21.11.2024
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Dokument-Nr. 14387

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Bundesgerichtshof Urteil16.10.2012

Bundes­ge­richtshof zum Schaden­s­er­satz­an­spruch von Lehman-AnlegernBank muss bei Festpreis­ge­schäft Kunden weder über Gewinnmarge noch über Zerti­fi­ka­t­erwerb im Wege eines Eigengeschäfts aufklären

Der Bundes­ge­richtshof hat sich in zwei Verfahren erneut mit Schaden­s­er­satz­klagen von Anlegern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der nieder­län­dischen Tochter­ge­sell­schaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. befasst. Der Bundes­ge­richtshof hielt dabei an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass die beratende Bank bei einem Festpreis­ge­schäft den Kunden auf der Grundlage der insoweit gebotenen typisierenden Betrach­tungsweise weder über ihre Gewinnmarge noch darüber aufklären muss, dass der Zerti­fi­ka­t­erwerb im Wege eines Eigengeschäfts (Kaufvertrag) erfolgt.

In den zugrunde liegenden Fällen erwarben die Anleger jeweils im Februar 2007 von derselben beklagten Bank für Anlagebeträge in Höhe von 20.000 Euro (XI ZR 367/11) bzw. 32.000 Euro (XI ZR 368/11) "Global Champion Zertifikate" zu einem dem Nennwert entsprechenden Stückpreis von 1.000 Euro. Bei diesen Zertifikaten handelt es sich um Inhaber­schuld­ver­schrei­bungen der nieder­län­dischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde. Zeitpunkt und Höhe der Rückzahlung der Zertifikate sowie mögliche Bonuszahlungen an die Anleger in Höhe von 8,75 % des angelegten Betrages sollten nach näherer Maßgabe der Zerti­fi­kat­be­din­gungen von der Wertentwicklung dreier Aktienindizes (Dow Jones EuroSTOXX 50, Standard & Poor´s 500 sowie Nikkei 225) abhängig sein, mit denen das Zertifikat unterlegt war. Die Beklagte erhielt von der Emittentin jeweils eine Provision von 3,5 %, die sie den Anlegern nicht offenbarte.

Anleger verlangen Rückzahlung der Anlagebeträge

Mit der Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) und der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) im September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos. Die Anleger erstreben mit ihren Klagen im Wesentlichen die Rückzahlung der jeweiligen Anlagebeträge abzüglich vor der Insolvenz der Emittentin erfolgter Bonuszahlungen.

Verfahren XI ZR 367/11: Klägerin wurde im Beratungs­ge­spräch nicht ordnungsgemäß über "Platzie­rungs­pro­vision" aufgeklärt

Im Verfahren XI ZR 367/11 war die Klage der Anlegerin in der Berufungs­instanz - soweit für das Revisi­ons­ver­fahren von Bedeutung - erfolgreich. Das Berufungs­gericht hat angenommen, die Beklagte hafte schon deshalb, weil sie die Klägerin im Beratungsgespräch nicht über die bei Ausführung des Wertpa­pier­ge­schäfts von ihr vereinnahmte "Platzie­rungs­pro­vision" in Höhe von 3,5 % aufgeklärt habe. Die Beklagte, die die Wertpapiere zunächst im eigenen Namen erworben und nachfolgend im Wege des Festpreis­ge­schäfts an die Klägerin veräußert habe, sei zu einer vollständigen Information über die mit der Auftrags­aus­führung verbundenen Gebühren, Provisionen, Entgelte und Auslagen verpflichtet gewesen. Zudem habe die Beklagte sich bei Ausführung der Kauforder - ähnlich wie bei Rückvergütungen im Sinne der "Kick-back"-Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs - in einem offen­ba­rungs­pflichtigen Inter­es­sen­konflikt befunden. Ein Beratungs­ver­schulden der Beklagten liege schließlich auch darin, dass sie den Wertpa­pier­auftrag ohne Kenntnis der Klägerin "eigenmächtig" im Wege des Festpreis­ge­schäfts ausgeführt habe.

Verfahren XI ZR 368/11: Klägerin war erfahrene Anlegerin und nahm Totalverlust wissentlich in Kauf

Im Verfahren XI ZR 368/11 war die Klage der Anlegerin dagegen in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungs­gericht hat dort angenommen, die Empfehlung zum Erwerb der streitigen Zertifikate sei insbesondere deshalb anlegergerecht gewesen, weil es sich bei der Klägerin um eine erfahrene Anlegerin gehandelt habe. Die Klägerin habe sowohl vor als auch nach Zeichnung der "Lehman-Zertifikate" weitere Wertpapiere - insbesondere Aktien insolventer deutscher und amerikanischer Unternehmen (unter anderem solcher des Bankhauses Lehman Brothers im Kurswert von 39.000 Euro einen Tag nach Insol­ven­z­an­meldung) - erworben, bei denen sie ein Total­ver­lust­risiko in Kauf genommen habe. Selbst bei Annahme einer Aufklä­rungs­pflicht­ver­letzung der Beklagten könne sich die Klägerin daher jedenfalls nicht auf die Vermutung aufklä­rungs­richtigen Verhaltens berufen. Denn diese Vermutung sei durch das hoch spekulative Kaufverhalten der Klägerin, das sie sogar nach der Insolvenz von Lehman Brothers fortgesetzt habe, widerlegt. Eine Beratungs­pflicht­ver­letzung sei schließlich nicht darin zu sehen, dass die Beklagte über ihre bei dem Wertpa­pier­verkauf erzielte Gewinnmarge in Höhe von 3,5 % nicht aufgeklärt habe.

Verfahren XI ZR 367/11: Schaden­s­er­satz­an­spruch der Klägerin gegen die beklagte Bank kann nicht zweifelsfrei bejaht werden

Der Bundes­ge­richtshof hat im Verfahren XI ZR 367/11 auf die Revision der beklagten Bank das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, weil jedenfalls mit der gegebenen Begründung ein Schaden­s­er­satz­an­spruch der Klägerin gegen die beklagte Bank nicht bejaht werden kann. Das Berufungs­gericht wird nunmehr den weiteren Pflicht­ver­let­zungen nachzugehen haben, die die Klägerin der Beklagten im Hinblick auf die streit­ge­gen­ständ­lichen Zertifikate vorwirft.

Verfahren XI ZR 368/11: BGH weist Revision der Klägerin zurück

Im Verfahren XI ZR 368/11 ist die Revision der Klägerin - die vom Berufungs­gericht ohnehin nur beschränkt auf die Frage einer Aufklä­rungs­pflicht der Beklagten über ihre "Gewinnmarge" zugelassen worden war - zurückgewiesen worden. Mit beiden Revisi­ons­ent­schei­dungen hat der Bundes­ge­richtshof seine Rechtsprechung zu "Lehman-Zertifikaten" in den Urteilen vom 27. September 2011 sowie vom 26. Juni 2012 bestätigt.

Für Bank besteht keine Aufklä­rungs­pflicht über eine allein von der Emittentin an sie gezahlte Vergütung

Bei einem Festpreis­ge­schäft muss die beratende Bank den Kunden auf der Grundlage der insoweit gebotenen typisierenden Betrach­tungsweise weder über ihre Gewinnmarge noch darüber aufklären, dass der Zerti­fi­ka­t­erwerb im Wege eines Eigengeschäfts (Kaufvertrag) erfolgt. Für den Fall, dass dem Zerti­fi­ka­t­erwerb ein Kommis­si­ons­vertrag zwischen dem Anleger und der Bank zugrunde liegt, besteht jedenfalls keine Aufklä­rungs­pflicht der Bank über eine allein von der Emittentin an sie gezahlte Vergütung. Eine solche Aufklä­rungs­pflicht ergibt sich insbesondere nicht aus den Recht­spre­chungs­grund­sätzen zu Rückvergütungen. Denn diese Grundsätze betreffen lediglich Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertrie­b­spro­vi­sionen, deren Rückfluss an die beratende Bank dem Kunden verheimlicht wird. In beiden hier zu entscheidenden Fällen wiesen die Wertpa­pier­ab­rech­nungen dagegen nur den an die Beklagte zu zahlenden Nominal- bzw. Kurswert der Zertifikate, aber keine von den Anlegern an die Emittentin zu entrichtenden und ohne Wissen der Anleger an die Bank zurück­flie­ßenden Posten aus.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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