21.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil26.10.2016

"Vorführeffekt": Abwarten bei sporadisch auftretendem sicherheits­relevantem Mangel für Käufer unzumutbarBGH erklärt Rücktritt vom Kaufvertrag auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung für zulässig

Der Bundes­ge­richtshof hatte sich in einer Entscheidung mit der Frage befasst, ob es einem Käufer nach § 440 Satz 1 BGB zumutbar ist, dass der Verkäufer die geschuldete Nachbesserung bei einem nur sporadisch auftretenden, aber für die Verkehrs­si­cherheit relevanten Mangel eine aufwendige Untersuchung zunächst unterlässt und den Käufer darauf verweist, das Fahrzeug bei erneutem Auftreten der Mangelsymptome wieder vorzuführen.

Der Kläger des zugrunde liegenden Verfahrens kaufte von der beklagten Kraft­fahr­zeughändlerin einen gebrauchten Volvo V 50 zum Preis von 12.300 Euro. Kurze Zeit nach der Übergabe des Fahrzeugs bemängelte der Kläger (u.a.), dass das Kupplungspedal nach Betätigung am Fahrzeugboden hängengeblieben sei, so dass es in die Ausgangs­po­sition habe zurückgezogen werden müssen.

Kläger tritt mangels Repara­tur­be­reit­schaft seitens der Beklagten vom Kaufvertrag zurück

Bei einer daraufhin von der Beklagten durchgeführten Unter­su­chungsfahrt trat der vom Kläger gerügte Mangel am Kupplungspedal allerdings auch bei mehrmaliger Betätigung der Kupplung nicht auf. Während der Kläger geltend machte, dass er gleichwohl, allerdings vergeblich, auf einer umgehenden Mangelbehebung bestanden habe, wolle die Beklagte ihm lediglich mitgeteilt haben, dass derzeit kein Grund zur Annahme einer Mangel­haf­tigkeit und somit für ein Tätigwerden bestehe und der Kläger das Fahrzeug bei erneutem Hängenbleiben des Kupplungspedals wieder bei ihr vorstellen solle. Nachdem der Kläger in den folgenden Tagen unter Hinweis auf ein erneutes Hängenbleiben des Kupplungspedals vergeblich versucht hatte, die Beklagte zu einer Äußerung über ihre Repara­tur­be­reit­schaft zu bewegen, trat er vom Kaufvertrag zurück.

Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und den Ersatz weiterer Schäden gerichtete Klage war in zweiter Instanz erfolgreich. Mit der vom Berufungs­gericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr auf vollständige Abweisung der Klage gerichtetes Begehren weiter.

BGH erklärt Rücktritt vom Kaufvertrag für gerechtfertigt

Der Bundes­ge­richtshof entschied, dass der Kläger auch ohne Fristsetzung zur Nachbesserung wirksam vom Kaufvertrag zurücktreten konnte, weil es ihm trotz des nur sporadischen Auftreten des Mangels aufgrund dessen Relevanz für die Verkehrs­si­cherheit des Kraftfahrzeugs nicht im Sinne von § 440 Satz 1 BGB* zumutbar war, ein weiteres Auftreten der Mangelsymptome abzuwarten.

Der Kläger hat den Anforderungen an ein hinreichendes Nacher­fül­lungs­ver­langen bereits dadurch genügt, dass er der Beklagten neben der Einräumung einer Unter­su­chungs­mög­lichkeit die Mangelsymptome hinreichend genau bezeichnet hatte.

Hängenbleiben des Kupplungspedals stellt keinen bloßen "Komfortmangel" dar

Bei dem durch Sachver­stän­di­gen­gut­achten bestätigten und bereits bei Gefahrübergang vorhandenen sporadischen Hängenbleiben des Kupplungspedals handelte es sich nicht um einen bloßen "Komfortmangel" , sondern um einen sicher­heits­re­le­vanten Mangel. Denn eine solche Fehlfunktion kann, selbst wenn sie nur das Kupplungspedal selbst betrifft, unter anderem wegen des beim Fahrer hervorgerufenen Aufmerk­sam­keits­verlusts die Unfallgefahr signifikant erhöhen. Mit ihrer Erklärung anlässlich der Vorführung des Fahrzeugs, es bestünde kein Grund für die Annahme einer Mangel­haf­tigkeit und damit ein Tätigwerden, solange der behauptete Mangel nicht (erneut) auftrete und der Kläger damit nochmals vorstellig werde, ist die Beklagte dem Nacher­fül­lungs­ver­langen nicht gerecht geworden.

Verant­wor­tungsvoll Nutzung des Fahrzeugs ohne Mangelabklärung unmöglich

Denn eine verant­wor­tungsvolle Benutzbarkeit des Fahrzeugs war ohne Abklärung des Mangels weitgehend aufgehoben, da der verkehr­s­un­sichere Zustand fortbestand und es dem Kläger - der das Fahrzeug insofern auch tatsächlich noch im Juli 2013 stilllegte - nicht zugemutet werden konnte, das Risiko der Benutzung im öffentlichen Straßenverkehr auf sich zu nehmen.

Rücktritt vom Kaufvertrag war nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels ausgeschlossen

Ein Rücktritt war im vorliegenden Fall auch nicht wegen Unerheblichkeit des Mangels (§ 323 Abs. 5 Satz 2 BGB***) ausgeschlossen, auch wenn dieser letzten Endes (nachdem der Kläger den Rücktritt bereits erklärt hatte) mit geringen Kosten (433,49 Euro) beseitigt werden konnte. Denn solange die Ursache eines aufgetretenen Mangelsymptoms unklar ist, kann die Erheblichkeit des Mangels regelmäßig nur an der hiervon ausgehenden Funkti­o­ns­be­ein­träch­tigung gemessen werden, die vorliegend aufgrund der Gefahren für Verkehrs­si­cherheit des Fahrzeugs jedenfalls als erheblich anzusehen war.

*§ 440 BGB Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz

1[...] bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung [...] verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. [...]

**§ 439 BGB Nacherfüllung

[...]

(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.

[...]

***§ 323 BGB Rücktritt wegen nicht oder nicht vertragsgemäß erbrachter Leistung

[...]

(5) [...] 2 Hat der Schuldner die Leistung nicht vertragsgemäß bewirkt, so kann der Gläubiger vom Vertrag nicht zurücktreten, wenn die Pflicht­ver­letzung unerheblich ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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