18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil07.07.2010

BGH: Belastung des Verbrauchers mit Kosten für Hinsendung von Ware bei Fernab­satz­ge­schäft unzulässigBerechnung von Versandkosten nach Rücksendung der Ware nicht mit EU-Richtlinien vereinbar

Ein Verkäufer von Waren im Fernab­satz­ge­schäft darf einen Verbraucher nicht mit den Versandkosten für die Hinsendung der Ware an den Verbraucher belasten, wenn dieser von seinem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch macht. Dies entschied der Bundes­ge­richtshof.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls ist ein Verbrau­cher­verband und die Beklagte betreibt ein Versand­han­dels­un­ter­nehmen. Sie stellt Ihren Kunden für die Zusendung der Ware einen Versand­kos­te­n­anteil von pauschal 4,95 € pro Bestellung in Rechnung. Der Kläger klagt gegen Erhebung der Versandkosten nach Ausübung des Widerrufs- oder Rückgaberechts bei Fernab­satz­ge­schäften. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Oberlan­des­gericht hat die dagegen gerichtete Berufung zurückgewiesen.

BGH legt EuGH Frage zur Vereinbarkeit von nationaler Regelung zur Erhebung von Versandkosten mit EU-Richtlinie zum Verbrau­cher­schutz bei Vertrags­ab­sch­lüssen im Fernabsatz vor

Die Revision des Versand­han­dels­un­ter­nehmens hatte keinen Erfolg. Der Bundes­ge­richtshof hat das Revisi­ons­ver­fahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) die Frage zur Vorab­ent­scheidung vorgelegt, ob die Richtlinie 97/7/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Mai 1997 über den Verbrau­cher­schutz bei Vertrags­ab­sch­lüssen im Fernabsatz (Fernabsatz-Richtlinien) dahin auszulegen ist, dass sie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Kosten der Zusendung der Waren auch dann dem Verbraucher auferlegt werden können, wenn er den Vertrag widerrufen hat (vgl. Bundes­ge­richtshof, Beschluss v. 01.10.2008 - VIII ZR 268/07 -).

EuGH: Verbraucher darf durch Kosten nicht von Ausübung seines Widerrufsrechts abgehalten werden

Dies hat der EuGH bejaht und zur Begründung ausgeführt, dass mit Artikel 6 der Fernabsatz-Richtlinie eindeutig das Ziel verfolgt wird, den Verbraucher nicht von der Ausübung seines Widerrufsrechts abzuhalten. Deshalb liefe eine Auslegung, nach der es den Mitglieds­s­taaten der Europäischen Union erlaubt wäre, eine Regelung vorzusehen, die dem Verbraucher im Fall eines solchen Widerrufs die Kosten der Zusendung in Rechnung stellt, diesem Ziel zuwider (vgl. Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil v. 15.04.2010 - C-511/08 -).

Keine Berechnung von Kosten für die Hinsendung bei Gebrauchmachung des Kunden von Widerrufs- oder Rückgaberecht

Aufgrund dieser für die nationalen Gerichte bindenden Auslegung der Fernabsatz-Richtlinie durch den EuGH ist § 346 Abs. 1 BGB in Verbindung mit §§ 312 d, 357 BGB richt­li­ni­en­konform dahin auszulegen, dass dem Verbraucher nach dem Widerruf eines Fernab­satz­ver­trages ein Anspruch auf Rückgewähr geleisteter Hinsendekosten zusteht. Dementsprechend ist es Verkäufern von Waren im Fernab­satz­ge­schäft - wie der Beklagten im entschiedenen Fall - verwehrt, Verbrauchern die Kosten für die Hinsendung der von ihr vertriebenen Waren auch dann aufzuerlegen, wenn diese von ihrem Widerrufs- oder Rückgaberecht Gebrauch machen.

Art.6 Fernab­satz­richtlinie

Erläuterungen
Widerrufsrecht

(1) Der Verbraucher kann jeden Vertrags­ab­schluss im Fernabsatz innerhalb einer Frist von mindestens sieben Werktagen ohne Angaben von Gründen und ohne Strafzahlung widerrufen. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren.

...

(2) Übt der Verbraucher das Recht auf Widerruf gemäß diesem Artikel aus, so hat der Lieferer die vom Verbraucher geleisteten Zahlungen kostenlos zu erstatten. Die einzigen Kosten, die dem Verbraucher infolge der Ausübung seines Widerrufsrechts auferlegt werden können, sind die unmittelbaren Kosten der Rücksendung der Waren. Die Erstattung hat so bald wie möglich in jedem Fall jedoch binnen 30 Tagen zu erfolgen.

§ 312 d BGB: Widerrufs- und Rückgaberecht bei Fernab­satz­ver­trägen

Dem Verbraucher steht bei einem Fernab­satz­vertrag ein Widerrufsrecht nach § 355 zu. Anstelle des Widerrufsrechts kann dem Verbraucher bei Verträgen über die Lieferung von Waren ein Rückgaberecht nach § 356 eingeräumt werden.

(...)

§ 357 BGB: Rechtsfolgen des Widerrufs und der Rückgabe

(1) Auf das Widerrufs- und das Rückgaberecht finden, soweit nicht ein anderes bestimmt ist, die Vorschriften über den gesetzlichen Rücktritt entsprechende Anwendung.

(...)

§ 346 BGB: Wirkungen des Rücktritts

Hat sich eine Vertragspartei vertraglich den Rücktritt vorbehalten oder steht ihr ein gesetzliches Rücktrittsrecht zu, so sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurück­zu­ge­währen und die gezogenen Nutzungen herauszugeben.

(...)

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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