15.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil07.06.2016

Dopingsperre: Schaden­s­er­satzklage von Claudia Pechstein vor den deutschen Gerichten unzulässigUnterzeichnete Wettkampf­meldung mit enthaltener Vereinbarung zum Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs wurde freiwillig unterzeichnet

Der Bundes­ge­richtshof hat entschieden, dass die Schaden­s­er­satzklage von Claudia Pechstein wegen einer zweijährigen Dopingsperre vor den deutschen Gerichten unzulässig ist. Die von Claudia Pechstein freiwillig unterzeichnete Wettkampf­meldung mit einer darin enthaltenen Vereinbarung zum Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ist wirksam und nicht zu beanstanden.

Die Klägerin des zugrunde liegenden Verfahrens, Claudia Pechstein, eine international erfolgreiche Eisschnell­läuferin, verlangt von der beklagten International Skating Union (ISU), dem internationalen Fachverband für Eisschnelllauf, Schadensersatz, weil sie - nach ihrer Auffassung zu Unrecht - zwei Jahre lang wegen Dopings gesperrt war. Im Revisi­ons­ver­fahren geht es im Wesentlichen um die Frage, ob eine von der Klägerin unterzeichnete Schieds­ver­ein­barung wirksam ist, die unter anderem die ausschließliche Zuständigkeit des Court of Arbitration for Sport (CAS) in Lausanne vorsieht.

Unterzeichnete Wettkampf­meldung enthielt Vereinbarung zum Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs

Die Beklagte ist monopolistisch nach dem "Ein-Platz-Prinzip" organisiert, d.h. es gibt - wie auch auf nationaler Ebene - nur einen einzigen internationalen Verband, der Wettkämpfe im Eisschnelllauf auf internationaler Ebene veranstaltet. Vor der Eisschnelllauf-Weltmeis­ter­schaft in Hamar (Norwegen) im Februar 2009 unterzeichnete die Klägerin eine von der Beklagten vorformulierte Wettkampf­meldung. Ohne Unterzeichnung dieser Meldung wäre sie zum Wettkampf nicht zugelassen worden. In der Wettkampf­meldung verpflichtete sie sich unter anderem zur Einhaltung der Anti-Doping-Regeln der Beklagten. Außerdem enthielt die Wettkampf­meldung die Vereinbarung eines schieds­ge­richt­lichen Verfahrens vor dem CAS unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs. Bei der Weltmeis­ter­schaft in Hamar wurden der Klägerin Blutproben entnommen, die erhöhte Retiku­lo­zy­tenwerte aufwiesen. Die Beklagte sah dies als Beleg für Doping an. Ihre Diszi­pli­na­r­kom­mission verhängte gegen die Klägerin unter anderem eine zweijährige Sperre. Die hiergegen eingelegte Berufung zum CAS war erfolglos. Auch eine Beschwerde und eine Revision zum schweizerischen Bundesgericht blieben in der Sache ohne Erfolg.

OLG erklärt Schieds­ver­ein­barung für unwirksam

Die Klägerin hat daraufhin Klage zum Landgericht München I erhoben. Sie verlangt Ersatz ihres materiellen Schadens und ein Schmerzensgeld. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlan­des­gericht München hat dagegen durch Teilurteil festgestellt, dass die Schieds­ver­ein­barung unwirksam und die Klage zulässig sei.

Pechstein rügt missbräuchliche Ausnutzung einer markt­be­herr­schenden Stellung seitens der ISU

Die Revision der ISU bekämpft diese Bewertung. Die Klägerin meint hingegen mit dem Oberlan­des­gericht, die Schieds­ver­ein­barung sei nach § 19 GWB* unwirksam. Die ISU habe durch den Zwang, entweder die (alleinige) Zuständigkeit des CAS als Schiedsgericht zu vereinbaren oder an der Weltmeis­ter­schaft nicht teilzunehmen, ihre markt­be­herr­schende Stellung missbräuchlich ausgenutzt. Die Schieds­rich­terliste des CAS, aus der die Parteien jeweils einen Schiedsrichter auswählen müssen, sei nicht unparteiisch aufgestellt worden, weil die Sportverbände und olympischen Komitees bei der Erstellung der Liste ein deutliches Übergewicht hätten.

Einrede der Schieds­ver­ein­barung führt zur Unzulässigkeit der Klage

Der Bundes­ge­richtshof ist dieser Argumentation der Klägerin nicht gefolgt. Er entschied, dass die Klage unzulässig ist, weil ihr die Einrede der Schieds­ver­ein­barung entgegensteht. Die Beklagte ist zwar bei der Veranstaltung von internationalen Eisschnell­l­auf­wett­be­werben markt­be­herr­schend. Ob das Verlangen nach Abschluss einer Schiedsabrede, die die ausschließliche Zuständigkeit des CAS vorsieht, einen Missbrauch dieser markt­be­herr­schenden Stellung darstellt, ergibt sich aber erst aus einer umfassenden Abwägung der beiderseitigen Interessen. Bei dieser Abwägung hat der Kartellsenat kein missbräuch­liches Verhalten der Beklagten feststellen können.

Verfah­rens­ordnung des CAS gewährleistet individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der Schiedsrichter

Der CAS ist ein "echtes" Schiedsgericht im Sinne der §§ 1025 ff. ZPO. Weder der CAS selbst noch das konkrete Schiedsgericht sind wie ein Verbands- oder Vereinsgericht in eine Organisation eingegliedert. Dem steht nicht entgegen, dass die Schiedsrichter aus einer geschlossenen Liste ausgewählt werden müssen und dass diese Liste von einem Gremium erstellt wird, dem überwiegend Vertreter der internationalen Sportverbände und der Olympischen Komitees angehören. Diese Regelung begründet kein strukturelles Ungleichgewicht bei der Besetzung des konkreten Schiedsgerichts. Denn die Verbände und die Athleten stehen sich nicht als von grundsätzlich gegensätzlichen Interessen geleitete Lager gegenüber. Vielmehr entspricht die weltweite Bekämpfung des Dopings sowohl den Interessen der Verbände als auch denen der Athleten. Die mit einer einheitlichen internationalen Sports­ge­richts­barkeit verbundenen Vorteile, wie etwa einheitliche Maßstäbe und die Schnelligkeit der Entscheidung, gelten nicht nur für die Verbände, sondern auch für die Sportler. Ein dennoch verbleibendes Übergewicht der Verbände wird ausgeglichen durch die Verfah­rens­ordnung des CAS, die eine hinreichende individuelle Unabhängigkeit und Neutralität der Schiedsrichter gewährleistet. Der konkret an dem Verfahren vor dem CAS beteiligte Sportverband - hier die ISU - und der Athlet müssen je einen Schiedsrichter aus der mehr als 200 Personen umfassenden Liste auswählen. Diese Schiedsrichter bestimmen gemeinsam den Obmann des Schiedsgerichts. Ist ein Schiedsrichter befangen, kann er abgelehnt werden. Die unterliegende Partei hat die Möglichkeit, bei dem zuständigen schweizerischen Bundesgericht um staatlichen Rechtsschutz nachzusuchen. Das schweizerische Bundesgericht kann den Schiedsspruch des CAS in bestimmtem Umfang überprüfen und gegebenenfalls aufheben.

Anspruch auf Zugang zu deutschen Gerichten besteht nicht

Die Klägerin hat die Schieds­ver­ein­barung freiwillig unterzeichnet. Dass sie dabei fremdbestimmt gehandelt hat, da sie andernfalls nicht hätte antreten können, führt nicht zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Denn auch insoweit ergibt die Abwägung der beiderseitigen Interessen am Maßstab des § 19 GWB eine sachliche Rechtfertigung der Verwendung der Schiedsklausel, die nicht gegen gesetzliche Wertent­schei­dungen verstößt. Dem Justi­z­ge­wäh­rungs­an­spruch der Klägerin sowie ihrem Recht auf freie Berufsausübung steht die Verband­s­au­tonomie der Beklagten gegenüber. Schließlich ist der Klägerin im Anschluss an das Schieds­ge­richts­ver­fahren Zugang zu den nach internationalem Recht zuständigen schweizerischen Gerichten möglich. Ein Anspruch gerade auf Zugang zu den deutschen Gerichten besteht danach nicht.

* § 19 GWB aF Missbrauch einer markt­be­herr­schenden Stellung

Erläuterungen
(1) Die missbräuchliche Ausnutzung einer markt­be­herr­schenden Stellung durch ein oder mehrere Unternehmen ist verboten.

[...]

(4)Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn ein markt­be­herr­schendes Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager einer bestimmten Art von Waren oder gewerblichen Leistungen

1. [...]

2. Entgelte oder sonstige Geschäfts­be­din­gungen fordert, die von denjenigen abweichen, die sich bei wirksamem Wettbewerb mit hoher Wahrschein­lichkeit ergeben würden; hierbei sind insbesondere die Verhal­tens­weisen von Unternehmen auf vergleichbaren Märkten mit wirksamem Wettbewerb zu berücksichtigen;

[...]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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