18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil04.11.2015

Kappungsgrenze von 15 % bei Mieterhöhungen in Berlin zulässigBundes­ge­richtshof bestätigt Rechtmäßigkeit der Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom 7. Mai 2013 rechtmäßig ist. Im gesamten Stadtgebiet von Berlin ist daher die geltende allgemeine Kappungsgrenze für die Erhöhung von Bestandsmieten in Wohn­raum­miet­ver­hält­nissen für die Dauer von fünf Jahren von 20 % auf 15 % herabgesetzt (§ 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB*).

Der Beklagte des zugrunde liegenden Verfahrens ist seit 2007 Mieter einer Wohnung des Klägers in Berlin-Wedding. Mit Schreiben vom 1. September 2013 forderte der Kläger vom Beklagten die Zustimmung zur Erhöhung der monatlichen Miete um 20 %. Er hält die Berliner Kappungsgrenzen-Verordnung insbesondere deswegen für unwirksam, weil diese die Kappungsgrenze für das gesamte Stadtgebiet Berlins herabsetze, obwohl nicht in allen Stadtteilen die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet sei. Der Beklagte hat nur einer Erhöhung um 15 % zugestimmt. Die weitergehende Klage hatte in allen Instanzen keinen Erfolg.

Kappungsgrenzen-Verordnung beruht auf verfas­sungs­mäßiger Ermäch­ti­gungs­grundlage

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin rechtmäßig ist, sodass der Kläger im Hinblick auf § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB vom Beklagten nicht die Zustimmung zu einer 15 % übersteigenden Mieterhöhung verlangen kann. Der Bundes­ge­richtshof hat - in Übereinstimmung mit dem Berufungs­gericht - im Rahmen eines Rechtsstreits über ein Mieter­hö­hungs­ver­langen eine Verpflichtung der Zivilgerichte bejaht, zu prüfen ob eine von der Landesregierung erlassene Kappungsgrenzen-Verordnung den Anforderungen an die gesetzliche Ermächtigung in § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB in Verbindung mit Satz 2 genügt und auch im Übrigen mit höherrangigem Recht in Einklang steht. Nach Durchführung der gebotenen Prüfung ist der Bundes­ge­richtshof zu der Überzeugung gelangt, dass die Kappungsgrenzen-Verordnung auf einer verfas­sungs­mäßigen Ermäch­ti­gungs­grundlage beruht, den gesetzlichen Rahmen nicht überschreitet und ihrerseits den verfas­sungs­recht­lichen Anforderungen genügt.

Kappungsgrenzen-Verordnung stellt verhält­nis­mäßigen Inter­es­se­n­aus­gleich zwischen Mieter und Vermieter her

Die Ermäch­ti­gungs­grundlage für die Kappungsgrenzen-Verordnung (§ 558 Abs. 3 Satz 3 BGB*) begegnet keinen verfas­sungs­recht­lichen Bedenken. Insbesondere verstößt sie nicht gegen die in Art. 14 Abs. 1 GG** verbürgte Eigen­tums­ga­rantie, sondern erweist sich als zulässige Inhalts- und Schran­ken­be­stimmung gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG**. Die genannte Bestimmung verfolgt ein legitimes, dem öffentlichen Interesse dienendes Regelungsziel, nämlich in Gebieten mit besonderer Gefährdungslage einen zu raschen Anstieg von Mieten auf das Niveau der ortsüblichen Vergleichsmiete zu dämpfen. Sie stellt einen angemessenen, auch die Belange der Vermieter hinreichend berück­sich­ti­genden und damit verhält­nis­mäßigen Inter­es­se­n­aus­gleich her. Insbesondere ist zur Erreichung des Regelungszwecks ein weniger einschneidendes, aber gleich wirksames Mittel nicht eindeutig feststellbar. Denn der Gesetzgeber hat sich bei § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB* für eine geringe Eingriff­sin­tensität entschieden. Er hat - anders als bei früheren Geset­ze­s­än­de­rungen - keine flächendeckende und zeitlich unbefristete Absenkung der Kappungsgrenze vorgesehen. Die gesetzliche Maßnahme ist auch nicht unzumutbar, denn der Kernbereich des Eigentums (Bestands­ga­rantie) wird hierdurch nicht berührt. Es ist weder geltend gemacht noch erkennbar, dass die Wirtschaft­lichkeit der Vermietung hierdurch ernsthaft in Frage gestellt ist.

Ausweisung des gesamten Stadtgebiets als "Gebiet mit besonderer Gefährdungslage" zulässig

Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin vom 7. Mai 2013 ist von der Ermäch­ti­gungs­grundlage des § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB gedeckt. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Berliner Senat die gesamte Stadt Berlin als Gebiet ausgewiesen hat, in dem die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen besonders gefährdet und daher die Mieter­hö­hungs­mög­lichkeit auf eine Steigerung um höchstens 15 % begrenzt ist (vgl. § 558 Abs. 3 Satz 2 BGB*).

Der Gesetzgeber hat dem Verord­nungsgeber als seinerseits demokratisch legitimiertes Rechts­set­zungsorgan bei der Beurteilung und Ermittlung der für den Erlass der Verordnung nach § 558 Abs. 3 Satz 3 BGB* maßgeblichen Umstände einen weiten wohnungsmarkt- und sozia­l­po­li­tischen Beurteilungs- und Einschät­zungs­spielraum eingeräumt, der anhand der örtlichen Gegebenheiten ausgefüllt werden muss. Dies gilt zunächst für die Festlegung der relevanten Gebiete nebst der Auswahl der Bezugsebene (gesamte Gemeinde oder Teile hiervon), aber auch für den zeitlichen Geltungsbereich der Verordnung und für die Auswahl geeigneter methodischer Ansätze. Diese Spielräume überschreitet der Verord­nungsgeber erst dann, wenn sich seine Erwägungen nicht mehr innerhalb der Zweckbindung der Ermäch­ti­gungs­grundlage bewegen und offensichtlich verfehlt sind.

Vorgehensweise des Berliner Senats bei Erlass der Verordnung nicht zu beanstanden

Das ist hier nicht der Fall. Denn es ist nicht feststellbar, dass etwa allein die Beschränkung der Gebiets­be­stimmung auf bestimmte Teile von Berlin sachgerecht gewesen wäre oder dass der Verord­nungsgeber ungeeignete Indikatoren herangezogen hätte. Zutreffend ist der Berliner Senat bei Erlass der Verordnung davon ausgegangen, dass in Anbetracht des mit § 558 Abs. 3 Satz 2 und 3 BGB* verbundenen Regelungszwecks vom Gesetzgeber bei der Beurteilung der Mangellage eine Differenzierung nach Gemeindeteilen nicht zwingend vorgeschrieben wird. Es spricht auch nichts dafür, dass die zur Bestimmung der Wohnungs­ma­rkt­si­tuation vom Berliner Senat herangezogenen Indikatoren ungeeignet gewesen wären. Soweit der Kläger abweichendes Datenmaterial heranzieht, lässt er zum einen außer Acht, dass dieses im Zusammenhang mit einem anderen Geset­zes­vorhaben erhoben worden ist, und lässt zum anderen unberück­sichtigt, dass Gerichte nicht ihre eigene Bewertung an die Stelle des weitreichenden Beurteilungs- und Einschät­zungs­spielraums des Verord­nungs­gebers setzen dürfen und daher nur überprüfen können, ob das methodische Konzept des Verord­nungs­gebers - so wie hier - tragfähig ist.

Verlangsamung des Anstieges der Bestandsmieten wäre mit stärkerer räumlichen Begrenzung der Verordnung nicht zu erreichen

Die Kappungsgrenzen-Verordnung des Landes Berlin verletzt auch keine Grundrechte des Vermieters. Insbesondere verstößt sie nicht gegen das Eigen­tums­grundrecht (Art. 14 Abs. 1 GG**). Die getroffene Maßnahme stellt einen verhält­nis­mäßigen Eingriff dar. Der Senat von Berlin war vor allem nicht gehalten, als mildere Maßnahme den Geltungsbereich der Verordnung nur auf einen Teil des Stadtgebiets zu erstrecken. Das wäre nur dann der Fall gewesen, wenn eindeutig feststünde, dass eine beschränkte Gebiets­aus­weisung den mit der Verordnung angestrebten Zweck sachlich gleichwertig erreichen würde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Verord­nungsgeber hinsichtlich der Einschätzung der Erfor­der­lichkeit einer Maßnahme ein Beurteilungs- und Progno­se­spielraum zukommt. Dieser Spielraum ist hier nicht überschritten, denn mit einer stärkeren räumlichen Begrenzung der Verordnung wäre nicht in gleicher Weise rasch und wirksam eine Verlangsamung des Anstieges der Bestandsmieten zu erreichen. Die besondere Gefährdung einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen ist aufgrund der vor allem in Ballungsräumen, Industrie- und Univer­si­täts­s­tädten sowie in Städten mit herausgehobener zentraler Lage oder Funktion wirkenden vielfältigen Impulse und der hierdurch ausgelösten spezifischen Labilität des Wohnungsmarktes grundsätzlich räumlich nicht exakt eingrenzbar.

* § 558 BGB Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete

Erläuterungen
(1) Der Vermieter kann die Zustimmung zu einer Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen, wenn die Miete in dem Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung eintreten soll, seit 15 Monaten unverändert ist.

Das Mieter­hö­hungs­ver­langen kann frühestens ein Jahr nach der letzten Mieterhöhung geltend gemacht werden. [...]

(2) Die ortsübliche Vergleichsmiete wird gebildet aus den üblichen Entgelten, die in der Gemeinde oder einer vergleichbaren Gemeinde für Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit in den letzten vier Jahren vereinbart oder, von Erhöhungen nach § 560 abgesehen, geändert worden sind. [...]

(3) Bei Erhöhungen nach Absatz 1 darf sich die Miete innerhalb von drei Jahren, von Erhöhungen nach den §§ 559 bis 560 abgesehen, nicht um mehr als 20 vom Hundert erhöhen (Kappungsgrenze).

Der Prozentsatz nach Satz 1 beträgt 15 vom Hundert, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 3 bestimmt sind.

Die Landes­re­gie­rungen werden ermächtigt, diese Gebiete durch Rechts­ver­ordnung für die Dauer von jeweils höchstens fünf Jahren zu bestimmen.

**Art. 14 Grundgesetz [Eigentum, Erbrecht und Enteignung]

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. 2Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet.

Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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