Bundesgerichtshof Urteil16.11.2005
Mieter darf Parabolantenne bei überwiegendem Informationsinteresse aufstellenDuldungspflicht des Vermieters trotz fehlender Zustimmung
Besteht für die Anbringung einer Parabolantenne ein überwiegendes Informationsinteresse (Art. 5 GG) des Mieters, so tritt das Eigentumsrecht des Vermieters aus Art. 14 GG zurück. Der Vermieter hat dann keinen Anspruch auf Beseitigung. Dies hat der Bundesgerichtshof entschieden.
Im zugrunde liegenden Fall brachten die Beklagten auf dem Balkon ihrer Wohnung eine Parabolantenne an. Dem Beseitigungsverlangen des Vermieters kamen sie nicht nach. Woraufhin dieser Klage auf Beseitigung erhob. Sowohl das Amtsgericht Charlottenburg als auch das Landgericht Berlin als Berufungsinstanz bejahten das Begehren des Vermieters.
Fehlende Zustimmung genügt für Beseitigungsanspruch nicht
Der Bundesgerichtshof führte in seinem Urteil aus, dass der Vermieter gemäß § 541 BGB auf Unterlassung und Beseitigung klagen kann, wenn der Mieter einen vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache trotz einer Abmahnung fortsetzt. Die Anbringung einer Parabolantenne an der Balkonbrüstung ohne Zustimmung des Vermieters ist vertragswidrig, wenn dieser die Anbringung nicht zu dulden braucht (BGH, Urt. v. 02.03.2005 - VIII ZR 118/04 = NJW-RR 2005, 596). Eine Duldungspflicht besteht jedenfalls dann nicht, wenn von der Antenne Gefahren für Dritte ausgehen können oder sie nicht fachgerecht installiert wurde. Der Vermieter kann sich zur Begründung des Beseitigungsanspruches aber nicht auf das bloße Fehlen seiner Zustimmung berufen.
Abwägung zwischen beiden Grundrechten erforderlich
Die Anbringung einer Parabolantenne, so der BGH weiter, betrifft sowohl das Grundrecht des Mieters auf Informationsbeschaffung (Art. 5 Abs. 1 GG) als auch das Eigentumsrecht des Vermieters (Art. 14 Abs. 1 GG). Die Entscheidung über die Duldungspflicht des Vermieters bedarf daher in der Regel eine fallbezogene Abwägung beider Grundrechte (BGH, Urt. v. 02.03.2005 - VIII ZR 118/04). Diese Abwägung ist grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten. Das Berufungsgericht nahm hier aber eine solche Abwägung nicht vor und traf auch nicht die dafür erforderlichen Feststellungen, so dass das Urteil durch den BGH aufgehoben und zur neuen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen wurde.
Kein grundsätzlicher Vorrang des Informationsinteresses
Das durch Art. 5 Abs. 1 GG geschützte Informationsinteresse des Mieters wird nach Auffassung des BGH in der Regel durch das Bereitstellen des Breitbandkabelanschlusses genüge getragen. Dies gilt im Übrigen auch für ausländische Mieter, wenn für ihn über den Kabelanschluss ein ausreichender Empfang von Programmen in seiner Sprache und aus seinem Heimatland gewährleistet wird. Für einen Anspruch auf Duldung einer Parabolantenne reicht es demnach nicht aus, dass über eine Satellitenempfangsanlage im Vergleich zu einem Breitbandkabelanschluss eine größere Anzahl von Programmen empfangen werden kann.
Ein Vorrang des Informationsinteresses des Mieters gegenüber dem Eigentumsinteresse des Vermieters ergibt sich auch nicht aus Art. 49 des EG-Vertrages (Dienstleistungsfreiheit) oder aus Art. 10 EMRK (Informationsfreiheit). Auch hier bedarf es einer Abwägung des Einzelfalls.
© urteile.news (ra-online GmbH), Berlin 17.10.2012
Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (vt/rb)