21.11.2024
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Sie sehen ein Flugzeug am Himmel.

Dokument-Nr. 13369

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Urteil17.04.2012BundesgerichtshofX ZR 76/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • JuS 2013, 167Zeitschrift: Juristische Schulung (JuS), Jahrgang: 2013, Seite: 167
  • MDR 2012, 894Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2012, Seite: 894
  • NJW 2012, 2107Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2012, Seite: 2107
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Düsseldorf, Urteil30.09.2010, 232 C 6893/10
  • Landgericht Düsseldorf, Urteil20.05.2010, 22 S 262/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil17.04.2012

Vorverlegung des Rückflugs um 10 Stunden kann den Reise­ver­an­stalter zum Schadensersatz verpflichtenEntscheidung des BGH zur Klausel auf Vorbehalt von kurzfristigen Änderungen der Flugzeiten in Allgemeinen Geschäfts­bedingungen eines Reise­ver­an­stalters

Wenn Veranstalter von Pauschalreisen den Rückflug um mehr als zehn Stunden vorverlegen, kann dies einen Reisemangel darstellen. Organisiert sich der Reisende einen termingerechten Rückflug selbst, kann der Reise­ver­an­stalter unter Umständen schadens­ersatz­pflichtig gemacht werden. Dies gilt auch dann, wenn sich der Reise­ver­an­stalter in seinen Allgemeinen Geschäfts­bedingungen eine Änderung der Flugzeiten vorbehalten hat, entschied der Bundes­ge­richtshof.

Die Klägerin verlangt aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Lebensgefährten die Rückzahlung eines gezahlten Reisepreises und Schadensersatz.

Einwöchige Reise - Reiser­ver­an­stalter verlegte Rückflug von 16.40 Uhr auf 5.15 Uhr vor

Der Lebensgefährte der Klägerin buchte im Februar 2009 für sich und die Klägerin bei der Beklagten eine einwöchige Pauschalreise in die Türkei zum Preis von 369 € pro Person mit einem Rückflug am 1. Juni 2009 um 16.40 Uhr. In ihren in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäfts­be­din­gungen behielt sich die Beklagte die kurzfristige Änderung der Flugzeiten und Streckenführung vor, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt wird, und wurde die Abtretung von Ansprüchen gegen die Beklagte, die auf Leistungs­stö­rungen beruhen, ausgeschlossen. Der Rückflug wurde am Vortag auf 5.15 Uhr des 1. Juni 2009 vorverlegt, wozu die Reisenden um 1.25 Uhr am Hotel abgeholt werden sollten. Die Klägerin und ihr Lebensgefährte bemühten sich um einen anderen Rückflug, den sie an dem vorgesehenen Rückflugtag um 14.00 Uhr antraten und selbst bezahlten. Der Lebensgefährte der Klägerin trat ihr seine Ansprüche ab. Nach Geltendmachung von Reisemängeln zahlte die Beklagte an die Klägerin 42,16 €.

Klägerin verlangt Rückzahlung des Reisepreises und Kosten für Rückflug

Die Klägerin verlangt von der Beklagten unter anderem die Rückzahlung des gesamten Reisepreises abzüglich 70 € für in Anspruch genommene Verpfle­gungs­leis­tungen, die Erstattung von insgesamt 504,52 € Rücktrans­port­kosten sowie Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in Höhe von 480,80 € für sich selbst und 2.193,10 € für ihren Lebensgefährten.

Amtsgericht sprach der Klägerin 25,00 € wegen Minderung zu

Das Amtsgericht hat der Klägerin 25,00 € wegen Minderung des Reisepreises zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist ohne Erfolg geblieben. Das Landgericht hat angenommen, wegen des in den AGB der Beklagten enthaltenen, rechtlich nicht zu beanstandenden Abtre­tungs­verbots seien die Ansprüche ihres Lebensgefährten nicht wirksam an die Klägerin abgetreten worden. Im Übrigen begründe die Vorverlegung des Rückflugtermins zwar einen Reisemangel, der den Reisepreis um 25,00 € mindere, jedoch liege darin angesichts des besonders günstigen Reisepreises keine erhebliche Beein­träch­tigung der Reise, die die Klägerin zu einer Kündigung des Vertrags oder einer Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit berechtigen würde. Auch die Kosten der anderweitigen Rückreise müsse die Beklagte nicht erstatten, denn diese beruhten auf einem eigenen Entschluss der Klägerin und ihres Lebensgefährten und seien damit der Beklagten nicht mehr zuzurechnen.

BGH hebt Urteil des Amtsgerichts auf - AGB-Klausel hinsichtlich der Änderung der Flugzeiten unwirksam

Der unter anderem für das Reiserecht zuständige X. Zivilsenat des Bundes­ge­richtshofs hat das Berufungsurteil teilweise aufgehoben und die Sache insoweit an das Berufungs­gericht zurückverwiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungs­ge­richts ist das in den AGB enthaltene Abtre­tungs­verbot bei einem Reisevertrag wegen einer unangemessenen Benachteiligung der Reisenden unwirksam. Da es sich auf Gewähr­leis­tungs­ansprüche beschränkt, sind die Interessen des Reise­ver­an­stalters nur von geringem Gewicht. Hingegen haben die Reisenden nicht selten das Bedürfnis, solche Ansprüche an einen ihrer Mitreisenden abzutreten, der wirtschaftlich (anteilig) die Kosten der Reise (mit)getragen hat.

Vorverlegung des Flugs um mehr als 10 Stunden ist Reisemangel

Auch bei Berück­sich­tigung des in den AGB enthaltenen Vorbehalts hat das Berufungs­gericht in der Vorverlegung des Flugs um mehr als 10 Stunden zu Recht einen Reisemangel erkannt. Dieser berechtigte die Reisenden aber grundsätzlich auch zur Selbstabhilfe und zur Erstattung der mit dem selbst organisierten Rückflug entstandenen Kosten, wenn sie zuvor dem Reiseveranstalter eine Abhilfefrist gesetzt hatten oder eine solche Fristsetzung entbehrlich war. Letzteres kann sich bereits aus den Umständen ergeben, etwa wenn der Reise­ver­an­stalter den Reisemangel bewusst verursacht und ihn als unvermeidlich darstellt.

Keine erhebliche Beein­träch­tigung

Die Vorverlegung des Rückflugs stellt im Streitfall hingegen keine erhebliche Beein­träch­tigung der Reise dar. Dies kann zwar nicht mit dem geringen Reisepreis begründet werden. Nach Bejahung eines Reisemangels kommt es vielmehr darauf an, welchen Anteil der Mangel in Relation zur gesamten Reiseleistung hatte und wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden ausgewirkt hat. Da die Reisenden dem Reisemangel aber im Wesentlichen selbst abgeholfen haben, ist danach keine erhebliche Beein­träch­tigung mehr zu erkennen, die zur Kündigung oder einer Entschädigung für nutzlos aufgewendete Urlaubszeit berechtigen würde.

Berufungs­gericht muss erneut entscheiden

Für das Berufungs­gericht bleibt zu prüfen, ob die Klägerin und ihr Lebensgefährte der Beklagten eine Frist zur Abhilfe gesetzt haben oder diese nach den Umständen entbehrlich war, sowie in welcher Höhe Kosten für den Rückflug tatsächlich angefallen sind.

Quelle: ra-online, Bundesgerichtshof (pm/pt)

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