23.11.2024
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Dokument-Nr. 19300

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Urteil09.12.2014BundesgerichtshofX ZR 85/12, X ZR 13/14 und X ZR 147/13
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2015, 447Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2015, Seite: 447
  • NJW 2015, 1444Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2015, Seite: 1444
  • NJW-RR 2015, 618Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2015, Seite: 618
  • NJW-RR 2015, 621Zeitschrift: NJW-Rechtsprechungs-Report Zivilrecht (NJW-RR), Jahrgang: 2015, Seite: 621
Für Details Fundstelle bitte Anklicken!
Vorinstanzen zu X ZR 85/12:
  • Landgericht Leipzig, Urteil11.11.2011, 8 O 3545/10
  • Oberlandesgericht Dresden, Urteil21.06.2012, 8 U 1900/11
Vorinstanzen zu X ZR 13/14:
  • Landgericht Frankfurt am Main, Urteil28.03.2013, 2-24 O 196/12
  • Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil16.01.2014, 16 U 78/13
Vorinstanzen zu X ZR 147/13:
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil09.12.2014

Vereinbarung einer höheren Anzahlungsquote als 20 % des Reisepreises muss begründet werdenBundes­ge­richtshof zur Höhe von Anzahlungen auf den Reisepreis und zur Bemessung von Rück­tritts­pauschalen

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich in drei Verfahren mit der Wirksamkeit von Klauseln in Reise­be­din­gungen zu Anzahlungen auf den Reisepreis, zu dem Zeitpunkt der Fälligkeit des Gesamtpreises und zu Rück­tritts­pauschalen zu befassen. Der Bundes­ge­richtshof verwies darauf, dass der Reise­ver­an­stalter zwar grundsätzlich eine höhere Anzahlung als die bisher anerkannten 20 % des Reisepreises verlangen kann, diese Vereinbarung einer höheren Anzahlungsquote in den AGBs aber zumindest voraussetzt, dass der Reise­ver­an­stalter darlegt, dass die von ihm bei Vertragsschluss zu leistenden Aufwendungen bei denjenigen Reisen, für die die höhere Anzahlung verlangt, typischerweise die geforderte Quote erreichen.

In dem Verfahren X ZR 85/12 verlangt die Verbrau­cher­zentrale Nordrhein-Westfalen e.V. von der beklagten Reise­ver­an­stalterin, die u.a. über das Internet im Rahmen eines die Bündelung von Reiseteil- und Einzel­leis­tungen zu einem Leistungspaket ("Dynamic Packaging") anbietet, es zu unterlassen, beim Abschluss von Pauschalreisen Reise­be­din­gungen zu verwenden, nach denen der Reisende u.a. innerhalb einer Woche nach Erhalt seiner Reise­be­stä­tigung eine Anzahlung von 40 % vom Gesamtpreis und den Rest des Reisepreises bis spätestens 45 Tage vor Reiseantritt zu zahlen hat und nach denen bei Flugreisen bei einem Rücktritt des Reisenden gestaffelte Entschä­di­gungs­pau­schalen nach § 651 i Abs. 3 BGB*** zu zahlen sind, die bis 30 Tage vor Reisebeginn 40 % des Reisepreises betragen und die stufenweise auf bis zu 90 % ansteigen, die der Reise­ver­an­stalter bei einem Rücktritt am Tag des Reiseantritts oder bei Nichterscheinen beansprucht.

OLG erklärt Klauseln zur Anzahlung, zur Zahlung des Restbetrags und zu Stornie­rungs­ge­bühren für unwirksam

Das Landgericht hat der Beklagten die Verwendung der Klauseln untersagt. Das Oberlan­des­gericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die von der Beklagten bei Vertrags­ab­schluss geforderte Anzahlung von 40 % des Reisepreises benachteilige den Vertragspartner unangemessen im Sinn von § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1 BGB*. Auch die Regelung in den AGB der Beklagten, nach der der Restbetrag bereits 45 Tage vor Reiseantritt fällig werde, verstoße gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB und § 320 BGB**. Die Klauseln zu den Stornie­rungs­ge­bühren bei Flugreisen seien wegen Verstoßes gegen § 651 i BGB ebenfalls unwirksam.

Vorinstanzen untersagen auch im Fall X ZR 13/14 Vertrags­klauseln zur Anzahlung und Restzahlung des Reisepreises

In dem Fall X ZR 13/14 verlangt die Verbrau­cher­zentrale Nordrhein-Westfalen e.V. von der beklagten Reise­ver­an­stalterin, die Verwendung von Reise­be­din­gungen zu unterlassen, nach denen der Reisende innerhalb einer Woche nach Erhalt der Reise­be­stä­tigung eine Anzahlung von 25 %, bei Reisen aus "Last-Minute-Programmen" jedoch von 30 % zu leisten hat, die Restzahlung jeweils 40 Tage vor Reiseantritt fällig wird und nach denen bei Flugreisen, "Last-Minuten-Reisen" und anderen Reisen jeweils unterschiedlich gestaffelte Rücktritts­pau­schalen zahlbar sein sollen, die bei Flugreisen mit 25 % des Reisepreises beginnen, die bei einem Rücktritt bis 42 Tage vor Reisebeginn verlangt werden, und bei "Last-Minute-Reisen" mit 40 % bei einem Rücktritt bis zum 30. Tag vor Reisebeginn. Die Gerichte der Vorinstanzen haben der Beklagten auch in diesem Fall die Verwendung der Klauseln untersagt.

Vertragsklausel zur Anzahlung von 40 % des Reisepreises bei ausgezeichneten "Top-Angeboten" ebenfalls unzulässig

In dem Verfahren X ZR 147/13 verlangt der klagende Bundesverband der Verbrau­cher­zen­tralen und Verbrau­cher­verbände von der beklagten Reise­ver­an­stalterin, die Verwendung von Reise­be­din­gungen zu unterlassen, nach denen bei Vertrags­ab­schluss gegen Aushändigung der Bestätigung die Anzahlung (die in der Regel 25 % beträgt) bei gesondert gekenn­zeichneten Top-Angeboten sowie ausgewählten, kurzfristigen bzw. preis­re­du­zierten Specials, Sparreisen und Reisen bestimmter Marken sowie Ticket-Paketen aus Leistungs­be­schrei­bungen mit dem Titel "Musicals & Shows" 40 % des Gesamtpreises betragen soll. Das Landgericht hat der Beklagten die Verwendung der Klausel untersagt. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlan­des­gericht zurückgewiesen. Die von der Beklagten unmittelbar bei Vertrags­ab­schluss geforderte Anzahlung von 40 % des Reisepreises sei weitgehend intransparent, d. h. nicht klar und verständlich und benachteilige den Vertragspartner unangemessen im Sinn von § 307 Abs. 1 und 2 BGB*.

BGH weist Revision der Reise­ver­an­stalter weitestgehend zurück

Der Bundes­ge­richtshof hat in den beiden ersten Fällen die Revision des Reise­ver­an­stalters insgesamt und im dritten Fall teilweise zurückgewiesen Er hat auch in der Sache X ZR 85/12 die Beklagte als Reise­ver­an­stalterin angesehen, da sie dem Reisenden eine Gesamtheit von Reiseleistungen zu einem Gesamtpreis zur Verfügung stellt.

Vereinbarung einer höheren Anzahlungsquote als 2 % nicht ausgeschlossen, aber begrün­dungs­pflichtig

Damit stellte sich in allen drei Fällen die Frage, ob der Reise­ver­an­stalter eine höhere Anzahlung als die bisher anerkannten 20 % des Reisepreises verlangen kann, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen. Eine von § 320 BGB abweichende Vorleis­tungs­pflicht, wie sie die Verpflichtung des Reisenden zur Leistung einer Anzahlung darstellt, kann durch AGB begründet werden, wenn sie durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt ist. Für eine Anzahlung, die 20 % des Reisepreises nicht übersteigt, hat der Bundes­ge­richtshof genügen lassen, dass es sich um eine verhältnismäßig geringfügige Vorleistung des Reisenden handelt, der durch den zwingend zu übergebenden Siche­rungs­schein gegen die Insolvenz des Reise­ver­an­stalters abgesichert ist. Die Vereinbarung einer höheren Anzahlungsquote in AGB ist nicht ausgeschlossen, setzt aber zumindest voraus, dass der Reise­ver­an­stalter darlegt, dass die von ihm bei Vertragsschluss zu leistenden Aufwendungen bei denjenigen Reisen, für die die höhere Anzahlung verlangt, typischerweise die geforderte Quote erreichen. Dieser Darle­gungs­pflicht haben die beklagten Reise­ver­an­stalter in den beiden ersten Fällen nicht genügt. Im dritten Fall, in dem der Bundes­ge­richtshof anders als das Oberlan­des­gericht die Klausel nur teilweise als unklar angesehen hat, ist dies vom Berufungs­gericht noch zu prüfen, an das die Sache hierzu zurückverwiesen worden ist.

Zahlungs­ver­pflichtung bis 30 Tage vor Reisebeginn angemessen

Was die Fälligkeit des Gesamtpreises betrifft, hat der Bundes­ge­richtshof eine Zahlungs­ver­pflichtung bis 30 Tage vor Reisebeginn als angemessen erachtet. Die Reise­ver­an­stalter haben nicht dargetan, dass dieser Zeitraum in einer praktisch relevanten Anzahl von Fällen nicht ausreicht, um bei einer ausbleibenden Zahlung die Reise anderweitig verwerten zu können. Auch die Klauseln betreffend die Rücktritts­pau­schalen sind unwirksam, da die beklagten Reise­ver­an­stalter nicht ausreichend dargelegt haben, dass gewöhnlich Stornie­rungs­kosten in der behaupteten Höhe anfallen.

* § 307 BGB Inhalts­kon­trolle

(1) Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Eine unangemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständlich ist.

(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung

1. mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder

2. wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.

(3) Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen, durch die von Rechts­vor­schriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

** § 320 BGB Einrede des nicht erfüllten Vertrages

(1) Wer aus einem gegenseitigen Vertrag verpflichtet ist, kann die ihm obliegende Leistung bis zur Bewirkung der Gegenleistung verweigern, es sei denn, dass er vorzuleisten verpflichtet ist. Hat die Leistung an mehrere zu erfolgen, so kann dem einzelnen der ihm gebührende Teil bis zur Bewirkung der ganzen Gegenleistung verweigert werden. Die Vorschrift des § 273 Abs. 3 findet keine Anwendung.

(2) Ist von der einen Seite teilweise geleistet worden, so kann die Gegenleistung insoweit nicht verweigert werden, als die Verweigerung nach den Umständen, insbesondere wegen verhält­nis­mäßiger Geringfügigkeit des rückständigen Teils, gegen Treu und Glauben verstoßen würde.

*** § 651 i Rücktritt vor Reisebeginn

(1) Vor Reisebeginn kann der Reisende jederzeit vom Vertrag zurücktreten.

(2) Tritt der Reisende vom Vertrag zurück, so verliert der Reise­ver­an­stalter den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Er kann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen. Die Höhe der Entschädigung bestimmt sich nach dem Reisepreis unter Abzug des Wertes der vom Reise­ver­an­stalter ersparten Aufwendungen sowie dessen, was er durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen erwerben kann.

(3) Im Vertrag kann für jede Reiseart unter Berück­sich­tigung der gewöhnlich ersparten Aufwendungen und des durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen gewöhnlich möglichen Erwerbs ein Vomhundertsatz des Reisepreises als Entschädigung festgesetzt werden.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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