Dokument-Nr. 13699
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- NJW 2012, 2873Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 2873
- Landgericht Aachen, Urteil05.08.2010, 1 O 648/09
- Oberlandesgericht Köln, Urteil04.05.2011, 13 U 165/10
- Landgericht Köln, Urteil18.02.2010, 15 O 174/09
- Oberlandesgericht Köln, Urteil08.06.2011, 13 U 55/10
- Landgericht Frankfurt am Main, Urteil10.12.2010, 2/19 O 34/10
- Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil18.05.2011, 17 U 253/10
- Landgericht Frankfurt am Main, Urteil23.12.2010, 2/21 O 581/09
- Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil18.05.2011, 17 U 12/11
- Lehman-Zertifikate: Hamburger Sparkasse zu Schadensersatz wegen Pflichtverletzung verurteiltLandgericht Hamburg, Urteil01.07.2009, 325 O 22/09
- Klage wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Lehman Brothers-Zertifikaten abgewiesenLandgericht Itzehoe, Urteil06.08.2009, 7 O 39/09
- Lehman-Zertifikate: Schadensersatzklage von Anlegern gegen Hamburger Sparkasse erfolglosHanseatisches Oberlandesgericht in Hamburg, Urteil23.04.2010, 13 U 117/09 und 13 U 118/09
Bundesgerichtshof Urteil26.06.2012
Lehman Brothers Holding Inc.: BGH hebt Berufungsurteile auf Schadensersatzzahlungen durch Banken für geschädigte Anleger aufBGH zum Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung
In vier weiteren, in wesentlichen Punkten parallel gelagerten Verfahren musste sich der Bundesgerichtshof erneut mit Schadensersatzklagen von Anlegern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der niederländischen Tochtergesellschaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holding Inc. befassen.
In allen vier heute verhandelten Sachen erwarben die Anleger im Februar 2007 von derselben beklagten Bank für Anlagebeträge in unterschiedlicher Höhe - die investierten Summen lagen zwischen 17.145,01 € und 300.000 € - jeweils "Global Champion Zertifikate". Hierbei handelt es sich um Inhaberschuldverschreibungen der niederländischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde. Zeitpunkt und Höhe der Rückzahlung der Zertifikate sowie mögliche Bonuszahlungen an die Anleger in Höhe von 8,75 % des angelegten Betrages sollten nach näherer Maßgabe der Zertifikatbedingungen von der Wertentwicklung dreier Aktienindizes (Dow Jones EuroSTOXX 50, Standard & Poor´s 500 sowie Nikkei 225) abhängig sein, mit denen das Zertifikat unterlegt war. In allen vier Fällen erhielt die Beklagte von der Emittentin eine Vertriebsprovision von 3,5 %, die sie den Anlegern nicht offenbarte.
Zertifikate durch Insolvenz wertlos
Mit der Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) und der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) im September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos.
Berufungsgerichte: Beklagte schuldet Schadensersatz in den Verfahren XI ZR 259/11 und XI ZR 316/11
Die im Wesentlichen auf Rückzahlung des Anlagebetrages (abzüglich vor der Insolvenz der Emittentin erfolgter Bonuszahlungen) gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen jeweils weit überwiegenden Erfolg. In den Verfahren XI ZR 259/11 und XI ZR 316/11 hat das Berufungsgericht angenommen, die Beklagte schulde den Anlegern unabhängig davon Schadensersatz, ob diese die Zertifikate im Wege eines Festpreisgeschäfts, d. h. eines Kaufvertrags, von der Beklagten erworben hätten oder ob Letztere aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages für die Anleger gehandelt habe. Im Falle eines Kommissionsvertrages sei die Bank nach den Rechtsprechungsgrundsätzen über Aufklärungspflichten bei Rückvergütungen zur Aufklärung der Anleger über die Höhe der von der Emittentin erhaltenen Vertriebsprovision verpflichtet gewesen. Bei einem Festpreisgeschäft habe die Bank auf ihre Verkäuferstellung und einen daraus folgenden Interessenkonflikt hinweisen müssen.
Banken zur Offenlegung der Vergütung verpflichtet
In den Verfahren XI ZR 355/11 und XI ZR 356/11 hat das Berufungsgericht die Pflicht der Bank zur Offenlegung der von der Emittentin gezahlten Vergütung u. a. damit begründet, die Beklagte habe dem Kunden die Ausführung seines Auftrags im Wege des Eigenhandels verschwiegen. Außerdem stehe die von der Emittentin gezahlte Provision einer Rückvergütung gleich und die Offenlegungspflicht der Bank ergebe sich zudem aus der Auskunftspflicht des Geschäftsbesorgers bzw. Kommissionärs.
Berufungsgerichte müssen neu entscheiden
Der XI. Zivilsenat hat in allen vier Fällen die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen jeweils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsgerichte zurückverwiesen, weil jedenfalls mit der gegebenen Begründung ein Schadensersatzanspruch der Anleger gegen die beklagte Bank nicht bejaht werden kann.
Bei Festpreisgeschäft keine Aufklärungspflicht über Gewinnmarge
Für den Fall eines Festpreisgeschäfts hat der Senat - nach Erlass der in den heute verhandelten Sachen ergangenen Berufungsurteile - durch seine Urteile vom 27. September 2011 (XI ZR 178/10 und XI ZR 182/10) entschieden, dass die beratende Bank den Kunden auf der Grundlage der insoweit gebotenen typisierenden Betrachtungsweise weder über ihre Gewinnmarge noch darüber aufklären muss, dass der Zertifikaterwerb im Wege eines Eigengeschäfts (Kaufvertrag) erfolgt. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.
Bei Zertifikaterwerb keine Aufklärungspflicht über gezahlte Vergütung
Für den Fall, dass dem Zertifikaterwerb ein Kommissionsvertrag zwischen den Anlegern und der Beklagten zugrunde gelegen haben sollte, besteht keine Aufklärungspflicht der Bank über eine allein von der Emittentin an sie gezahlte Vergütung. Eine solche Aufklärungspflicht ergibt sich nicht aus den Rechtsprechungsgrundsätzen zu Rückvergütungen. Denn diese Grundsätze betreffen lediglich Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertriebsprovisionen, deren Rückfluss an die beratende Bank dem Kunden verheimlicht wird. In den hier zu entscheidenden Fällen wiesen die Wertpapierabrechnungen nur den an die Beklagte zu zahlenden Nominal- bzw. Kurswert der Zertifikate, aber keine von den Anlegern an die Emittentin zu entrichtenden und ohne Wissen der Anleger an die Bank zurückfließenden Posten aus. Eine Aufklärungspflicht hinsichtlich der von der Emittentin erhaltenen Provision folgt ferner weder aus einer etwaigen Herausgabepflicht des Kommissionärs noch aus dem allgemeinen Gewinninteresse der Bank.
Keine Entscheidung über Aufklärungspflicht der Bank bei Zahlungen durch Kunden
Ob bei einem Kommissionsgeschäft eine beratungsvertragliche Aufklärungspflicht der Bank über eine vom Emittenten des Wertpapiers erhaltene Provision dann besteht, wenn der Kunde seinerseits eine Kommissionsgebühr oder einen ähnlichen Aufschlag an die Bank zahlt, bedurfte keiner Entscheidung, weil derartige Zahlungen der Kunden an die Bank nicht vorgetragen worden sind.
Die Berufungsgerichte werden nunmehr den weiteren Pflichtverletzungen nachzugehen haben, die die Kläger der Beklagten im Hinblick auf die streitgegenständlichen Zertifikate, u. a. in Bezug auf deren Funktionsweise, vorwerfen.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 26.06.2012
Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online
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