18.10.2024
18.10.2024  
Sie sehen einen Vertrag, der gerade unterzeichnet wird und davor die ilhouetten von zwei Personen.
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Bundesgerichtshof Beschluss10.02.2009

Bundes­ge­richtshof bestätigt Vorgaben für den Abschluss langfristiger Gaslie­fer­verträge

Der Kartellsenat des Bundes­ge­richtshofs hat sich mit der kartell­recht­lichen Zulässigkeit langfristiger Gaslie­fer­verträge befasst.

E.ON Ruhrgas, das mit Abstand größte deutsche Gasver­sor­gungs­un­ter­nehmen, hatte – ebenso wie die anderen großen Gasver­sor­gungs­un­ter­nehmen – in der Vergangenheit seine Kunden, meist regionale Gasunternehmen und Stadtwerke, durch langfristige, häufig den gesamten Jahresbedarf abdeckende Verträge an sich gebunden. Das Bundes­kar­tellamt hatte im Januar 2006 entschieden, dass diese Verträge bis zum 30. September 2006 beendet werden müssen und dass Ferngas­un­ter­nehmen ihre Kunden auch in Zukunft nicht mehr langfristig an sich binden dürfen. Nach den Vorgaben des Bundes­kar­tellamts darf die Laufzeit künftiger Gaslie­fer­verträge zwei Jahre nicht überschreiten, wenn durch den Vertrag mehr als 80 % des tatsächlichen Bedarfs des Kunden gedeckt wird. Bei einer Bedarfsdeckung zwischen 50 und 80 % muss die Laufzeit auf maximal vier Jahre begrenzt sein. Diese Vorgaben des Bundes­kar­tellamts, die zunächst bis zum 30. September 2010 gelten, hat der Bundes­ge­richtshof in Übereinstimmung mit der Vorinstanz, dem Oberlan­des­gericht Düsseldorf, jetzt bestätigt. Im Rechts­be­schwer­de­ver­fahren hatte E.ON Ruhrgas die Verpflichtung, die langfristigen Verträge zu beenden und neue Verträge nur noch nach dem vom Bundes­kar­tellamt vorgegebenen Mengen-Laufzeit-Gerüst zu schließen, nicht mehr in Frage gestellt. Die Verfügung des Bundes­kar­tellamts enthält darüber hinaus aber auch das Verbot, Verträge miteinander zu kombinieren, die nach Menge und Laufzeit für sich genommen zulässig sind. Wenn beispielsweise schon ein Vierjah­res­vertrag über 80 % des Kundenbedarfs besteht, darf kein Angebot über die freie Teilmenge von 20 % abgegeben werden, es sei denn, auch über die Hauptmenge würde neu verhandelt. Gegen diese zusätzliche Beschränkung hat sich E.ON Ruhrgas mit seiner Rechts­be­schwerde in erster Linie gewandt.

BGH: Bisherige Verträge verstießen gegen deutsches und europäisches Kartellrecht

In seiner Entscheidung geht der Bundes­ge­richtshof davon aus, dass die bisherige Praxis langfristiger Gaslie­fer­verträge gegen deutsches und europäisches Kartellrecht verstoßen hat, weil solche Verträge, mit denen nahezu der gesamte Bedarf der jeweiligen Kunden gedeckt wird, zu einer Abschottung des Marktes und damit zu einer spürbaren Behinderung des Wettbewerbs führten. Der Bundes­ge­richtshof hat es für unbedenklich gehalten, dass das Kartellamt zur Berechnung der zulässigen Lieferquote auf den tatsächlichen Vertriebsbedarf des Gaskunden im Vertrags­zeitraum abgestellt hat. E.ON Ruhrgas sei es zumutbar, die Liefermengen fortlaufend zu überwachen und gegebenenfalls an witte­rungs­be­dingte und konjunkturelle Schwankungen anzupassen. Eine Festschreibung der zulässigen Liefermenge auf einen Bruchteil des Vorjahreswerts oder eines Durch­schnittswerts mehrerer Vorjahre weise demgegenüber Nachteile im Hinblick auf die Versor­gungs­si­cherheit auf. Außerdem sei es dem Zweit­lie­fe­ranten nicht zuzumuten, wenn er mit einem relativ geringen Lieferanteil das gesamte Risiko eines konjunkturellen oder witte­rungs­be­dingten Mehr- oder Minderbedarfs abdecken müsse.

E.ON Ruhrgas hat eine überragende Marktmacht - Markt­ab­schottung muss vermieden werden

Wegen der überragenden Marktmacht von E.ON Ruhrgas auf dem durch sein Gasnetz bestimmten Gaswei­ter­ver­tei­lermarkt – E.ON Ruhrgas hat hier einen Marktanteil von 75 %, verfügt über das größte Hochdruck­lei­tungsnetz und ist an ca. 30 % aller Regional- und Ortsgas­un­ter­nehmen direkt oder indirekt beteiligt – habe das Bundes­kar­tellamt mit Recht angenommen, dass allein die Beendigung der bisherigen Verträge nicht ausreichend gewesen wäre, um eine wesentliche Öffnung des Marktes für Wettbewerber zu ermöglichen. Hierzu sei es vielmehr erforderlich gewesen, für eine Übergangszeit praktisch handhabbare Regeln für den Abschluss künftiger Gaslie­fer­verträge aufzustellen. Zwar seien die Verträge, die das Bundes­kar­tellamt untersagt habe, nur deswegen kartell­rechts­widrig, weil sie Teil eines Bündels gleichartiger Verträge gewesen seien. Es müsse aber davon ausgegangen werden, dass E.ON Ruhrgas ohne das Verbot eine Vielzahl gleichartiger Verträge abschließen würde und dadurch erneut eine Markt­ab­schottung eintreten würde.

Verträge dürfen zusam­men­ge­rechnet werden

Der Bundes­ge­richtshof hat auch das Verbot für rechtmäßig gehalten, mehrere für sich genommen unbedenkliche Verträge miteinander zu kombinieren, wenn diese Verträge zusam­men­ge­rechnet die Grenzen des Mengen-Laufzeit-Gerüsts überschreiten. Könne der Lieferant, der bereits einen Teil des Bedarfs decke (im Beispiel: 80 %), bei der Vergabe der Restmenge mitbieten, werde der angestrebte Effekt einer Marktöffnung für andere Lieferanten gefährdet, weil der Lieferant der Hauptmenge aufgrund der bereits akquirierten Menge erhebliche Kostenvorteile habe. Dass durch diese Regelung unter Umständen ein besonders günstiges Angebot von E.ON Ruhrgas nicht zum Zuge komme, müsse für eine Übergangszeit im Interesse einer effektiven langfristigen Öffnung des Gaswei­ter­ver­tei­ler­marktes in Kauf genommen werden.

Von der Entscheidung sind nur Verträge zwischen E.ON Ruhrgas als Ferngas­un­ter­nehmen und den als Weiterverteiler tätigen Regional- und Ortsgas­un­ter­nehmen betroffen. Bezugsverträge auf der Importstufe, also mit den Erdgas­pro­du­zenten, bleiben hiervon unberührt.

Quelle: ra-online, Pressemitteilung Nr. 29/09 des BGH vom 11.02.2009

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