21.11.2024
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Dokument-Nr. 13699

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Urteil26.06.2012BundesgerichtshofXI ZR 259/11, XI ZR 316/11, XI ZR 355/10, XI ZR 356/10
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • NJW 2012, 2873Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 2873
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanz zu XI ZR 259/11:
  • Landgericht Aachen, Urteil05.08.2010, 1 O 648/09
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil04.05.2011, 13 U 165/10
Vorinstanz zu XI ZR 316/11:
  • Landgericht Köln, Urteil18.02.2010, 15 O 174/09
  • Oberlandesgericht Köln, Urteil08.06.2011, 13 U 55/10
Vorinstanz zu XI ZR 355/10:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil10.12.2010, 2/19 O 34/10
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil18.05.2011, 17 U 253/10
Vorinstanz zu XI ZR 356/10:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil23.12.2010, 2/21 O 581/09
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil18.05.2011, 17 U 12/11
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil26.06.2012

Lehman Brothers Holding Inc.: BGH hebt Berufungs­urteile auf Schaden­s­er­satz­zah­lungen durch Banken für geschädigte Anleger aufBGH zum Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung

In vier weiteren, in wesentlichen Punkten parallel gelagerten Verfahren musste sich der Bundes­ge­richtshof erneut mit Schaden­s­er­satz­klagen von Anlegern im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der nieder­län­dischen Tochter­ge­sell­schaft der US-amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Holding Inc. befassen.

In allen vier heute verhandelten Sachen erwarben die Anleger im Februar 2007 von derselben beklagten Bank für Anlagebeträge in unter­schied­licher Höhe - die investierten Summen lagen zwischen 17.145,01 € und 300.000 € - jeweils "Global Champion Zertifikate". Hierbei handelt es sich um Inhaber­schuld­ver­schrei­bungen der nieder­län­dischen Lehman Brothers Treasury Co. B.V., deren Rückzahlung von der US-amerikanischen Lehman Brothers Holdings Inc. garantiert wurde. Zeitpunkt und Höhe der Rückzahlung der Zertifikate sowie mögliche Bonuszahlungen an die Anleger in Höhe von 8,75 % des angelegten Betrages sollten nach näherer Maßgabe der Zerti­fi­kat­be­din­gungen von der Wertentwicklung dreier Aktienindizes (Dow Jones EuroSTOXX 50, Standard & Poor´s 500 sowie Nikkei 225) abhängig sein, mit denen das Zertifikat unterlegt war. In allen vier Fällen erhielt die Beklagte von der Emittentin eine Vertrie­b­spro­vision von 3,5 %, die sie den Anlegern nicht offenbarte.

Zertifikate durch Insolvenz wertlos

Mit der Insolvenz der Emittentin (Lehman Brothers Treasury Co. B.V.) und der Garantin (Lehman Brothers Holdings Inc.) im September 2008 wurden die erworbenen Zertifikate weitgehend wertlos.

Berufungs­ge­richte: Beklagte schuldet Schadensersatz in den Verfahren XI ZR 259/11 und XI ZR 316/11

Die im Wesentlichen auf Rückzahlung des Anlagebetrages (abzüglich vor der Insolvenz der Emittentin erfolgter Bonuszahlungen) gerichteten Klagen hatten in den Vorinstanzen jeweils weit überwiegenden Erfolg. In den Verfahren XI ZR 259/11 und XI ZR 316/11 hat das Berufungs­gericht angenommen, die Beklagte schulde den Anlegern unabhängig davon Schadensersatz, ob diese die Zertifikate im Wege eines Festpreis­ge­schäfts, d. h. eines Kaufvertrags, von der Beklagten erworben hätten oder ob Letztere aufgrund eines Geschäfts­be­sor­gungs­ver­trages für die Anleger gehandelt habe. Im Falle eines Kommis­si­ons­ver­trages sei die Bank nach den Recht­spre­chungs­grund­sätzen über Aufklä­rungs­pflichten bei Rückvergütungen zur Aufklärung der Anleger über die Höhe der von der Emittentin erhaltenen Vertrie­b­spro­vision verpflichtet gewesen. Bei einem Festpreis­ge­schäft habe die Bank auf ihre Verkäu­fer­stellung und einen daraus folgenden Inter­es­sen­konflikt hinweisen müssen.

Banken zur Offenlegung der Vergütung verpflichtet

In den Verfahren XI ZR 355/11 und XI ZR 356/11 hat das Berufungs­gericht die Pflicht der Bank zur Offenlegung der von der Emittentin gezahlten Vergütung u. a. damit begründet, die Beklagte habe dem Kunden die Ausführung seines Auftrags im Wege des Eigenhandels verschwiegen. Außerdem stehe die von der Emittentin gezahlte Provision einer Rückvergütung gleich und die Offen­le­gungs­pflicht der Bank ergebe sich zudem aus der Auskunftspflicht des Geschäfts­be­sorgers bzw. Kommissionärs.

Berufungs­ge­richte müssen neu entscheiden

Der XI. Zivilsenat hat in allen vier Fällen die Berufungs­urteile aufgehoben und die Sachen jeweils zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Berufungs­ge­richte zurückverwiesen, weil jedenfalls mit der gegebenen Begründung ein Schaden­s­er­satz­an­spruch der Anleger gegen die beklagte Bank nicht bejaht werden kann.

Bei Festpreis­ge­schäft keine Aufklä­rungs­pflicht über Gewinnmarge

Für den Fall eines Festpreis­ge­schäfts hat der Senat - nach Erlass der in den heute verhandelten Sachen ergangenen Berufungs­urteile - durch seine Urteile vom 27. September 2011 (XI ZR 178/10 und XI ZR 182/10) entschieden, dass die beratende Bank den Kunden auf der Grundlage der insoweit gebotenen typisierenden Betrach­tungsweise weder über ihre Gewinnmarge noch darüber aufklären muss, dass der Zerti­fi­ka­t­erwerb im Wege eines Eigengeschäfts (Kaufvertrag) erfolgt. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest.

Bei Zerti­fi­ka­t­erwerb keine Aufklä­rungs­pflicht über gezahlte Vergütung

Für den Fall, dass dem Zerti­fi­ka­t­erwerb ein Kommis­si­ons­vertrag zwischen den Anlegern und der Beklagten zugrunde gelegen haben sollte, besteht keine Aufklä­rungs­pflicht der Bank über eine allein von der Emittentin an sie gezahlte Vergütung. Eine solche Aufklä­rungs­pflicht ergibt sich nicht aus den Recht­spre­chungs­grund­sätzen zu Rückvergütungen. Denn diese Grundsätze betreffen lediglich Rückvergütungen aus offen ausgewiesenen Vertrie­b­spro­vi­sionen, deren Rückfluss an die beratende Bank dem Kunden verheimlicht wird. In den hier zu entscheidenden Fällen wiesen die Wertpa­pier­ab­rech­nungen nur den an die Beklagte zu zahlenden Nominal- bzw. Kurswert der Zertifikate, aber keine von den Anlegern an die Emittentin zu entrichtenden und ohne Wissen der Anleger an die Bank zurück­flie­ßenden Posten aus. Eine Aufklä­rungs­pflicht hinsichtlich der von der Emittentin erhaltenen Provision folgt ferner weder aus einer etwaigen Heraus­ga­be­pflicht des Kommissionärs noch aus dem allgemeinen Gewinninteresse der Bank.

Keine Entscheidung über Aufklä­rungs­pflicht der Bank bei Zahlungen durch Kunden

Ob bei einem Kommis­si­ons­ge­schäft eine beratungs­ver­tragliche Aufklä­rungs­pflicht der Bank über eine vom Emittenten des Wertpapiers erhaltene Provision dann besteht, wenn der Kunde seinerseits eine Kommis­si­ons­gebühr oder einen ähnlichen Aufschlag an die Bank zahlt, bedurfte keiner Entscheidung, weil derartige Zahlungen der Kunden an die Bank nicht vorgetragen worden sind.

Die Berufungs­ge­richte werden nunmehr den weiteren Pflicht­ver­let­zungen nachzugehen haben, die die Kläger der Beklagten im Hinblick auf die streit­ge­gen­ständ­lichen Zertifikate, u. a. in Bezug auf deren Funktionsweise, vorwerfen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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