15.11.2024
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Bundesgerichtshof Urteil15.02.2012

Bundes­ge­richtshof zur Geltendmachung und zur Verjährung von Schaden­s­er­satz­ansprüchen gegen englischen Lebens­ver­si­chererAnspruch auf Schadenersatz bei mangelnder Aufklärung vor Abschluss der Lebens­ver­si­cherung möglich

Der Bundes­ge­richtshof hatte über gerichtliche Geltend­ma­chungen und Verjährungen von Schaden­s­er­satz­ansprüchen wegen unzureichender Aufklärung vor Abschluss einer englischen Lebens­ver­si­cherung zu entscheiden.

Der Kläger des zugrunde liegenden Streitfalls schloss zu Beginn des Jahres 1999 bei dem beklagten englischen Lebens­ver­si­cherer eine "Investment-Lebens­ver­si­cherung" ab, nachdem dieser mit jährlichen Überschüssen deutlich über denen seiner deutschen Mitbewerber geworben hatte. Seit 2003 stagniert der Vertragswert. Bei der Beklagten war es zu Problemen mit der finanziellen Belastung aus den Ansprüchen britischer Bestandskunden gekommen, die 2002 in der Genehmigung eines Vergleichsplans nach englischem Gesell­schaftsrecht ("Scheme of Arrangement") durch das dort zuständige Gericht mündeten. Dieser führte zur Abfindung einzelner Ansprüche der Versi­che­rungs­nehmer gegen einmalige Erhöhung des Versi­che­rungs­wertes.

Kläger bemängelt nicht ordnungsgemäße Geschäfts­politik und unzureichende Aufklärung seitens der beklagten Versicherung

Der Kläger hat geltend gemacht, dass er über die aus seiner Sicht nicht ordnungsgemäße Geschäfts­politik der Beklagten u.a. durch überhöhte Zuteilung von Überschüssen, unzureichende Bildung von Deckungskapital und Verwendung veralteter Sterbetafeln nicht aufgeklärt worden sei und den Vertrag bei zutreffender Information nicht abgeschlossen hätte. Die Beklagte hat sich auf die Sperrwirkung ihres englischen Vergleichsplans, die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche und das Fehlen von Aufklä­rungs­pflichten berufen. Das Berufungs­gericht hat die Klage wegen Verjährung abgewiesen.

Vergleichsplan hindert Versi­che­rungs­nehmer in Deutschland nicht, Ansprüche geltend zu machen

Der Bundes­ge­richtshof führte in seiner Entscheidung aus, dass der Anerkennung eines gerichtlich genehmigten Vergleichsplans nach englischem Gesell­schaftsrecht ("Scheme of Arrangement"), der eine Lebensversicherung betrifft, jedenfalls die Vorschriften über die Zuständigkeit in Versi­che­rungs­sachen gemäß Art. 8, 12 Abs. 1, 35 EuGVVO* entgegenstehen. Mithin hindert der Vergleichsplan Versi­che­rungs­nehmer in Deutschland nicht, Ansprüche geltend zu machen.

Schaden­s­er­satz­ansprüche nur teilweise verjährt

Weiterhin hat der Bundes­ge­richtshof seine Rechtsprechung bestätigt, wonach für die Verjährung des Schaden­s­er­satz­an­spruchs aus vorver­trag­lichem Verschulden, mit dem der Versi­che­rungs­nehmer so gestellt werden will, wie wenn er den Vertrag nicht geschlossen hätte, nicht § 12 Abs. 1 VVG a.F.** einschlägig ist, sondern die allgemeinen Bestimmungen der §§ 195, 199 BGB*** gelten. Danach sind nur einige der vom Kläger geltend gemachten Schaden­s­er­satz­ansprüche verjährt.

Rückweisung der Sache an das Berufungs­gericht zur weiteren Aufklärung

Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungs­gericht zurückverwiesen, das noch Feststellungen zu den nicht verjährten Schaden­s­er­satz­ansprüchen zu treffen hat.

* Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO)

Erläuterungen

Artikel 12

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 11 Absatz 3 kann der Versicherer nur vor den Gerichten des Mitgliedstaats klagen, in dessen Hoheitsgebiet der Beklagte seinen Wohnsitz hat, ohne Rücksicht darauf, ob dieser Versi­che­rungs­nehmer, Versicherter oder Begünstigter ist.

[…]

**Ver­si­che­rungs­ver­trags­gesetz (VVG) in der bis zum 31. Dezember 2007 gültigen Fassung

§ 12

(1) Ansprüche aus dem Versi­che­rungs­vertrag verjähren in zwei Jahren, bei der Lebens­ver­si­cherung in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in welchem die Leistung verlangt werden kann.

[…]

***Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

§ 195 Regelmäßige Verjäh­rungsfrist

Die regelmäßige Verjäh­rungsfrist beträgt drei Jahre.

§ 199 Beginn der regelmäßigen Verjäh­rungsfrist und Verjäh­rungs­höchst­fristen

(1) Die regelmäßige Verjäh­rungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjäh­rungs­beginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem

1. der Anspruch entstanden ist und

2. der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.

[…]

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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