18.10.2024
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Dokument-Nr. 12343

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Urteil27.09.2011BundesgerichtshofXI ZR 178/10 und XI ZR 182/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • BGHZ 191, 119Sammlung: Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (BGHZ), Band: 191, Seite: 119
  • JZ 2012, 255Zeitschrift: JuristenZeitung (JZ), Jahrgang: 2012, Seite: 255
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Bundesgerichtshof Urteil27.09.2011

BGH: Kein Schadensersatz für Lehman-AnlegerPflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung durch Banken nicht verletzt

Der Bundes­ge­richtshof hat erstmals über Klagen von zwei geschädigten Lehman-Anlegern geurteilt. Er verwarf die Schaden­er­satz­klagen der Geschädigten. Diese hatten die Hamburger Sparkasse verklagt. Die Bank habe beim Verkauf der Lehman-Zertifikate keine Fehler bei der Beratung gemacht, urteile der Bundes­ge­richtshof.

Der Bundes­ge­richtshof hat in zwei Paral­lel­ver­fahren erstmals über Schaden­s­er­satz­klagen von Anlegern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der nieder­län­dischen Tochter­ge­sell­schaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holdings Inc. entschieden.

Sachverhalt

In der Sache XI ZR 178/10 hatte der Anleger im Dezember 2006 auf Empfehlung einer Mitarbeiterin der beklagten Sparkasse einen Betrag in Höhe von 10.000 Euro in eine "ProtectExpress-Anleihe" investiert. In der Parallelsache XI ZR 182/10 hatte die dortige Klägerin im Oktober 2007 auf Empfehlung eines Mitarbeiters derselben Sparkasse für 10.000 Euro eine "Bull Express Garant Anleihe" erworben. In beiden Fällen handelt es sich um Inhaber­schuld­ver­schrei­bungen der nieder­län­dischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde. Zeitpunkt und Höhe der Rückzahlung hingen bei der "ProtectExpress-Anleihe" von der Wertentwicklung eines aus 10 Titeln des DAX 30-Index bestehenden Aktienkorbs ("Lehman Brothers Deutschland Dividend Basket") und bei der "Bull Express Garant Anleihe" von der Wertentwicklung des Aktienindex EuroStoxx 50 ab. Bei beiden Anleihen sollte der Anleger im für ihn ungünstigsten Fall den angelegten Betrag am Laufzeitende ohne Zinsen zurück erhalten.

Kläger verlangen Rückzahlung des Anlagebetrages plus Ausga­be­auf­schlag und Zinsen wegen Aufklä­rungs­pflicht­ver­let­zungen

Mit der Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) und der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) im September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos. Mit ihren Klagen verlangen die Anleger, die der beklagten Sparkasse mehrere Aufklä­rungs­pflicht­ver­let­zungen vorwerfen, im Wesentlichen die Rückzahlung des Anlagebetrages zuzüglich des Ausga­be­auf­schlages nebst Zinsen.

Verfahrensgang

Das Landgericht Hamburg hat den Klagen stattgegeben. Auf die Berufungen der Beklagten hat das Oberlan­des­gericht Hamburg die Klagen abgewiesen. Die hiergegen gerichteten Revisionen der Kläger hat der Bundes­ge­richtshof zurückgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Anleger wurden über Risiko des Verlusts der gesamten Anlagesummen bei Lehman-Insolvenz ausreichend aufgeklärt

Nach den vom Berufungs­gericht rechts­feh­lerfrei getroffenen Feststellungen habe die Beklagte in beiden Fällen ihre Pflicht zur anleger- und objektgerechten Beratung nicht verletzt. Für die beklagte Sparkasse sei nach den unangegriffenen berufungs­ge­richt­lichen Feststellungen zum Zeitpunkt des jeweiligen Beratungs­ge­sprächs ein konkretes Insolvenzrisiko der Emittentin bzw. der Garantiegeberin nicht erkennbar gewesen; auch die Kläger hätten nichts anderes behauptet. Die Beklagte sei allerdings zur Aufklärung über das bei Zertifikaten der vorliegenden Art vom Anleger zu tragende so genannte allgemeine Emitten­ten­risiko, wonach die Rückzahlung des angelegten Kapitals von der Zahlungs­fä­higkeit des Emittenten abhängt, verpflichtet gewesen. Dieser Verpflichtung sei sie indes nachgekommen. Das Berufungs­gericht habe jeweils rechts­feh­lerfrei festgestellt, dass die Anleger über das Risiko, bei einer Lehman-Insolvenz die Anlagesummen vollständig zu verlieren, hinreichend belehrt worden seien. In einem solchen Falle bedürfe es keiner zusätzlichen Aufklärung darüber, dass die streit­ge­gen­ständ­lichen Zertifikate keinem Einla­gen­si­che­rungs­system unterfielen, weil einer dahingehenden Information keine eigenständige Bedeutung zukomme.

Bank hat keine Aufklä­rungs­pflicht hinsichtlich der von ihr erzielten Gewinnmarge durch verkaufte Zertifikate

Zu Recht habe das Berufungs­gericht ferner eine Aufklä­rungs­pflicht der beklagten Sparkasse über die Gewinnmarge der von ihr verkauften Zertifikate verneint. Eine Bank, die eigene Anlageprodukte empfehle, sei nach der Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs grundsätzlich nicht verpflichtet, darüber aufzuklären, dass sie mit diesen Produkten Gewinne erziele; denn in einem solchen Fall sei es für den Kunden offensichtlich, dass die Bank eigene (Gewinn-)Interessen verfolge, so dass darauf nicht gesondert hingewiesen werden müsse. Nichts anderes gelte, wenn - wie dies hier nach den bindenden Feststellungen des Berufungs­ge­richts in beiden Sachen der Fall war - fremde Anlageprodukte im Wege des Eigengeschäfts (Festpreis­ge­schäft) zu einem über dem Einkaufspreis der Bank liegenden Preis veräußert werden. Dem stehe auch weder die Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs zur Offenlegung versteckter Innen­pro­vi­sionen noch diejenige zur Aufklä­rungs­be­dürf­tigkeit von Rückvergütungen entgegen, weil die Gewinnmarge beim Eigengeschäft keiner dieser beiden Fallgruppen zugeordnet werden könne.

Erwerb der Zertifikate im Wege des Eigengeschäfts der Bank für geltend gemachte Schaden­s­er­satz­ansprüche der Anleger nicht von Belang

Für die von den Anlegern geltend gemachten Schaden­s­er­satz­ansprüche sei schließlich ohne Belang, ob ihnen bekannt gewesen sei, dass der Erwerb der Zertifikate im Wege des Eigengeschäfts der Beklagten erfolgt sei. Zu einer diesbezüglichen Infor­ma­ti­o­ns­pflicht sei die Beklagte vertraglich nicht verpflichtet gewesen. Die Annahme einer Pflicht zur Auskunft über das Eigengeschäft laufe nämlich, wie schon das Berufungs­gericht zutreffend angenommen habe, auf die als solche für den Anleger bedeutungslose Information hinaus, dass die Bank ihn über Existenz und Höhe der Gewinnspanne nicht aufzuklären habe.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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