18.10.2024
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Urteil12.07.2010BundesgerichtshofII ZR 292/06
Vorinstanz:
  • Landgericht München I, 25.04.2006, 34 O 16095/05
Eine weitere Entscheidung zu diesem Thema:
  • Oberlandesgericht München, 23.11.2006, 8 U 3479/06
ergänzende Informationen

Bundesgerichtshof Urteil12.07.2010

BGH: EuGH Vorlage zur Auslegung der Haustür­ge­schäfte-Richtlinie nach Widerruf eines Gesell­schafts­bei­trittsEuGH erklärt Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft für anwendbar

Ein Gesellschafter kann seine in den eigenen vier Wänden geschlossene Beteiligung an einer GbR wirksam widerrufen. Dennoch kann für den Gesellschafter auch im Nachhinein noch eine Nachschuss­pflicht bestehen. Eine solche Regelung verstößt nicht gegen die EU-Richtlinie zu Haustür­ge­schäften. Dies geht aus einer Entscheidung des Bundes­ge­richtshofs hervor.

Im zugrunde liegenden Fall hat der Beklagte 1991 aufgrund von Verhandlungen, die in seiner Privatwohnung geführt worden sind, seinen Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) erklärt.

Sachverhalt

In einem Vorprozess forderte die Klägerin als Geschäfts­führerin der GbR vom Beklagten die Zahlung von Nachschüssen, die die Gesell­schaf­ter­ver­sammlung der GbR zur Beseitigung von Unterdeckungen beschlossen hatte. Im Laufe des Verfahrens hat der Beklagte seine Mitgliedschaft in der GbR fristlos gekündigt und die Beitritts­er­klärung nach § 3 HWiG (jetzt § 312 BGB) widerrufen. Die Klage ist im Vorprozess mit der Begründung abgewiesen worden, nach wirksamer Kündigung des Gesell­schafts­bei­tritts durch den Beklagten bestünden zwischen den Parteien nur noch Ansprüche nach den Grundsätzen der fehlerhaften Gesellschaft. Die Nachschuss­for­derung sei daher nicht mehr selbständig einklagbar, sondern sie sei als unselbständiger Rechnungsposten in die zu erstellende Ausein­an­der­set­zungs­rechnung einzustellen.

Klägerin erstellt Ausein­an­der­set­zungs­rechnung mit negativem Ausein­an­der­setzungs-"Guthaben"

Die Klägerin hat dieser Rechtsansicht des Berufungs­ge­richts im Vorprozess Rechnung getragen und eine Ausein­an­der­set­zungs­rechnung erstellt, die ein negatives Ausein­an­der­setzungs-"Guthaben" des Beklagten – d.h. einen Anspruch der Gesellschaft gegen den Beklagten auf Verlustdeckung nach § 739 BGB - ausweist.

Klägerin erhebt Vollstre­ckungs­ge­genklage

Der Beklagte betreibt gegen die Klägerin die Zwangs­voll­streckung aus dem Kosten­fest­set­zungs­be­schluss des Vorprozesses. Die Klägerin hat mit ihrer Forderung gegen den Beklagten auf Zahlung dieses Anspruchs auf Verlustdeckung die Aufrechnung gegen die Forderung aus dem Kosten­fest­set­zungs­be­schluss erklärt und im vorliegenden Rechtsstreit Vollstre­ckungs­ge­genklage erhoben. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Das Berufungs­gericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen.

EU-Richtlinie steht Rückabwicklung eines wirksam widerrufenen Gesell­schafts­bei­tritts nach Grundsätzen der Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht entgegen

Hiergegen richtet sich die vom Berufungs­gericht zugelassene Revision der Klägerin. Der für das Gesell­schaftsrecht zuständige II. Zivilsenat hat ein Vorab­ent­schei­dungs­er­suchen nach Art. 234 EG an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) gerichtet (vgl. Bundes­ge­richtshof, Beschluss v. 05.05.2008 - II ZR 292/06 -). Der EuGH hat entschieden, dass die Richtlinie 85/577/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 betreffend den Verbrau­cher­schutz im Falle von außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (Haustür­ge­schäfte-RL) grundsätzlich auf den Beitritt zu einer Perso­nen­ge­sell­schaft anwendbar ist, wenn der Zweck eines solchen Beitritts vorrangig nicht darin besteht, Mitglied dieser Gesellschaft zu werden, sondern Kapital anzulegen. Zugleich stehe Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie einer Rückabwicklung eines wirksam widerrufenen Gesell­schafts­bei­tritts nach den Grundsätzen der im deutschen Recht anerkannten Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft nicht entgegen, auch wenn dadurch der Verbraucher möglicherweise weniger als den Wert seiner Einlage zurückerhalte oder sich am Verlust des Fonds beteiligen müsse (Urteil vom 15. April 2010 – C-215/08). Nach dem Urteil des EuGH bleibt daher die Lehre von der fehlerhaften Gesellschaft anwendbar.

Klägerin hat Anspruch auf Verlu­s­t­aus­gleich

Der Bundes­ge­richtshof hat auf die Schluss­ver­handlung die landge­richtliche Entscheidung wieder­her­ge­stellt. Der Klägerin steht gegen den Beklagten ein Anspruch auf Verlu­s­t­aus­gleich auch dann zu, wenn der Beklagte seinen Beitritt zu dem geschlossenen Immobilienfonds wirksam nach § 3 HWiG (jetzt § 312 BGB) widerrufen hat. Die Klägerin konnte mit diesem Anspruch gegen die Kostenforderung aufrechnen, so dass die Vollstre­ckungs­ge­genklage begründet ist.

Quelle: Bundesgerichtshof/ra-online

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