18.10.2024
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Urteil17.10.2018BundesgerichtshofVIII ZR 94/17
passende Fundstellen in der Fachliteratur:
  • GE 2018, 1521Das Grundeigentum - Zeitschrift für die gesamte Grundstücks-, Haus- und Wohnungswirtschaft (GE), Jahrgang: 2018, Seite: 1521
  • WuM 2018, 765Zeitschrift: Wohnungswirtschaft und Mietrecht (WuM), Jahrgang: 2018, Seite: 765
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Bundesgerichtshof Urteil17.10.2018

Kein Widerrufsrecht des Mieters nach Zustimmung zur Mieterhöhung bis zur ortsüblichen VergleichsmieteBGH urteilt entgegen der teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung

Einem Mieter steht nach einer erklärten Zustimmung zu einem Mieter­hö­hungs­ver­langen kein Verbrau­cher­wi­der­rufsrecht bei Fernab­satz­ver­trägen zu. Dies hat der Bundes­ge­richtshof in seiner Entscheidung bekanntgegeben und die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Im verhandelten Fall ist der Kläger Mieter einer Wohnung der Beklagten in Berlin. Im Juli 2015 forderte die Beklagte, eine Komman­dit­ge­sell­schaft, vertreten durch die Hausverwaltung, den Kläger unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel brieflich auf, einer (näher erläuterten) Erhöhung der Netto-Kaltmiete von 807,87 € auf 929,15 € zuzustimmen. Dem kam der Kläger zwar zunächst nach, erklärte jedoch kurz darauf den Widerruf seiner Zustimmung. Anschließend entrichtete er von Oktober 2015 bis Juli 2016 die monatlich um 121,18 € erhöhte Miete lediglich unter Vorbehalt. Mit seiner Klage verlangt er die Rückzahlung der für diese zehn Monate entrichteten Erhöhungs­beträge von insgesamt 1.211,80 € sowie die Feststellung, dass sich die Netto-Kaltmiete der von ihm gemieteten Wohnung nicht erhöht habe.

LG: Grundsätzliches Widerrufsrecht auch bei Zustim­mungs­er­klä­rungen zu Mieter­hö­hungs­ver­langen

Die Klage hat in den Vorinstanzen keinen Erfolg gehabt. Dabei ist das Berufungs­gericht davon ausgegangen, dass im Grundsatz auch bei Zustim­mungs­er­klä­rungen des Mieters zu Mieterhöhungsverlangen (§ 558 a Abs. 1, § 558 b Abs. 1 BGB) ein fernab­satz­recht­liches Widerrufsrecht des Verbrauchers bestehe. Im vorliegenden Fall fehle es jedoch an einem im Fernabsatz geschlossenen Verbrau­cher­vertrag (§ 312 c Abs. 1 BGB). Denn die Mieter­hö­hungs­ver­ein­barung zwischen dem Kläger als Verbraucher und der Beklagten, die gewerblich Wohnungen vermiete, sei zwar unter ausschließ­licher Verwendung von Fernkom­mu­ni­ka­ti­o­ns­mitteln (Brief), nicht jedoch "im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienst­leis­tungs­systems" (§ 312 c Abs. 1 Halbs. 2 BGB) getroffen worden. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

BGH: Mieter steht kein Widerrufsrecht zu

Der Bundes­ge­richtshof hat die Revision zurückgewiesen und entschieden, dass - entgegen einer teilweise im Schrifttum vertretenen Auffassung - die gemäß § 558 b Abs. 1 BGB erklärte Zustimmung des Mieters zu einem Mieter­hö­hungs­ver­langen des Vermieters nach § 558 Abs. 1, § 558 a Abs. 1 BGB vom Anwen­dungs­bereich des Verbrau­cher­wi­derrufs bei Fernab­satz­ver­trägen nicht erfasst ist und dem Mieter ein dahingehendes Widerrufsrecht nicht zusteht.

Wortlaut des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB einschränkend auszulegen

Der Wortlaut des § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB erstreckt das Widerrufsrecht zwar auf "Verträge über die Vermietung von Wohnraum". Der Anwen­dungs­bereich dieser Vorschrift jedoch ist dahingehend einschränkend auszulegen, dass ein Widerrufsrecht des Mieters bei einer Zustim­mungs­er­klärung zu einer vom Vermieter verlangten Erhöhung der Miete nach den §§ 558 ff. BGB nicht gegeben ist. Dies folgt aus dem Regelungszweck sowohl der Bestimmungen über die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete (§§ 558 ff. BGB) als auch der Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Fernab­satz­ver­trägen.

Mieter durch Gesetz im Hinblick auf Überle­gungsfrist und Infor­ma­ti­o­ns­defizit ausreichend geschützt

Denn mit dem in § 312 Abs. 4 Satz 1 BGB vorgesehenen Widerrufsrecht des Mieters einer Wohnung soll Fehlent­schei­dungen aufgrund der Gefahr psychischen Drucks sowie dem typischerweise bestehenden Infor­ma­ti­o­ns­defizit des Mieters begegnet werden. Dieser Zielsetzung des Gesetzes tragen bei Mieterhöhungen bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete die in den §§ 558 ff. BGB vorgesehenen Bestimmungen zum Schutz des Mieters bereits uneingeschränkt Rechnung. Gemäß § 558 a Abs. 1 BGB ist das (in Textform zu erklärende) Mieter­hö­hungs­ver­langen vom Vermieter zu begründen. Damit soll dem Mieter die Möglichkeit gegeben werden, die sachliche Berechtigung des Erhöhungs­ver­langens zu überprüfen. Schon dadurch kann der Mieter seinen rechts­ge­schäft­lichen Willen ohne ein Infor­ma­ti­o­ns­defizit und außerhalb einer etwaigen Drucksituation bilden. Außerdem räumt das Gesetz dadurch, dass der Vermieter frühestens nach Ablauf des zweiten Kalendermonats nach Zugang des Mieter­hö­hungs­ver­langens auf Erteilung der Zustimmung klagen kann (§ 558 b Abs. 2 BGB), dem Mieter eine angemessene Überle­gungsfrist ein, innerhalb derer er sich entscheiden kann, ob und gegebenenfalls inwieweit er der Mieterhöhung zustimmt. Somit ist bereits durch die Bestimmungen der §§ 558 ff. BGB sichergestellt, dass der Sinn und Zweck der verbrau­cher­schüt­zenden Regelungen für Vertrags­ab­schlüsse im Fernabsatz erfüllt ist.

Widerrufsrecht des Mieters außerhalb von Geschäftsräumen bleibt unberührt

Die Rechtsprechung des Bundes­ge­richtshofs zum Widerrufsrecht des Mieters bei außerhalb von Geschäftsräumen (früher: in einer Haustür­si­tuation) geschlossenen Verbrau­cher­ver­trägen zwischen einem Vermieter und einem Mieter (BGH, Urteil vom 17. Mai 2017 - VIII ZR 29/16, NJW 2017, 2823 Rn. 11 ff.) bleibt hiervon unberührt.

Erläuterungen
Die maßgeblichen Vorschriften lauten:

§ 312 BGB Anwen­dungs­bereich

(1) Die Vorschriften [...] sind nur auf Verbrau­cher­verträge [...] anzuwenden, die eine entgeltliche Leistung des Unternehmers zum Gegenstand haben.

[...]

(3) Auf Verträge über [...] sind von den Vorschriften [...] nur folgende anzuwenden:

1. die Definitionen der außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträge und der Fernabsatzverträge nach den §§ 312 b und 312c,

[...]

7. § 312 g über das Widerrufsrecht.

(4) 1Auf Verträge über die Vermietung von Wohnraum sind von den Vorschriften [...] nur die in Absatz 3 Nummer 1 bis 7 genannten Bestimmungen anzuwenden. [...]

§ 312 c BGB Fernab­satz­verträge

(1) Fernab­satz­verträge sind Verträge, bei denen der Unternehmer oder eine in seinem Namen oder Auftrag handelnde Person und der Verbraucher für die Vertrags­ver­hand­lungen und den Vertragsschluss ausschließlich Fernkom­mu­ni­ka­ti­o­ns­mittel verwenden, es sei denn, dass der Vertragsschluss nicht im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienst­leis­tungs­systems erfolgt.

[...]

§ 312 g BGB Widerrufsrecht

(1) Dem Verbraucher steht bei außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und bei Fernab­satz­ver­trägen ein Widerrufsrecht gemäß § 355 zu.

[...]

§ 355 BGB Widerrufsrecht bei Verbrau­cher­ver­trägen

(1) 1Wird einem Verbraucher durch Gesetz ein Widerrufsrecht nach dieser Vorschrift eingeräumt, so sind der Verbraucher und der Unternehmer an ihre auf den Abschluss des Vertrags gerichteten Willen­s­er­klä­rungen nicht mehr gebunden, wenn der Verbraucher seine Willen­s­er­klärung fristgerecht widerrufen hat.

[...]

§ 558 BGB Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

(1) 1Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn [...]

§ 558 a BGB Form und Begründung der Mieterhöhung

(1) Das Mieter­hö­hungs­ver­langen nach § 558 ist dem Mieter in Textform zu erklären und zu begründen.

[...]

§ 558 b BGB Zustimmung zur Mieterhöhung

(1) Soweit der Mieter der Mieterhöhung zustimmt, schuldet er die erhöhte Miete mit Beginn des dritten Kalendermonats nach dem Zugang des Erhöhungs­ver­langens.

(2) 1Soweit der Mieter der Mieterhöhung nicht bis zum Ablauf des zweiten Kalendermonats nach dem Zugang des Verlangens zustimmt, kann der Vermieter auf Erteilung der Zustimmung klagen. [...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ ra-online

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