21.11.2024
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Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.

Dokument-Nr. 14720

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Urteil27.11.2012BundesgerichtshofXI ZR 384/11 und XI ZR 439/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BKR 2013, 215BKR - Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht (BKR), Jahrgang: 2013, Seite: 215
  • MDR 2013, 260Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 260
  • MMR 2013, 372Zeitschrift: Multimedia und Recht (MMR), Jahrgang: 2013, Seite: 372
  • NJW 2013, 1223Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 1223
  • NZG 2013, 424Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (NZG), Jahrgang: 2013, Seite: 424
  • VersR 2013, 585Zeitschrift für Versicherungsrecht, Haftungs- und Schadensrecht (VersR), Jahrgang: 2013, Seite: 585
  • VuR 2013, 214Zeitschrift: Verbraucher und Recht (VuR), Jahrgang: 2013, Seite: 214
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen zu XI ZR 384/11:
  • Landgericht Mönchengladbach, Urteil01.06.2010, 3 O 328/09
  • Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil22.07.2011, I-17 U 117/10
Vorinstanzen zu XI ZR 439/11:
  • Landgericht Mannheim, Urteil07.04.2012, 8 O 282/09
  • Oberlandesgericht Karlsruhe, Urteil13.09.2011, 17 U 104/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil27.11.2012

Willen­s­er­klä­rungen für Erwerb von "Lehman-Zertifikaten" nicht nach Regeln über Fernabsatz widerrufbarBundes­ge­richtshof entscheidet über die Wider­ruf­lichkeit des Erwerbs von "Lehman-Zertifikaten" im Fernabsatz

Anleger, die insbesondere "Lehman-Zertifikate" per Telefon oder E-Mail erworben haben, können ihre auf Abschluss der Erwerbsverträge mit der Bank gerichtete Willen­s­er­klärung nicht nach den Regeln über den Fernabsatz widerrufen können. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

In beiden Fällen zugrunde liegenden Fällen erwarben die Anleger von derselben beklagten Bank - in der Sache XI ZR 439/11 zusammen mit weiteren Finanzprodukten anderer Emittenten - jeweils "Global Champion"-Zertifikate. Hierbei handelt es sich um Inhaber­schuld­ver­schrei­bungen der nieder­län­dischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde.

Hintergrund zur Sache XI ZR 384/11

In der Sache XI ZR 384/11 erteilten die Klägerin und ihr Ehemann aufgrund eines mit einem Mitarbeiter der Beklagten geführten Beratungs­ge­sprächs am 8. Februar 2007 den Auftrag zum Kauf von 16 Zertifikaten, wobei zwischen den Parteien streitig ist, ob das Verkaufs­ge­spräch ganz oder teilweise telefonisch erfolgte. Das Geschäft wurde von der Beklagten im Eigenhandel zu einem Festpreis ausgeführt. Nach der Insolvenz der Emittentin und der Garantin wurden die Zertifikate weitgehend wertlos. Im Februar 2010 erklärten die Eheleute den Widerruf aller von ihnen im Zusammenhang mit dem Kauf abgegebenen Erklärungen. Mit der in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage verlangt die Klägerin aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemannes im Wesentlichen die Rückzahlung des Anlagebetrages von 16.069,60 Euro nebst Zinsen abzüglich einer Bonuszahlung.

Hintergrund zur Sache XI ZR 439/11

In der Sache XI ZR 439/11 erwarb der Ehemann der Klägerin auf Empfehlung von Mitarbeitern der beklagten Bank teilweise aufgrund von Telefonaten und teilweise per E-Mail verschiedene Zertifikate - darunter auch "Global Champion"-Zertifikate - sowie Anteile eines u.a. in Zertifikate investierenden Fonds. Im Juli 2011 widerrief der Zedent sämtliche Vertrags­er­klä­rungen gegenüber der beklagten Bank. Mit der ebenfalls in beiden Vorinstanzen erfolglosen Klage begehrt die Klägerin aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes zuletzt noch die Rückerstattung verlorener Anlagebeträge in Höhe von 72.394,37 Euro.

Widerruf bei Vertrags­ge­gen­ständen, deren "Preis" Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegen, nicht möglich

Der Bundes­ge­richtshof hat die von den Berufungs­ge­richten zugelassenen Revisionen der Klägerinnen zurückgewiesen. Dabei waren im Wesentlichen folgende Überlegungen für seine Entscheidung maßgeblich: Nach § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB kann eine auf Abschluss eines Fernab­satz­ver­trages gerichtete Willenserklärung dann nicht widerrufen werden, wenn Gegenstand des Vertrages die Verschaffung von Finanz­dienst­leis­tungen ist, deren "Preis" innerhalb der Widerrufsfrist - dem Einfluss des Unternehmers, hier der Bank, entzogenen - Schwankungen auf dem Finanzmarkt unterliegt. Dabei ist der Begriff des Preises nach der Systematik und der Gesetz­ge­bungs­ge­schichte weit zu verstehen. "Preis" ist nicht nur ein Börsen- oder Marktpreis, der für das Produkt selbst auf dem Finanzmarkt gezahlt wird. "Preis" im Sinne des § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB können vielmehr auch die Parameter sein, von denen der Wert des Finanzprodukts abhängt.

Wert der Zertifikate hing für Bank von nicht beeinflussbaren Schwankungen auf Finanzmärkten ab

So sollten etwa Bonuszahlungen und die Rückzahlung der "Lehman-Zertifikate" in Abhängigkeit von der Entwicklung dreier Aktienindizes (Dow Jones EuroSTOXX 50, Standard & Poor´s 500 sowie Nikkei 225) während dreier aufeinander folgender Beobach­tungs­zeiträume ab dem 7. Februar 2007 erfolgen. Entsprechend hing der innere Wert der Zertifikate mit Beginn der Beobach­tungs­zeiträume von Parametern ("Basiswerten" oder "Underlyings"), nämlich der Entwicklung der drei Aktienindizes, ab, die von der beklagten Bank nicht beeinflussbaren Schwankungen auf den Finanzmärkten unterworfen waren.

Verbraucher darf drohenden Verlust nicht durch Ausübung des Widerrufsrechts auf Unternehmer abwälzen können

Der Ausschluss des Widerrufsrechts nach § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB bei dem Erwerb solcher Papiere soll das Risiko eines wenigstens mittelbar finanz­ma­rkt­bezogen spekulativen Geschäfts mit seinem Abschluss in gleicher Weise auf beide Parteien verteilen. Der Anleger, der wie in den entschiedenen Fällen zugleich Verbraucher ist, soll einen drohenden Verlust aufgrund fallender Basiswerte innerhalb der Widerrufsfrist nicht durch Ausübung des Widerrufsrechts auf den Unternehmer abwälzen können.

Weil ein Widerrufsrecht schon nach § 312 d Abs. 4 Nr. 6 BGB nicht in Betracht kam, konnte das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen eines Fernab­satz­ver­trages dahinstehen.

* § 312 b BGB (Auszug)

Fernab­satz­verträge

(1) Fernabsatzverträge sind Verträge über die Lieferung von Waren oder über die Erbringung von Dienst­leis­tungen, einschließlich Finanz­dienst­leis­tungen, die zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher unter ausschließ­licher Verwendung von Fernkom­mu­ni­ka­ti­o­ns­mitteln abgeschlossen werden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienst­leis­tungs­systems erfolgt. Finanz­dienst­leis­tungen im Sinne des Satzes 1 sind Bankdienst­leis­tungen sowie Dienst­leis­tungen im Zusammenhang mit einer Kreditgewährung, Versicherung, Alters­ver­sorgung von Einzelpersonen, Geldanlage oder Zahlung.

(2) [...]

** § 312 d BGB (Auszug)

Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernab­satz­ver­trägen

Erläuterungen

(1) Dem Verbraucher steht bei einem Fernabsatzvertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 eingeräumt werden.

(2) [...]

(4) Das Widerrufsrecht besteht, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nicht bei Fernab­satz­ver­trägen

1. [...]

6. die die Lieferung von Waren oder die Erbringung von Finanz­dienst­leis­tungen zum Gegenstand haben, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat und die innerhalb der Widerrufsfrist auftreten können, insbesondere Dienst­leis­tungen im Zusammenhang mit Aktien, Anteilsscheinen, die von einer Kapita­l­an­la­ge­ge­sell­schaft oder einer ausländischen Invest­ment­ge­sell­schaft ausgegeben werden, und anderen handelbaren Wertpapieren, Devisen, Derivaten oder Geldma­rk­t­in­stru­menten oder

7. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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