21.11.2024
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Dokument-Nr. 29177

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Bundesgerichtshof Beschluss27.08.2020

BGH zum digitalen Nachlass: Eltern erhalten Zugang zum Facebook-Konto ihrer toten TochterAushändigung der Daten auf USB-Stick genügt nicht

Der Bundes­ge­richtshof hat mit Beschluss vom 27.08.2020 entschieden, dass die Betreiberin eines sozialen Netzwerks, die verurteilt worden ist, den Erben einer Netzwerk-Teilnehmerin Zugang zu deren vollständigen Benutzerkonto zu gewähren, den Erben die Möglichkeit einräumen muss, vom Konto und dessen Inhalt auf dieselbe Weise Kenntnis zu nehmen und sich - mit Ausnahme einer aktiven Nutzung - darin so "bewegen" zu können wie zuvor die ursprüngliche Konto­be­rechtigte.

Im hier vorliegenden Fall betreibt die Schuldnerin ein soziales Netzwerk. Sie ist durch - vom Bundes­ge­richtshof (Urteil vom 12. Juli 2018 - III ZR 183/17 - Presse­mit­teilung 115/18) bestätigtes - rechtskräftig gewordenes Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Dezember 2015 verurteilt worden, den Eltern einer verstorbenen Teilnehmerin an dem Netzwerk als Erben Zugang zu dem vollständigen Benutzerkonto und den darin vorgehaltenen Kommu­ni­ka­ti­o­ns­in­halten ihrer Tochter zu gewähren. Die Schuldnerin hat daraufhin der Gläubigerin, der Mutter der Verstorbenen, einen USB-Stick übermittelt, der eine PDF-Datei mit mehr als 14.000 Seiten enthält, die nach den Angaben der Schuldnerin eine Kopie der ausgelesenen Daten aus dem von der Verstorbenen geführten Konto enthält. Zwischen den Parteien ist streitig, ob hierdurch die Verpflichtung der Schuldnerin aus dem Urteil des Landgerichts vom 17. Dezember 2015 erfüllt worden ist.

LG verhängt wegen Nichterfüllung der Verpflichtung ein Zwangsgeld von 10.000 €

Das Landgericht hat auf Antrag der Gläubigerin gegen die Schuldnerin wegen Nichterfüllung ihrer Verpflichtung aus dem Urteil vom 17. Dezember 2015 ein Zwangsgeld von 10.000 € festgesetzt. Das Kammergericht hat den Beschluss des Landgerichts auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin aufgehoben und den Antrag der Gläubigerin auf Festsetzung eines Zwangsmittels gegen die Schuldnerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die vom Kammergericht zugelassene Rechts­be­schwerde der Gläubigerin.

BGH: Volles Einsichtsrecht für die Erben

Der Bundes­ge­richtshof hat den Beschluss des Kammergerichts aufgehoben und die erstin­sta­nzliche Entscheidung wieder­her­ge­stellt. Bereits die Auslegung des Tenors des Urteils des Landgerichts Berlin vom 17. Dezember 2015 ergibt, dass der Gläubigerin nicht nur Zugang zu den im Benutzerkonto vorgehaltenen Kommu­ni­ka­ti­o­ns­in­halten zu gewähren, sondern darüber hinaus auch die Möglichkeit einzuräumen ist, vom Benutzerkonto selbst und dessen Inhalt auf dieselbe Art und Weise Kenntnis nehmen zu können, wie es die ursprüngliche Konto­be­rechtigte konnte. Dies folgt zudem aus den Entschei­dungs­gründen des vorgenannten Urteils sowie des Urteils des Bundes­ge­richtshofs vom 12. Juli 2018. Beide Entscheidungen haben den von der Schuldnerin zu erfüllendem Anspruch der Gläubigerin erbrechtlich hergeleitet.

Erben haben Primä­r­leis­tungs­an­spruch auf Zugang zu Benutzerkonto

Der Bundes­ge­richtshof hat ausgeführt, der Nutzungsvertrag zwischen der Tochter der Gläubigerin und der Schuldnerin sei mit seinen Rechten und Pflichten im Wege der Gesamt­rechts­nachfolge auf die Erben übergegangen. Letztere seien hierdurch in das Vertrags­ver­hältnis eingetreten und hätten deshalb als Vertragspartner und neue Konto­be­rechtigte einen Primä­r­leis­tungs­an­spruch auf Zugang zu dem Benutzerkonto ihrer Tochter sowie den darin enthaltenen digitalen Inhalten. Aus dieser Stellung der Erben und dem auf sie übergegangenen Haupt­leis­tungs­an­spruch der Erblasserin aus dem mit der Schuldnerin bestehenden Vertrags­ver­hältnis folgt ohne weiteres, dass den Erben auf dieselbe Art und Weise Zugang zu dem Benutzerkonto zu gewähren ist wie zuvor ihrer Tochter. Das ergibt sich zudem aus zahlreichen weiteren Ausführungen des Bundes­ge­richtshofs und des Landgerichts Berlin in ihren vorgenannten Urteilen.

Anspruch auf Zugang zum Benutzerkonto mit Aushändigung eines USB-Sticks nicht erfüllt

Die Schuldnerin hat ihre Verpflichtung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. Dezember 2015 nicht erfüllt. Durch die Überlassung des USB-Sticks mit einer umfangreichen PDF-Datei wurde kein vollständiger Zugang zum Benutzerkonto gewährt. Die PDF-Datei bildet das Benutzerkonto nicht vollständig ab. Letzteres erfordert nicht nur die Darstellung der Inhalte des Kontos, sondern auch die Eröffnung aller seiner Funkti­o­na­litäten - mit Ausnahme derer, die seine aktive Weiternutzung betreffen - und der deutschen Sprache, in der das Benutzerkonto zu Lebzeiten der Erblasserin vertragsgemäß geführt wurde. Diese Voraussetzungen erfüllt die von der Gläubigerin übermittelte Datei nicht.

Quelle: Bundesgerichtshof, ra-online (pm/ab)

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