21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil05.03.2008

Kosten für ganztägigen Kinder­gar­ten­besuch begründen Mehrbedarf des KindesNur halbtägiger Aufenthalt muss vom laufenden Kindesunterhalt bezahlt werden

Wer Unterhalt für das beim anderen Elternteil lebende Kind zahlen muss, muss auch Zusatzkosen übernehmen, die durch einen Ganz­tags­kinder­garten entstehen. Dies hat der Bundes­ge­richtshof entschieden. Die Richter führten aus, dass der Regelunterhalt nur einen Halb­tags­kinder­garten­platz umfasst. Die Mehrausgaben für einen Ganztagsplatz stellen so genannten Mehrbedarf dar.

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich mit der Frage zu befassen, ob der Beitrag für den ganztägigen Kinder­gar­ten­besuch einen Mehrbedarf des Kindes begründet und der barun­ter­halts­pflichtige Elternteil hierfür aufzukommen hat.

Der Beklagte ist der Vater der am 21. August 2001 nichtehelich geborenen Klägerin. Er ist verheiratet und hat noch drei eheliche Kinder. Durch Jugend­amts­urkunde hat er sich verpflichtet, der Klägerin ab ihrer Geburt monatlichen Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrags der jeweiligen Altersstufe zu zahlen. Die Klägerin, deren Mutter erwerbstätig ist, besucht ganztags einen Kindergarten. Sie macht für die Zeit ab Juli 2004 einen Anspruch auf Mehrbedarf in Höhe des Kinder­gar­ten­beitrags von etwa 90 € monatlich (ohne Essensgeld) geltend. Der Beklagte hat sich u. a. auf fehlende Leistungs­fä­higkeit berufen.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

OLG verneint Mehrbedarf - Mehrkosten sind berufsbedingter Aufwand der Mutter

Das Oberlan­des­gericht hat einen über den titulierten Unterhalt hinausgehenden Anspruch auf Zahlung weiteren Unterhalts in Höhe der durch den Kinder­gar­ten­besuch entstehenden Kosten verneint. Es hat die Auffassung vertreten, die Kosten für den halbtägigen Besuch des Kindergartens würden durch den vom Kläger gezahlten Unterhalt zuzüglich des auf ihn entfallenden Kinder­geldanteils gedeckt. Soweit darüber hinaus Kosten für den ganztägigen Besuch der Einrichtung entstünden, handele es sich um berufsbedingten Aufwand der Mutter. Denn das Kind besuche insoweit den Kindergarten, damit die Mutter einer vollschichtigen Erwer­b­s­tä­tigkeit nachgehen könne.

BGH: ganztägiger Kinder­gar­ten­besuch ist Mehrbedarf - Kinder­gar­ten­besuch dient Erzie­hungs­zwecken

Der Senat hat demgegenüber entschieden, dass die für den Kinder­gar­ten­besuch anfallenden Kosten zum Bedarf eines Kindes zu rechnen sind und grundsätzlich keine berufsbedingten Aufwendungen des betreuenden Elternteils darstellen. Wesentlich ist insofern, dass der Kinder­gar­ten­besuch unabhängig davon, ob er halb oder ganztags erfolgt, in erster Linie erzieherischen Zwecken dient. Die Aufwendungen hierfür sind deshalb zum Lebensbedarf eines Kindes zu rechnen, der auch die Kosten der Erziehung umfasst.

Einen Mehrbedarf, d.h. einen über den titulierten laufenden Unterhalt hinausgehenden Bedarf, begründen die Kinder­gar­ten­kosten allerdings nicht in vollem Umfang. Soweit sie für den halbtägigen Besuch anfallen, der heutzutage die Regel ist, sind sie – bei sozia­l­ver­träg­licher Kosten­ge­staltung - grundsätzlich in dem laufenden Kindesunterhalt enthalten, falls dieser das Existenzminimum für ein Kind dieses Alters nicht unterschreitet. Das ist bei Anwendung des bisherigen Rechts, auf dessen Grundlage der Unterhalt in Höhe von 100 % des Regelbetrages tituliert worden ist, hier nicht der Fall.

Einen Mehrbedarf stellen regelmäßig deshalb allein diejenigen Kosten dar, die den Aufwand für den halbtätigen Kinder­gar­ten­besuch übersteigen. Insofern ist dem Grunde nach ein Anspruch des Kindes gegeben, für den allerdings grundsätzlich nicht der barun­ter­halts­pflichtige Elternteil allein, sondern beide Eltern anteilig nach ihren Einkom­mens­ver­hält­nissen aufzukommen haben.

Die Sache war deshalb an das Oberlan­des­gericht zurück­zu­ver­weisen, das die erforderlichen Feststellungen zur Leistungs­fä­higkeit des Beklagten und zu einer etwaigen Betei­li­gungsquote der Mutter nachzuholen haben wird.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 48/08 des BGH vom 06.03.2008

der Leitsatz

BGB § 1610 Abs. 2

Die für den Kinder­gar­ten­besuch anfallenden Kosten sind unabhängig davon, ob die Einrichtung halb- oder ganztags besucht wird, zum Bedarf eines Kindes zu rechnen. Einen Mehrbedarf des Kindes begründeten diese Kosten für die Zeit bis zum 31. Dezember 2007 grundsätzlich aber nur insoweit, als sie den Aufwand für den halbtägigen Kinder­gar­ten­besuch überstiegen. Im übrigen waren die Kosten regelmäßig in dem laufenden Kindesunterhalt enthalten, falls dieser das Existenzminimum für ein Kind dieses Alters deckte (im Anschluss an Senatsurteil vom 14. März 2007 - XII ZR 158/04 - FamRZ 2007, 882 ff.). Diese Beurteilung ist jedenfalls vorerst auch für Alttitel gerechtfertigt, bei denen die Berechnung nach der Überg­angs­re­gelung des Art. 36 Nr. 3 lit. a EGZPO den bisherigen Zahlbetrag sichert.

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