden (§ 35 Abs. 1 S. 3 Hs. 1 SGB V), aufgrund einer fehlerhafter Beurtei­lungs­grundlage ergangen.

Quelle: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg/ra-online

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