Dem Fall lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Beklagten mieteten in einem gewerblich genutzten Gebäude Räume für eine heilgymnastische Massagepraxis an. Im selben Gebäude vermietete der Kläger Räume an ein Massageinstitut. Das Institut lag innerhalb einer Sperrbezirksverordnung, die in bestimmten Bereichen zum Schutz öffentlicher Belange Prostitutionsbetriebe verbietet. Die Beklagten minderten ihre Miete mit der Begründung, bei dem Institut handele es sich um ein Bordell. Dies stelle einen Mangel der Mietsache dar. Dies akzeptierte der Kläger nicht und klagte auf Zahlung der rückständigen Miete. Das Amtsgericht Wiesbaden gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten führte zur Abweisung der Klage. Dagegen richtete sich die Revision des Klägers.
Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten des Klägers und hob das Urteil des Berufungsgerichts auf. Er führte zur Begründung zunächst aus, dass das Berufungsgericht den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör verletzt habe. Denn es habe dem Vortrag des Klägers zu den im Massageinstitut angebotenen Dienstleistungen und den hierzu angebotenen Beweisen keine Beachtung geschenkt. Es sei von einem bordellartigen Betrieb ausgegangen, ohne in der Urteilsbegründung darzulegen, worauf diese Feststellung beruhe. Mit dem umfassenden Vorbringen des Klägers habe es sich nicht auseinandergesetzt. Damit habe es an einer tragfähigen Grundlage zur Entscheidung gefehlt, ob ein Mangel der Mietsache im Sinne von § 536 Abs. 1 Satz 1 und 3 BGB vorliege.
Darüber hinaus sei nach Auffassung des BGH die Annahme des Berufungsgerichts falsch, die Mietsache sei durch den Betreib eines Bordells mit einem Mangel behaftet gewesen. Ein Abstellen allein auf die bloße Vermietung der Räume an ein Bordell genüge nicht zur Annahme eines Mangels.
Grundsätzlich bestimmen die Vertragsparteien durch die Festlegung des dem Mieter jeweils geschuldeten vertragsgemäßen Gebrauchs, welchen Zustand die vermietete Sache aufweisen müsse, so der BGH weiter. Liege aber keine ausdrückliche Regelung zum "Soll-Zustand" vor, müsse anhand von Auslegungsregeln geprüft werden, was der Vermieter schulde. Dabei sei die Verkehrsanschauung als Auslegungshilfe heranzuziehen (BGH, Urt. v. 07.06.2006 - XII ZR 34/04 = NJW-RR 2006, 1157). Daher habe ein Mieter ohne vertragliche Vereinbarung in der Regel keinen Anspruch gegen den Vermieter, einen bestimmten "Mietermix" oder ein bestimmtes "Milieuniveau" zu bewahren. Dennoch könne dem Vermieter von Gewerberäumen die Verpflichtung treffen, den Mieter vor Störungen des vertragsgemäßen Gebrauchs durch die Geschäftstätigkeit anderer Mitmieter zu schützen. Ein Mangel liege in einem solchen Fall dann vor, wenn bei dem Mieter eine konkrete und mehr als nur unerhebliche Beeinträchtigung des vertragsgemäßen Gebrauchs eintrete. Eine abstrakte Gefahr dazu genüge daher nicht.
Nach Ansicht des BGH habe sich das Berufungsgericht darauf beschränkt, bei Bejahung des Mangels, auf die abstrakten Gefahren und Begleiterscheinungen, die sich durch die Vermietung von Räumlichkeiten zum Betrieb eines Bordells ergeben können, abzustellen. Es habe keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Betrieb des Massageinstituts konkrete Auswirkungen auf die Praxistätigkeit der Beklagten hatte. Das Berufungsgericht sei somit zu Unrecht von einem Mangel der Mietsache ausgegangen.
Der Verweis auf die Schaffung von Sperrbezirksverordnungen genüge nicht zur Begründung einer unmittelbaren Beeinträchtigung, so der BGH weiter. Denn aus dem Zweck der abstrakt-generellen Regelung einer Sperrbezirksverordnung könne ohne weitere Feststellung nicht auf eine konkrete Beeinträchtigung des Mietgebrauchs eines gewerblichen Mieters durch ein Bordell in demselben Gebäude geschlossen werden.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 29.11.2012
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)