21.11.2024
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Bundesgerichtshof Beschluss20.03.2019

Anwendung deutschen Rechts: Leihmutter ist rechtliche Mutter eines in der Ukraine geborenen KindesGewöhnlicher Aufenthaltsort für rechtliche Abstammung entscheidend

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass auf die rechtliche Abstammung eines in der Ukraine von einer Leihmutter geborenen Kindes deutsches Recht Anwendung findet, wenn das Kind entsprechend dem überein­stim­menden Willen aller beteiligten Personen ohne vorherige Abstammungs­entscheidung alsbald nach der Geburt rechtmäßig nach Deutschland verbracht worden ist.

Dem Verfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Beteiligten zu 1 und 2 sind in Deutschland lebende Ehegatten deutscher Staatsangehörigkeit. Nach den Feststellungen des Oberlan­des­ge­richts wurde in der Ukraine eine mit dem Sperma des Ehemanns befruchtete Eizelle der Ehefrau der ukrainischen Leihmutter eingesetzt. Diese gebar im Dezember 2015 in Kiew das betroffene Kind.

Standesamt zur Korrektur des Gebur­ten­re­gisters und Eintragung der Leihmutter anstelle der Ehefrau als Mutter des Kindes angewiesen

Bereits vor der Geburt hatte der Ehemann vor der Deutschen Botschaft in Kiew die Vaterschaft mit Zustimmung der Leihmutter anerkannt. Das ukrainische Standesamt registrierte nach der Geburt die deutschen Ehegatten als Eltern und stellte eine entsprechende Geburtsurkunde aus. Nachdem die Ehegatten mit dem Kind nach Deutschland zurückgekehrt waren, wurde auf ihren Antrag im Januar 2016 die Auslandsgeburt entsprechend der ukrainischen Geburtsurkunde beurkundet. Erst aufgrund eines später eingegangenen und ebenfalls auf die Beurkundung der Auslandsgeburt gerichteten Antrags der Deutschen Botschaft in Kiew ergab sich für das Standesamt, dass das Kind von einer Leihmutter geboren wurde. Auf Antrag der Standes­amts­aufsicht hat sodann das Amtsgericht das Standesamt angewiesen, den Eintrag im Geburtenregister zu berichtigen und anstelle der Ehefrau die Leihmutter als Mutter des Kindes einzutragen. Das Oberlan­des­gericht wies die Beschwerde der Ehegatten zurück. Dagegen richtete sich deren Rechts­be­schwerde.

BGH: Auf rechtliche Abstammung ist deutsches Recht anzuwenden

Der Bundes­ge­richtshof hat die Entscheidung des Oberlan­des­ge­richts im Ergebnis bestätigt und entschieden, dass auf die rechtliche Abstammung das deutsche Recht anzuwenden ist. Danach ist als Mutter des Kindes die Leihmutter einzutragen, weil nach § 1591 BGB Mutter eines Kindes die Frau ist, die es geboren hat. Die davon abweichende bloße Registrierung in der Ukraine ist hierfür nicht maßgeblich.

Abstammung eines Kindes unterliegt Recht des Staates des gewöhnlichen Aufent­haltsortes des Kindes

Nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB unterliegt die Abstammung eines Kindes dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Sie kann im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. Ist die Mutter verheiratet, so kann die Abstammung ferner nach dem sogenannten Ehewir­kungs­statut bestimmt werden. Die aufgeführten Alternativen stehen in keinem Rangverhältnis zueinander, sondern sind einander gleichwertig. Während die beiden erstgenannten Alternativen (Aufent­halts­statut und Heimatrecht der Eltern) grundsätzlich wandelbar sind, ist die dritte Alternative (Ehewir­kungs­statut) auf einen festen Zeitpunkt, nämlich den Zeitpunkt der Geburt des Kindes, bezogen. Daraus folgt, dass die Voraussetzungen der ersten beiden Alternativen bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung zu beurteilen sind.

Bloß vorübergehender Aufenthalt in anderem Staat begründet dort noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt

Weil die Ehegatten deutsche Staatsangehörige sind und ihren ständigen Aufenthalt in Deutschland haben, könnte sich eine Mutterschaft der Ehefrau nur aus einer Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes ergeben, wenn danach das ukrainische Recht anwendbar wäre, das eine Leihmutterschaft anerkennt. Nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs ist der gewöhnliche Aufenthalt der Schwerpunkt der Bindungen der betroffenen Person, ihr Daseins­mit­telpunkt. Dieser ist aufgrund der gegebenen tatsächlichen Umstände zu beurteilen und muss auf eine gewisse Dauer angelegt sein. Ein bloß vorübergehender Aufenthalt in einem anderen Staat begründet dort noch keinen gewöhnlichen Aufenthalt. Bei minderjährigen Kindern, insbesondere bei Neugeborenen, ist vorwiegend auf die Bezugspersonen des Kindes, die es betreuen und versorgen, sowie deren soziales und familiäres Umfeld abzustellen.

Kind hatte in der Ukraine nur einfachen, nicht aber gewöhnlichen Aufenthalt

Nach diesen Maßstäben hat das betroffene Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Es entsprach von vornherein der überein­stim­menden Absicht aller an der Leihmut­ter­schaft Beteiligten, dass das Kind alsbald nach der Geburt mit den Ehegatten nach Deutschland gelangen und dort dauerhaft bleiben sollte. Zudem ist die rechtliche Vaterstellung des Ehemanns unzweifelhaft gegeben, weil dieser sowohl nach ukrainischem als auch - aufgrund der Anerkennung - nach deutschem Recht rechtlicher Vater des Kindes ist. Aufgrund der rechtlichen Vaterschaft des Ehemanns besitzt das Kind auch die deutsche Staats­an­ge­hö­rigkeit und hält sich somit rechtmäßig in Deutschland auf. Da das Kind zuvor in der Ukraine nur seinen einfachen, nicht aber seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, konnte dort keine rechtliche Mutterschaft der Ehefrau begründet werden, die einen Aufent­halts­wechsel nach Deutschland hätte überdauern können.

Die von den Beteiligten gewünschte rechtliche Mutterschaft der Ehefrau kann daher nur durch ein Adopti­o­ns­ver­fahren erreicht werden.

Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 1591 BGB:

Mutter eines Kindes ist die Frau, die es geboren hat.

Art. 19 EGBGB:

(1) 1Die Abstammung eines Kindes unterliegt dem Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. 2Sie kann im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört. 3Ist die Mutter verheiratet, so kann die Abstammung ferner nach dem Recht bestimmt werden, dem die allgemeinen Wirkungen ihrer Ehe bei der Geburt nach Artikel 14 Absatz 2 unterliegen; ist die Ehe vorher durch Tod aufgelöst worden, so ist der Zeitpunkt der Auflösung maßgebend.

(2) [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online (pm)

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