21.11.2024
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Bundesgerichtshof Beschluss06.09.2017

Frau-zu-Mann-Transsexueller gilt rechtlich als Mutter eines von ihm geborenen KindesAuch nach Änderung der elterlichen Geschlechts­zugehörigkeit bleibt durch Geburt oder Zeugung festgelegter rechtlicher Status als Mutter oder Vater des Kindes bestehen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass ein Frau-zu-Mann-Transsexueller, der nach der rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über die Änderung seiner Geschlechts­zugehörigkeit ein Kind geboren hat, im Rechtssinne als Mutter des Kindes anzusehen ist.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Der Beteiligte zu 1 ist transsexuell. Er wurde im Jahr 1982 als Kind weiblichen Geschlechts geboren; ihm wurden die weiblichen Vornamen "B.D." erteilt. Im November 2008 schloss der Beteiligte zu 1 die Ehe mit einem Mann. Im Jahr 2010 wurden die Vornamen des Beteiligten zu 1 durch gerichtliche Entscheidung in die männlichen Vornamen "O.G." geändert. Im April 2011 wurde durch eine weitere gerichtliche Entscheidung festgestellt, dass der Beteiligte zu 1 als dem männlichen Geschlecht zugehörig anzusehen ist. Die Ehe des Beteiligten zu 1 wurde im Februar 2013 rechtskräftig geschieden. Im März 2013 gebar der Beteiligte zu 1 das betroffene Kind. Er hat hierzu vorgebracht, nach Zuerkennung des männlichen Geschlechts die Hormone abgesetzt zu haben und wieder fruchtbar geworden zu sein. Das Kind sei durch eine Samenspende ("Bechermethode") entstanden; mit dem Samenspender sei vereinbart worden, dass dieser nicht rechtlicher Vater des Kindes werde.

Betroffener möchte als "Vater" des Kindes in Gebur­ten­re­gister eingetragen werden

Das Standesamt hat das Amtsgericht um Entscheidung gebeten, wie die Geburt des Kindes im Geburtenregister zu beurkunden sei. Das Amtsgericht hat das Standesamt angewiesen, den Beteiligten zu 1 als "Mutter" in das Gebur­ten­re­gister einzutragen, und zwar mit seinen früher geführten weiblichen Vornamen "B.D." Die dagegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 1 hat das Kammergericht zurückgewiesen. Mit ihren Rechts­be­schwerden möchten der Beteiligte zu 1 und das von ihm vertretene Kind erreichen, dass der Beteiligte zu 1 als "Vater" des Kindes mit seinen aktuell geführten männlichen Vornamen "O.G." in das Gebur­ten­re­gister eingetragen wird.

Rechts­ver­hältnis zwischen Transsexuellem und seinen Kindern bleibt unberührt

Der Bundes­ge­richtshof bestätigte die Entscheidung des Kammergerichts. Zwar richten sich die vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten ab Rechtskraft der Entscheidung, dass ein Transsexueller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, gemäß § 10 Abs. 1 TSG nach dem neuen Geschlecht, wenn durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. Nach § 11 Satz 1 TSG lässt eine solche Entscheidung das Rechts­ver­hältnis zwischen ihm und seinen Kindern allerdings unberührt. Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Vorschrift des § 11 Satz 1 TSG auch für solche leiblichen Kinder eines Transsexuellen gilt, die erst nach der Entscheidung über die Änderung der elterlichen Geschlechts­zu­ge­hö­rigkeit geboren worden sind. Durch die Regelung wird gewährleistet, dass der biologisch durch Geburt oder Zeugung festgelegte rechtliche Status als Mutter oder Vater des Kindes gesichert und einer Veränderung nicht zugänglich ist.

Mutterschaft und Vaterschaft sind als rechtliche Kategorien nicht beliebig untereinander austauschbar

Die gesetzliche Regelung ist auch nicht verfas­sungs­widrig, insbesondere werden die Persön­lich­keits­rechte des transsexuellen Elternteils nicht dadurch verletzt, dass ihm das Abstam­mungsrecht eine rechtliche Elternrolle zuweist, die seinem selbst­emp­fundenen und rechtlich zugewiesenen Geschlecht nicht entspricht. Wie das Bundes­ver­fas­sungs­gericht bereits ausgesprochen hat, ist es ein berechtigtes Anliegen des Gesetzgebers, Kinder ihren biologischen Eltern auch rechtlich so zuzuweisen, dass ihre Abstammung nicht im Widerspruch zu den biologischen Tatsachen auf zwei rechtliche Mütter oder Väter zurückgeführt wird. Eine davon abweichende Eltern-Kind-Zuordnung hätte weitreichende Folgen für die Rechtsordnung. Mutterschaft (§ 1591 BGB) und Vaterschaft (§ 1592 BGB) sind als rechtliche Kategorien nicht beliebig untereinander austauschbar, weil sie sich sowohl hinsichtlich der Voraussetzungen ihrer Begründung als auch hinsichtlich der daran anknüpfenden Rechtsfolgen - beispielsweise bezüglich des Sorgerechts unverheirateter Eltern - voneinander unterscheiden. Die Zuordnung zum Kind kann für einen gebärenden Frau-zu-Mann-Transsexuellen systemgerecht nur auf eine Mutterschaft zurückgeführt werden, weil er das Kind geboren hat. Auch das verfas­sungs­rechtlich geschützte Recht des Kindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung wäre betroffen, wenn das Abstam­mungsrecht und die darauf beruhenden Eintragungen in die Gebur­ten­re­gister nicht zutreffend klarstellen würden, auf welche Fortpflan­zungs­funktion (Geburt oder Zeugung) es die konkrete Eltern-Kind-Zuordnung zurückführt.

Gebur­ten­re­gister als auch Geburtsurkunden sollen von Hinweisen auf Transsexualität eines Elternteils freigehalten werden

Dass die Eintragung als "Mutter" in das Gebur­ten­re­gister darüber hinaus mit den früher geführten weiblichen Vornamen vorzunehmen ist, ergibt sich aus § 5 Abs. 3 TSG. Sowohl das Gebur­ten­re­gister als auch die aus dem Gebur­ten­re­gister erstellten Geburtsurkunden sollen von Hinweisen auf die Transsexualität eines Elternteils freigehalten werden. Damit verfolgt der Gesetzgeber den legitimen Zweck, es den Kindern später zu ermöglichen, ihre Herkunft mit Gebur­ten­re­gis­te­r­ein­trägen und Geburtsurkunden nachweisen zu können, deren Inhalt einem Dritten keinen Anlass zu Spekulationen über die Transsexualität seiner Eltern bietet.

§ 10 TSG Wirkungen der Entscheidung

(1) Von der Rechtskraft der Entscheidung an, dass der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, richten sich seine vom Geschlecht abhängigen Rechte und Pflichten nach dem neuen Geschlecht, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. [...]

§ 11 TSG Eltern-Kind-Verhältnis

1 Die Entscheidung, dass der Antragsteller als dem anderen Geschlecht zugehörig anzusehen ist, lässt das Rechts­ver­hältnis zwischen dem Antragsteller und seinen Eltern sowie zwischen dem Antragsteller und seinen Kindern unberührt, bei angenommenen Kindern jedoch nur, soweit diese vor Rechtskraft der Entscheidung als Kind angenommen worden sind. [...]

§ 1591 BGB Mutterschaft

Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.

§ 1592 BGB Vaterschaft

Vater eines Kindes ist der Mann,

1. der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist,

2. der die Vaterschaft anerkannt hat oder

3. dessen Vaterschaft nach § 1600 d oder § 182 Abs. 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit gerichtlich festgestellt ist.

§ 5 TSG Offen­ba­rungs­verbot

[...]

(3) In dem Geburtseintrag eines leiblichen Kindes des Antragstellers oder eines Kindes, das der Antragsteller vor der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 angenommen hat, sind bei dem Antragsteller die Vornamen anzugeben, die vor der Rechtskraft der Entscheidung nach § 1 maßgebend waren.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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