18.10.2024
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Hanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg Urteil23.04.2010

Lehman-Zertifikate: Schaden­s­er­satzklage von Anlegern gegen Hamburger Sparkasse erfolglosBank kann keine Pflicht­ver­letzung bei Anlageberatung vorgeworfen werden

Das Hanseatische Oberlan­des­gericht hat die Klagen zweier Anleger gegen die Hamburger Sparkasse wegen des Erwerbs von Lehman-Zertifikaten abgewiesen, da auf Seiten der Hamburger Sparkasse keine zum Schadensersatz verpflichtende Verletzung der Pflicht zur anleger- und anlagegerechten Beratung festgestellt werden konnte.

Entgegen der Sichtweise des Landgerichts Hamburg als Vorinstanz könne laut Oberlan­des­gericht eine Beratungs­pflicht­ver­letzung insbesondere nicht darin gesehen werden, dass die Kläger beim Erwerb der Zertifikate nicht über die Höhe der Gewinnmarge der Hamburger Sparkasse und die nicht vorhandene Einla­gen­si­cherung aufgeklärt wurden. Auch könnten die empfohlenen Produkte nicht als besonders spekulative Anlage angesehen werden. Bei einem regulären Verlauf hätten die Zertifikate lediglich das Risiko mit sich gebracht, dass für die Laufzeit keinerlei Rendite auf das eingesetzte Kapital erwirtschaftet worden wäre. Auf die Bonität der Lehman-Brothers Inc. habe im Zeitpunkt der Beratungen in den Jahren 2006 und 2007 ohne Weiteres vertraut werden können. Die Beratung der Anleger, die bereits über Erfahrungen mit riskanteren Wertpapieren verfügt hätten und von der Beklagten über die Möglichkeit eines Totalverlustes aufgeklärt worden seien, sei insgesamt angemessen gewesen.

„Kick-back-Rechtsprechung“ des Bundes­ge­richtshofs hier nicht anwendbar

Zur unterbliebenen Belehrung über die Höhe der von der Beklagten erzielten Gewinnmarge hat der Senat ausgeführt, dass die so genannte „kick-back“-Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs auf die hiesigen Fallkon­stel­la­tionen nicht übertragbar sei. Nach der „kick-back-Rechtsprechung“ schuldet eine Bank im Rahmen der Anlageberatung Aufklärung, wenn sie – unerkennbar für den Kunden - entweder ihrerseits an einen Vermö­gens­berater, der ihr den Kunden vermittelt hat, Provisionen zahlt oder umgekehrt selbst von einem solchen Berater oder auch dem Emittenten einer Anlage Provisionen bezieht. Eine Übertragung dieser Rechtsprechung auf die hiesigen Fälle scheidet nach der Auffassung des Senats aus, da der Verkauf der Zertifikate ein Eigengeschäft der Beklagten war und entsprechend kein Dreiper­so­nen­ver­hältnis vorgelegen habe. Jedem Anleger, der die Beratungs­leistung einer Bank in Anspruch nimmt, hierfür aber keine gesonderte Vergütung entrichtet, müsse klar sein, dass das Unternehmen mit seiner Leistung einen Gewinn erziele. Einer besonderen Aufklärung bedürfe es insoweit nicht. Die Annahme einer entsprechenden Aufklä­rungs­pflicht würde Banken entgegen ihren schutzwürdigen Interessen zwingen, bei der Anlageberatung ihre Kalkulation und Ertragsstruktur vollständig offenzulegen. In den hier zu entscheidenden Fällen habe eine entsprechende Aufklä­rungs­pflicht zudem schon deshalb nicht bestanden, weil die Beklagte mit der Empfehlung der Lehman-Zertifikate sogar einen geringeren Gewinn als mit dem Verkauf ihrer anderen Anlageprodukte erwirtschaftet habe. Gegenüber anderen Anlageformen habe damit kein erhöhter Vertriebsanreiz und deshalb auch kein Inter­es­sen­konflikt existiert, der die Beklagte zur Offenlegung der Marge und / oder des Platzie­rungs­risikos verpflichtet habe.

Kläger kann mangelnde Beratung über Emitten­ten­risiko nicht nachweisen

Neben der Aufklärung darüber, dass die Kläger bei dem Erwerb der Lehman-Zertifikate das Emitten­ten­risiko von Lehman Inc. trugen, bedurfte es nach Ansicht des Senats keines zusätzlichen Hinweises darauf, dass die verkauften Zertifikate nicht der deutschen Einla­gen­si­cherung unterlagen. Aus wirtschaft­licher Sicht sei es für einen Anleger, dem bekannt ist, dass ein Totalverlust eintreten kann, ohne Belang, ob dies allein geschieht, weil der Ausgeber der Anleihe insolvent ist oder weil zusätzlich auch kein Siche­rungs­system eingreift. Damit komme einer Warnung vor dem Fehlen einer Einla­gen­si­cherung neben dem Hinweis auf das Emitten­ten­risiko keine eigenständige Bedeutung zu. Der Beweis der Behauptung, auch nicht über das Emitten­ten­risiko belehrt worden zu sein, sei den Klägern nicht gelungen.

Revision zum Bundes­ge­richtshof wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen

Der Senat hat in beiden Fällen die Revision zum Bundes­ge­richtshof zugelassen. Die Frage, ob eine Bank im Rahmen der Anlageberatung einen Hinweis auf die von ihr erzielte Gewinnmarge aus einem Eigengeschäft erteilen muss bzw. neben dem Hinweis auf das Emitten­ten­risiko auch noch Aufklärung über das Nichteingreifen eines Einla­gen­si­che­rungs­system schuldet, sei von grundsätzlicher Bedeutung und bislang nicht höchst­rich­terlich entschieden worden.

Quelle: ra-online, Hanseatisches OLG Hamburg

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