18.10.2024
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Landgericht Oldenburg Urteil05.04.2006

Unter­las­sungs­an­spruch aufgrund falscher Behauptungen

Das Landgericht Oldenburg hat einen Vereinskollegen des Boxtrainers Jürgen Paterok verurteilt, bestimmte Behauptungen über diesen zu unterlassen, und damit dem Antrag Pateroks auf Erlass einer einstweiligen Verfügung teilweise stattgegeben.

Der Beklagte, der Miteigentümer eines Wohn- und Kampfsportheims in Großsander/Kreis Leer ist, hatte dort neben weiteren Personen mit Jürgen Paterok, dem Trainer der Boxwelt­meisterin Heidi Hartmann, in einer Wohnge­mein­schaft gelebt und über die Zustände in dem Sportlerheim ein Interview gegeben, das am 04.03.2006 in der Oldenburger Nord-West-Zeitung erschien. So äußerte der Beklagte u. a., er habe bis 3.00/4.00 Uhr morgens für Paterok arbeiten müssen und lediglich über 50,00 EUR monatlich verfügen dürfen; des weiteren habe Paterok ihn, den Beklagten, als er das Haus vor vier Jahren habe verlassen wollen, durch einen GSG-9-Mann, der zur Kommune gehöre, betreuen lassen, woraufhin er geblieben sei.

Das Landgericht hat entschieden, dass diese Äußerungen geeignet seien, die Ehre und das allgemeine Persön­lich­keitsrecht Pateroks zu verletzen. Die Äußerungen in dem Presseartikel stellten Paterok als Kopf einer sektenähnlichen Wohnge­mein­schaft dar, welche einen Teil ihrer Mitglieder durch physische und psychische Maßnahmen in persönlicher und wirtschaft­licher Abhängigkeit halte. Nach dem Verständnis des Lesers habe der Beklagte mit seinen Äußerungen mitgeteilt, dass er für Paterok als moderner Arbeitssklave habe tätig sein müssen, der aufgrund seiner Abhängigkeit von dem Zwang der Wohnge­mein­schaft bis auf 50,00 EUR monatlich mittellos gehalten werde. Nach durchgeführter Beweisaufnahme, u. a. durch Vernehmung der geschiedenen Ehefrau des Beklagten, ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, dass die vorgenannten ehrverletzenden Äußerungen nicht der Wahrheit entsprechen, und hat darauf erkannt, dass die Verbreitung dieser unwahren Behauptungen auch unter Berück­sich­tigung des Rechts auf Meinungs­freiheit nicht von dem Betroffenen hinzunehmen seien.

Im Übrigen hat Landgericht den Antrag Pateroks zurückgewiesen, der auch eine gerichtliche Unter­las­sungs­ver­pflichtung gegen den Beklagten hinsichtlich weiterer Aussagen im NWZ-Interview begehrte; im Einzelnen waren folgende weitere Behauptungen Gegenstand des Rechtsstreits: Der Beklagte habe, wenn er Fehler gemacht habe, zur gefürchteten Blockschulung, einer sportlich verpackten körperlichen Strafe, gemusst; er habe sämtliche Einkünfte an Paterok abführen und sogar seine Uhr verkaufen und das Geld Paterok geben müssen; dieser habe aus seinem Büro die Umkleideräume, in denen sich Kinder und Jugendliche aufgehielten, per Bildschirm beobachten können). Das Gericht hat die Unwahrheit dieser Äußerungen nicht für erwiesen und daher insoweit einen Unter­las­sungs­an­spruch Pateroks nicht als begründet erachtet.

Es sei hinzunehmen, dass die Presse über Umstände berichte, deren Wahrheit noch offen sei, sofern sie ihren Recher­chie­rungs­pflichten genüge. Für den Informanten gelte sinngemäß dasselbe. Sofern er in Wahrnehmung berechtigter Interessen handele, dürfe er sich über die Öffentlichkeit wesentlich berührender Angelegenheiten äußern, wenn er seinen Recher­chie­rungs­pflichten genüge und nicht wesentliche Umstände verschweige. Dann habe es der Verletzte hinzunehmen, dass über ihn möglicherweise unwahre Tatsachen verbreitet würden, solange er nicht den Unwahr­heits­beweis erbringen könne. Ansonsten würde das Recht auf Meinungs­freiheit zu stark eingeschnürt werden. Das Gericht hat diese Anforderungen als erfüllt angesehen. Die Umstände, wie nicht nur regional, sondern zum Teil sogar weltweit bekannte Sportler in einer Wohn- und Wirtschafts­ge­mein­schaft zusammenlebten, hätten einen Infor­ma­ti­o­nswert für die Öffentlichkeit, zumal ein maßgebliches Mitglied der Sportl­er­ge­mein­schaft einer Sittlich­keitss­traftat verdächtig sei. Der Beklagte habe insoweit als Presseinformant seine Meinungs­freiheit ausgeübt und der ihm obliegenden Recher­chie­rungs­pflicht genügt; er habe über eigene Erlebnisse berichtet.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung des LG Oldenburg vom 05.04.2006

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