21.11.2024
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Sie sehen einen Teil eines Daches, welches durch einen Sturm stark beschädigt wurde.

Dokument-Nr. 14450

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Urteil23.10.2012BundesgerichtshofX ZR 157/11
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • MDR 2013, 139Zeitschrift: Monatsschrift für Deutsches Recht (MDR), Jahrgang: 2013, Seite: 139
  • NJW 2013, 308Zeitschrift: Neue Juristische Wochenschrift (NJW), Jahrgang: 2013, Seite: 308
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Vorinstanzen:
  • Amtsgericht Schwerin, Urteil04.06.2010, 14 C 636/07
  • Landgericht Schwerin, Urteil16.11.2011, 6 S 69/10
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil23.10.2012

Verbraucher kann Mängelansprüche gegen Reise­ver­an­stalter auch vor deutschem Gericht geltend machenVerbraucher darf sich aufgrund von Mängeln an gemietetem Ferienhaus und frühzeitiger Urlaubsrückkehr an deutsches Gericht wenden

Die Geltendmachung von Ansprüchen eines Verbrauchers gegen den Reise­ver­an­stalter aufgrund von Mängeln an einem Ferienhaus, welches sich im Ausland befindet, ist vor deutschen Gerichten zulässig. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

In dem zugrunde liegenden Streitfall buchten die Kläger, die ihren Wohnsitz in Schwerin haben, im Jahr 2007 bei der Beklagten, einem dänischen Reiseveranstalter, ein Ferienhaus in Belgien, das die Beklagte in ihrem Katalog angeboten hatte. Bei Anreise stellten die Kläger erhebliche Mängel fest, die die Beklagte trotz mehrerer Aufforderungen nicht beseitigte. Daraufhin reisten die Kläger nach entsprechender Ankündigung ab. Sie machen gegen die Beklagte Ansprüche u.a. auf Rückzahlung des Reisepreises und Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit geltend und haben Klage vor dem Amtsgericht Schwerin erhoben.

Beklagte rügt gerichtliche Zuständigkeit

Die Beklagte hat die fehlende internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte gerügt. Da der Rechtsstreit unmittelbar an einen Mietvertrag über eine unbewegliche Sache anknüpfe, sei gemäß Art. 22 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen* (nachfolgend: Verordnung) das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk das Ferienhaus belegen sei, damit das Gericht in Lüttich (Belgien). Die Kläger haben geltend gemacht, gemäß Art. 15 Abs. 1c** in Verbindung mit Art. 16 Abs. 1 der Verordnung*** sei das Amtsgericht Schwerin zuständig, da sie als Verbraucher die Beklagte als Reise­ver­an­stalter in Anspruch nähmen.

Amtsgericht Schwerin bestätigt seine internationale Zuständigkeit

Das Amtsgericht Schwerin hat seine internationale Zuständigkeit bejaht und den Klägern die geltend gemachten Ansprüche zugesprochen. Der Verbrau­cher­schutz­gedanke gebiete die Anwendbarkeit der Art. 15, 16 der Verordnung. Die Berufung der Beklagten ist vom Landgericht Schwerin zurückgewiesen worden, das ebenfalls Art. 22 Nr. 1 der Verordnung nicht für anwendbar gehalten hat.

Reise­ver­an­stalter haftet für Mietmängel am Ferienhaus

Der für das Reise- und Perso­nen­be­för­de­rungsrecht zuständige X. Zivilsenat hat das Berufungsurteil bestätigt und entschieden, dass die deutschen Gerichte für die Klage international zuständig sind: Ein Verbraucher, der von einem gewerblichen Reise­ver­an­stalter ein einem Dritten gehörendes Ferienhaus gemietet hat, kann Ansprüche aus dem Mietverhältnis gegen den Reise­ver­an­stalter bei dem Gericht seines Wohnsitzes geltend machen.

Verbraucher darf an seinem Wohnsitz gegen Reise­ver­an­stalter klagen

Die ausschließliche Zuständigkeit des Gerichts des Ortes, an dem sich das Ferienhaus befindet, greift in diesem Fall nicht ein. Diese Vorschrift, die die Parteien zur Klage vor einem Gericht verpflichten kann, das von dem Sitz bzw. Wohnsitz beider Parteien abweicht, ist nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union eng auszulegen. Hat ein Reise­ver­an­stalter ein Ferienhaus an einen Verbraucher vermietet und stehen sich damit bei einem Rechtsstreit aus dem Mietverhältnis nicht Mieter und Eigentümer der Immobilie gegenüber, kann der Verbraucher an seinem Wohnsitz gegen den Reise­ver­an­stalter klagen.

Entschä­di­gungs­an­spruch für Verbraucher auch dann, wenn Reise­ver­an­stalter nur vertragliche Leistung vollbringt

Der Bundes­ge­richtshof hat ferner seine Rechtsprechung bestätigt, nach der der Verbraucher von dem Reise­ver­an­stalter bei Mängeln seiner Leistung eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit in entsprechender Anwendung des § 651 f Abs. 2 BGB**** auch dann verlangen kann, wenn der Reise­ver­an­stalter keine Gesamtheit von Reiseleistungen erbringt, sondern seine vertragliche Leistung wie hier nur in der Überlassung eines Ferienhauses besteht.

Erläuterungen

*Artikel 22 [Ausschließ­licher Gerichtsstand]

Ohne Rücksicht auf den Wohnsitz sind ausschließlich zuständig:

1. für Klagen, welche dingliche Rechte an unbeweglichen Sachen sowie die Miete oder Pacht von unbeweglichen Sachen zum Gegenstand haben, die Gerichte des Mitgliedstaats, in dem die unbewegliche Sache belegen ist. …

** Artikel 15 [Verbrau­cher­sachen]

(1) Bilden ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag, den eine Person, der Verbraucher, zu einem Zweck geschlossen hat, der nicht der beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit dieser Person zugerechnet werden kann, den Gegenstand des Verfahrens, so bestimmt sich die Zuständigkeit unbeschadet des Artikels 4 und des Artikels 5 Nummer 5 nach diesem Abschnitt, …

c) in allen anderen Fällen, wenn der andere Vertragspartner in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet der Verbraucher seinen Wohnsitz hat, eine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit ausübt oder eine solche auf irgend einem Wege auf diesen Mitgliedstaat oder auf mehrere Staaten, einschließlich dieses Mitgliedstaats, ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt….

***Artikel 16 [Gerichtsstände]

(1) Die Klage eines Verbrauchers gegen den anderen Vertragspartner kann entweder vor den Gerichten des Mitgliedstaats erhoben werden, in dessen Hoheitsgebiet dieser Vertragspartner seinen Wohnsitz hat, oder vor dem Gericht des Ortes, an dem der Verbraucher seinen Wohnsitz hat. …

****§ 651 f BGB. Schadensersatz

(1) …

(2) Wird die Reise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt, so kann der Reisende auch wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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