21.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 24501

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Urteil04.07.2017BundesgerichtshofXI ZR 562/15 und XI ZR 233/16
Vorinstanzen zu XI ZR 562/15:
  • Landgericht Hannover, Urteil04.06.2015, 3 O 354/14
  • Oberlandesgericht Celle, Urteil02.12.2015, 3 U 113/15
Vorinstanzen zu XI ZR 233/16:
  • Landgericht Hamburg, Urteil01.12.2015, 328 O 474/14
  • Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg, Urteil27.04.2016, 13 U 2/16
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil04.07.2017

Banken dürfen auch von Unternehmen keine Bearbeitungs­gebühren für Darle­hens­verträge verlangenBGH zur Zulässigkeit formularmäßig vereinbarter Bearbeitungs­entgelte bei Unter­neh­mer­da­rlehen

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die von Banken vorformulierten Bestimmungen über ein laufzeit­unabhängiges Bearbei­tungs­entgelt in Darle­hens­ver­trägen, die zwischen Kredi­t­in­stituten und Unternehmern geschlossen wurden, unwirksam sind.

Nachdem sich das Verfahren XI ZR 436/16 vor dem Termin durch Anerkenntnis der beklagten Bank erledigt hatte, war nur noch in den Verfahren XI ZR 562/15 und XI ZR 233/16 zu entscheiden. In diesen beiden Verfahren sind die Darlehensnehmer Unternehmer im Sinne des § 14 BGB*. Die mit den jeweiligen Banken geschlossenen Darle­hens­verträge enthalten Formu­la­r­klauseln, wonach der Darlehensnehmer ein laufzei­t­u­n­ab­hängiges "Bearbei­tungs­entgelt" bzw. eine "Bearbei­tungs­gebühr" zu entrichten hat. Gegenstand der Klagen ist die Rückzahlung dieses Entgelts, weil die angegriffenen Klauseln nach Ansicht der Kläger unwirksam sind. Während die Klage im Verfahren XI ZR 562/15 in den Vorinstanzen erfolgreich war, wurde die Klage in dem Verfahren XI ZR 233/16 von den Vorinstanzen abgewiesen.

Vertrags­klauseln halten Inhalts­kon­trolle nicht stand

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass es sich bei den angegriffenen Klauseln um sogenannte Preis­ne­be­n­a­breden handelt, die der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB** unterliegen. Die Klauseln halten dieser Inhalts­kon­trolle nicht stand. Die Vereinbarung laufzei­t­u­n­ab­hängiger Bearbei­tungs­entgelte ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren, weshalb gemäß § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB im Zweifel eine unangemessene Benachteiligung des Vertrags­partners anzunehmen ist. Auch bei den vorliegenden Unter­neh­mer­da­r­le­hens­ver­trägen gibt es keine Gründe, die diese gesetzliche Vermutung widerlegen würden. Insbesondere kann die Angemessenheit eines laufzei­t­u­n­ab­hängigen Bearbei­tungs­entgelts nicht mit eventuell hieraus resultierenden steuerlichen Vorteilen auf der Seite eines unter­neh­me­rischen Kreditnehmers begründet werden.

Bearbei­tungs­entgelte nicht mit "Handelsbrauch" zu rechtfertigen

Die streitigen Klauseln halten auch bei angemessener Berück­sich­tigung der im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche nach § 310 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB*** der Inhalts­kon­trolle nicht stand. Soweit die beklagten Banken die Vereinbarung laufzei­t­u­n­ab­hängiger Bearbei­tungs­entgelte mit einem entsprechenden Handelsbrauch gerechtfertigt haben, stützt ihr Sachvortrag das Bestehen eines solchen Handelsbrauches nicht. Die Angemessenheit der Klauseln lässt sich auch nicht mit Besonderheiten des kaufmännischen Geschäfts­verkehrs rechtfertigen. Soweit hierzu eine geringere Schutz­be­dürf­tigkeit und eine stärkere Verhand­lungsmacht von Unternehmern im Vergleich zu Verbrauchern angeführt werden, wird übersehen, dass der Schutzzweck des § 307 BGB, die Inanspruchnahme einseitiger Gestal­tungsmacht zu begrenzen, auch zugunsten eines - informierten und erfahrenen - Unternehmers gilt. Dass ein Unternehmer möglicherweise eine sich aus verschiedenen Entgelt­kom­po­nenten ergebende Gesamtbelastung besser abschätzen kann, belegt nicht die Angemessenheit der Klausel bei Verwendung gegenüber Unternehmern. Denn die Inhalts­kon­trolle soll allgemein vor Klauseln schützen, bei denen das auf einen gegenseitigen Inter­es­se­n­aus­gleich gerichtete dispositive Gesetzesrecht durch einseitige Gestal­tungsmacht des Klausel­ver­wenders außer Kraft gesetzt wird. Es gibt keinen Anhalt dafür, dass Kreditinstitute gegenüber Unternehmern keine solche einseitige Gestal­tungsmacht in Anspruch nehmen könnten. Auf ein gesteigertes wirtschaft­liches Verständnis von Unternehmern kommt es bei den vorliegenden Klauseln nicht an, weil sie von einem Verbraucher ebenso wie von einem Unternehmer ohne Weiteres zu verstehen sind.

Klageerhebung zur Rückforderung von Bearbei­tungs­ent­gelten zumutbar

Im Hinblick auf die in beiden Verfahren erhobene Einrede der Verjährung gelten die Grundsätze, die der Bundes­ge­richtshof mit Urteil vom 28. Oktober 2014 zu Verbrau­cher­da­rlehen aufgestellt hat, ebenso für Unter­neh­mer­da­rlehen. Auch Unternehmern war mit Ablauf des Jahres 2011 die Erhebung einer auf die Rückforderung von Bearbei­tungs­ent­gelten gerichteten Klage zumutbar.

Entscheidung des BGH

Hiervon ausgehend hat der Bundes­ge­richtshofs das Urteil des Oberlan­des­ge­richts Celle in dem Verfahren XI ZR 562/15 weitgehend bestätigt und nur in Bezug auf einen Teil der geltend gemachten Zinsen zum Nachteil des Klägers abgeändert. In dem Verfahren XI ZR 233/16 ist das Urteil des Oberlan­des­ge­richts Hamburg aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlan­des­gericht zurückverwiesen worden, weil das Oberlan­des­gericht weitere Feststellungen treffen muss, damit über die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung und über die vom Kläger eingeklagten Zinsen abschließend entschieden werden kann.

*§ 14 BGB Unternehmer

(1) Unternehmer ist eine natürliche oder juristische Person oder eine rechtsfähige Perso­nen­ge­sell­schaft, die bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt.

(2) [...]

**§ 307 BGB Inhalts­kon­trolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

***§ 310 BGB Anwen­dungs­bereich

(1) § 305 Abs. 2 und 3, § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 finden keine Anwendung auf Allgemeine Geschäfts­be­din­gungen, die gegenüber einem Unternehmer, einer juristischen Person des öffentlichen Rechts oder einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen verwendet werden. § 307 Abs. 1 und 2 findet in den Fällen des Satzes 1 auch insoweit Anwendung, als dies zur Unwirksamkeit von in § 308 Nummer 1, 2 bis 8 und § 309 genannten Vertrags­be­stim­mungen führt; auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche ist angemessen Rücksicht zu nehmen. [...]

(2) [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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