18.10.2024
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Bundesgerichtshof Urteil10.07.2015

Nutzung eines Ladens in einer Wohnungs­eigentums­anlage als Gaststätte grundsätzlich unzulässigNächtliche Nutzung als Gaststätte darf untersagt werden

Der Bundes­ge­richtshof hat der Klage einer Wohnungs­eigentümer­gemeinschaft stattgegeben, die sich gegen die nächtliche Nutzung einer als "Laden" ausgewiesenen Teil­eigentums­einheit als Gaststätte wendet.

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die beklagte Teilei­gen­tümerin erwarb 1995 ihre Einheit, die in der Teilungs­er­klärung als "Ladenraum" bezeichnet wird. Darin betreibt ihr Neffe eine Gaststätte, die nach Freigabe der Öffnungszeiten jedenfalls seit dem Jahr 2007 bis in die frühen Morgenstunden geöffnet ist. In der Eigen­tü­mer­ver­sammlung vom 10. Mai 2011 wurde ein inzwischen bestands­kräftiger Beschluss gefasst, wonach "die derzeit vorhandenen Gaststätten und Restau­rant­be­triebe bis ein Uhr nachts geöffnet sein dürfen" und die Hausverwaltung zur gerichtlichen Durchsetzung beauftragt und bevollmächtigt wurde. Die Klage, mit der erreicht werden soll, dass die Beklagte die Gaststätte nicht nach ein Uhr nachts betreiben und offen halten darf, wies das Amtsgericht Saarbrücken ab. Die Berufung blieb ebenfalls erfolglos. Auf die Revision der Klägerin hat der Bundes­ge­richtshof die Beklagte nunmehr dem Antrag entsprechend verurteilt.

BGH verneint Verwirkung des Unter­las­sungs­an­spruchs

Zur Begründung führte der Bundes­ge­richtshof aus, dass - entgegen der Auffassung der Vorinstanzen - der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung im Sinne von § 242 BGB* in Gestalt der sogenannten Verwirkung dem auf die nächtlichen Öffnungszeiten beschränkten Unter­las­sungs­an­spruch der Kläger nach § 1004 BGB**, § 15 Abs. 3 WEG*** nicht entgegensteht. Selbst wenn ein Unter­las­sungs­an­spruch hinsichtlich der Nutzung als Gaststätte vor ein Uhr nachts wegen der jahrzehn­te­langen Duldung verwirkt sein sollte, ist die Beklagte nicht so zu stellen, als diente ihre Teilei­gen­tum­s­einheit als Gaststätte. Die Verwirkung eines Unter­las­sungs­an­spruchs wegen der zweckwidrigen Nutzung einer Teilei­gen­tum­s­einheit schützt deren Eigentümer nämlich nur davor, dass er das bislang geduldete Verhalten ändern oder aufgeben muss, begründet aber nicht das Recht, neue nachteilige Veränderungen vorzunehmen. Um neue und qualitativ eigenständige Störungen geht es hier, weil die Gaststätte vor dem Jahr 2007 nicht in den Nachtstunden betrieben worden ist.

Als Laden dienende Teilei­gen­tum­s­einheit darf grundsätzlich nicht als Gaststätte genutzt werden

Die Entscheidung des Berufungs­ge­richts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Dient eine Teilei­gen­tum­s­einheit nach der Teilungs­er­klärung als Laden, darf sie grundsätzlich nicht als Gaststätte genutzt werden. Allerdings kann sich eine nach dem vereinbarten Zweck ausgeschlossene Nutzung als zulässig erweisen, wenn sie bei typisierender Betrach­tungsweise nicht mehr stört als die vorgesehene Nutzung. Entscheidend ist dabei, dass eine solche anderweitige Nutzung die übrigen Wohnungs­ei­gentümer nicht über das Maß hinaus beeinträchtigt, das bei einer Nutzung zu dem vereinbarten Zweck typischerweise zu erwarten ist. Davon kann hier schon deshalb keine Rede sein, weil die Wohnanlage der Parteien im Saarland belegen ist und Läden dort – anders als Gaststätten – zur Nachtzeit geschlossen sein müssen.

*§ 242 BGB Leistung nach Treu und Glauben

Erläuterungen
Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

**§ 1004 BGB Beseitigungs- und Unter­las­sungs­an­spruch

(1) 1 Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beein­träch­tigung verlangen. 2 Sind weitere Beein­träch­ti­gungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

(2) Der Anspruch ist ausgeschlossen, wenn der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist.

***§ 15 WEG Gebrauchs­re­gelung

(3) Jeder Wohnungs­ei­gentümer kann einen Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile [...] verlangen, der [...] den Vereinbarungen [...] entspricht.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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