21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil25.10.2011

BGH verneint Anrechnung von Bestand­s­pro­vi­sionen nach dem Einla­gen­si­cherungs- und Anlege­rent­schä­di­gungs­gesetz für Phoenix-AnlegerProvi­si­ons­an­spruch der Phoenix Kapitaldienst GmbH aufgrund ihres grob vertrags­widrigen Verhaltens verwirkt

Kapitalanleger müssen sich im Falle der Insolvenz eines Wertpa­pier­han­dels­un­ter­nehmens von der Entschä­di­gungs­ein­richtung der Wertpa­pier­han­dels­un­ter­nehmen dann keine Provi­si­ons­ansprüche des Wertpa­pier­han­dels­un­ter­nehmens entgegenhalten lassen, wenn dieses die Ansprüche nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB verwirkt hat. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

In dem zugrunde liegenden Fall nimmt die Klägerin die beklagte Entschä­di­gungs­ein­richtung der Wertpa­pier­han­dels­un­ter­nehmen auf Entschädigung nach dem Einla­gen­si­cherungs- und Anlege­rent­schä­di­gungs­gesetz in Anspruch. Die Klägerin beteiligte sich im April 1998 und Februar 2002 mit einem Anlagebetrag von insgesamt 27.295,41 Euro einschließlich Agio an dem Phoenix Managed Account, einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung von insgesamt ca. 30.000 Anlegern verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand die Anlage der Kundengelder in Termin­ge­schäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Speku­la­ti­o­ns­zwecken war. Die Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen der Phoenix Kapitaldienst GmbH sahen unter anderem vor, dass ihr eine Verwal­tungs­gebühr von ,5 % pro Monat von dem jeweiligen Vermögensstand des Phoenix Managed Account als Bestand­s­pro­vision zustehen sollte. Spätestens seit 1998 legte die Phoenix Kapitaldienst GmbH jedoch nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Geldern vertragsgemäß in Termin­ge­schäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines "Schnee­ba­ll­systems" für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet.

Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungen untersagt weiteren Geschäfts­betrieb der Phoenix Kapitaldienst GmbH

Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanz­dienst­leis­tungen der Phoenix Kapitaldienst GmbH den weiteren Geschäfts­betrieb und stellte am 15. März 2005 den Entschä­di­gungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der Phoenix Kapitaldienst GmbH das Insol­venz­ver­fahren eröffnet. Auf den von der Entschä­di­gungs­ein­richtung - nach Abzug von Agio, Handelsverlust und Bestand­s­pro­vi­sionen - errechneten "Endstand der Beteiligung" der Klägerin von 21.618,45 Euro leistete sie im Jahr 2009 eine Teilent­schä­digung von 12.732,75 Euro und behielt den Restbetrag wegen möglicher Ausson­de­rungs­rechte der Klägerin an den auf den (Treuhand-)Konten noch vorhandenen Geldern ein. Mit der Klage hat die Klägerin von der Beklagten nach Abzug des gesetzlichen Selbstbehalts von 10 % eine restliche Entschä­di­gungs­leistung von 6.723,86 Euro verlangt.

Entscheidungen der Vorinstanzen

Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht der Klägerin den Zahlungs­an­spruch nur in Höhe von 3.384,17 Euro, d.h. in Höhe von 90 % der abgezogenen Bestand­s­pro­vi­sionen, zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nachdem die Beklagte aufgrund eines Schreibens vom 18. Juli 2011 der Klägerin eine weitere Teilent­schä­digung von 6.723,86 Euro gezahlt hat, hat die Klägerin den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt. Da sich die Beklagte der Erledi­gungs­er­klärung nicht angeschlossen hat, kam es weiterhin darauf an, ob die Klage ursprünglich begründet war.

BGH: Klägerin muss sich vertraglich vereinbarte Bestand­s­pro­vi­sionen nicht anrechnen lassen

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision der Beklagten zurückgewiesen; auf die Anschluss­re­vision der Klägerin hat er unter Aufhebung des Berufungs­urteils und Abänderung des landge­richt­lichen Urteils festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Er hat die Auffassung des Kammergerichts bestätigt, nach der sich die Klägerin die vertraglich vereinbarten Bestand­s­pro­vi­sionen nicht anrechnen lassen muss. Dabei handelt es sich nämlich um eigenständige Ansprüche des Wertpa­pier­han­dels­un­ter­nehmens, die nicht bereits bei der Feststellung der Höhe und des Umfangs der Verbind­lich­keiten aus Wertpa­pier­ge­schäften i. S. d. § 1 Abs. 4 Satz 1 des Einla­gen­si­cherungs- und Anlege­rent­schä­di­gungs­ge­setzes* (EAEG) zu berücksichtigen sind, sondern dem Anleger nur nach § 4 Abs. 1 Satz 1 EAEG** im Wege der Aufrechnung entge­gen­ge­halten werden können. Dies ist vorliegend jedoch ausgeschlossen, weil die Phoenix Kapitaldienst GmbH aufgrund ihres grob vertrags­widrigen Verhaltens ihren Provi­si­ons­an­spruch nach dem Rechtsgedanken des § 654 BGB verwirkt hat. Demgegenüber hatte die Anschluss­re­vision der Klägerin mit dem geänderten Antrag in vollem Umfang Erfolg. In Anknüpfung an die Urteile vom 20. September 2011 hat der Bundes­ge­richtshof den von der Klägerin geltend gemachten Entschä­di­gungs­an­spruch dem Grunde und der Höhe nach als begründet, insbesondere auch als fällig angesehen.

*§ 1 Abs. 4 Satz 1 des Einla­gen­si­cherungs- und Anlege­rent­schä­di­gungs­ge­setzes lautet:

Verbind­lich­keiten aus Wertpa­pier­ge­schäften im Sinne dieses Gesetzes sind die Verpflichtungen eines Instituts zur Rückzahlung von Geldern, die Anlegern aus Wertpa­pier­ge­schäften geschuldet werden oder gehören und die für deren Rechnung im Zusammenhang mit Wertpa­pier­ge­schäften gehalten werden.

**§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Einla­gen­si­cherungs- und Anlege­rent­schä­di­gungs­ge­setzes lautet:

Der Entschä­di­gungs­an­spruch des Gläubigers des Instituts richtet sich nach Höhe und Umfang der Einlagen des Gläubigers oder der ihm gegenüber bestehenden Verbind­lich­keiten aus Wertpa­pier­ge­schäften unter Berück­sich­tigung etwaiger Aufrechnungs- und Zurück­be­hal­tungs­rechte des Instituts.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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