21.11.2024
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Verwaltungsgericht Wiesbaden Beschluss22.04.2010

BKA verletzt Claudia Pechstein durch Presse­mit­teilung in ihren Persön­lich­keits­rechtenIn hohem Maße ehrverletzende Tatsa­chen­be­hauptung darf nicht mehr veröffentlicht werden

Das Verwal­tungs­gericht Wiesbaden hat dem Bundes­kri­mi­nalamt untersagt, Passagen aus dem Schiedsurteil des Internationalen Sportgerichts CAS hinsichtlich der Doping-Vorwürfe gegenüber der Eisschnell­läuferin Claudia Pechstein zu verbreiten, zu veröffentlichen oder verbreiten zu lassen.

Vorausgegangen war, dass der Internationale Sport­ge­richtshof (CAS) mit Schiedsurteil vom 25. November 2009 ein Urteil der Internationalen Skating Union (ISU) vom 1. Juli 2009 bestätigt hatte, wonach gegenüber der Antragstellerin eine zweijährige Wettkampfsperre wegen angeblichen Blutdopings verhängt worden war. Im Zuge von Ermittlungen gegen unbekannt wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Arznei­mit­tel­gesetz, die die Staats­an­walt­schaft beim Landgericht München I führt, nahm das BKA am 3. März 2010 und 5. März 2010 insgesamt 21 Hausdurch­su­chungen bei Sportverbänden, Sportlern und einer Arztpraxis vor. Im Anschluss daran gaben die Staats­an­walt­schaft München I und das BKA eine Presseerklärung ab, in der unter anderem die Behauptung aufgestellt wurde: „In der Urteils­be­gründung wird der Athletin Blutdoping vorgeworfen, welches nach Einschätzung des Gerichts so nur in einem professionellen ärztlichen Umfeld möglich ist“. Das BKA stellte diese Presse­mit­teilung auch auf seiner Homepage ein, wogegen die Antragstellerin nun einstweiligen Rechtsschutz beantragte.

Aussage kann Persön­lich­keitsrecht in erheblichem Maße und nachhaltig beeinträchtigen

Das Gericht ist der Auffassung, dass die Antragstellerin durch die umstrittene Äußerung des BKA in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt ist und einen Unter­las­sungs­an­spruch hat. Der Halbsatz, wonach das vorgeworfene Blutdoping „nach Einschätzung des Gerichts so nur in einem professionellen ärztlichen Umfeld möglich ist“, sei geeignet, als unwahre Tatsa­chen­be­hauptung das Persön­lich­keitsrecht der Antragstellerin nach Art. 1 Abs. 1 GG und Art. 2 Abs. 1 GG in erheblichem Maße und nachhaltig zu beeinträchtigen, ohne dass dies zugunsten anderer erheblicher Rechtsgüter unserer Gesellschaft gerechtfertigt sei.

Aussage suggeriert zielgerichtete Vorgehensweise der Sportlerin

Der Hinweis auf ein „professionelles ärztliches Umfeld“ lasse nur den Schluss zu, dass seitens der Antragstellerin mit professioneller Hilfe vorgegangen wurde, was geeignet sei, ihre Wertschätzung in der Öffentlichkeit zu beschädigen. Die - suggerierte - Einschaltung von Ärzten setze zwingend eine vorsätzliche und zielgerichtete Vorgehensweise voraus, so dass veränderte Blutwerte nicht etwa - aus der Sicht der laienhaften Öffentlichkeit - auf nur eine fahrlässige Einnahme von Präparaten oder anderen Umständen zurückführbar sein könnten.

Mitwirkung professioneller Dopingärzte nicht nachweisbar

Die Äußerung des BKA sei auch unwahr, so das Gericht, da in dem CAS-Urteil keineswegs die Rede davon sei, dass die angebliche Beeinflussung des Bluts der Antragstellerin „so nur in einem professionellen ärztlichen Umfeld möglich ist“. Der Internationale Sport­ge­richtshof habe lediglich zum Ausdruck gebracht, dass es zunehmend schwerer sei, rEPO in Urinproben überhaupt festzustellen, weil eine häufige Gabe sehr kleiner rEPO-Mengen „in ausgeklügelten Dosie­rungs­plänen“ diesen Nachweis erschwerten. „Daher ist ein mangelnder rEPO-Befund für das Schiedsgericht kein Beweis dafür, dass eine Blutma­ni­pu­lation ausgeschlossen werden kann“, zitiert das Verwal­tungs­gericht das CASUrteil. Anhaltspunkte dafür, dass im Falle der Antragstellerin professionelle Dopingärzte mitgewirkt haben könnten, seien dem Urteil des Internationalen Sport­ge­richtshofs nicht zu entnehmen; die umstrittene Tatsa­chen­be­hauptung sei daher als falsch zu bewerten.

Ehrverletzung durch Organ öffentlicher Gewalt noch schwerwiegender

Diese falsche Tatsa­chen­be­hauptung sei auch in hohem Maße ehrverletzend und geeignet, die Antragstellerin in ihrer Wertschätzung durch die Öffentlichkeit herabzumindern und Vorver­ur­tei­lungen zu provozieren. Dies wiege nach Auffassung des Gerichts umso schwerer, als diese Ehrverletzung durch ein Organ der öffentlichen Gewalt erfolgt sei.

Quelle: ra-online, VG Wiesbaden

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